Ungeliebter Wahlkampf-Gast Anton Hofreiter besucht das "Tönnies-Land"

Kreis Gütersloh. Während die CDU im Kreis Gütersloh auf ihren Spitzenvertreter zur Wahlkampfunterstützung wohl ganz verzichten muss, weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seinen für Donnerstag geplanten Auftritt in der Stadthalle Rheda-Wiedenbrück abgesagt hat, mussten auch Bündnis 90/Grüne am Mittwoch von ihren Plänen abrücken. Bundesfraktionschef Anton Hofreiter wollte zunächst dem Kiebitzhof vom Wertkreis in Gütersloh einen Besuch abstatten, um über Hühnerhaltung im Biolandbetrieb zu sprechen. Landrat Adenauer sagte kurzfristig Nein zu diesen Plänen. Da der Kreis Gütersloh Mehrheitsgesellschafter des Wertkreises ist, sah die Verwaltung nach eigenen Angaben in einem medienwirksamen Auftritt dort einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht. Stattdessen freute sich der Biohof Westerbarkey über Hofreiters Besuch. Er schaute sich die Hühnerhaltung vor Ort an und gemeinsam spazierte man zur Wiese mit der Agnus-Mutterkuhherde. Und als wäre das nicht schon genug Wind um die Sache gewesen, musste der öffentliche Auftritt Hofreiters in Wiedenbrück anschließend wegen (echter) Sturmwarnung abgesagt werden. Die Grünen-Lokalpolitiker gingen in ganz kleiner Runde ins Wiedenbrücker Standesamt. Problembesprechung mit dem Spitzenpolitiker "Toni Hofreiter ist ein exquisiter Kenner, wenn es um Landwirtschaft geht", so Volker Brüggenjürgen (Grüne) in seiner Ansprache an die Parteifreunde. Und wenn die wenigen erlaubten Zuhörer ohnehin allesamt Grünen-Mitglieder sind, bedarf es keiner großen Wahlkampfüberzeugung. Also nutzten die Lokalpolitiker in Rheda-Wiedenbrück die Gelegenheit, mit ihrem Top-Act aus Berlin das Naheliegende zu besprechen: Die Situation im "Tönnies-Land". Hofreiter kennt die Problematik, ist bereits zum dritten Mal in der Region und seine Aussagen haben schon deshalb Relevanz, weil er von Beruf Diplom Biologe ist - dazu auch promoviert. Vor rund einem Jahr wollte er den Schlachthof von Innen sehen und war zum Produktionsbesuch angemeldet. "Wir wurden damals sehr kurzfristig wieder ausgeladen", erklärte Bürgermeisterkandidatin Sonja von Zons. Schon damals musste Hofreiter umorganisieren und ging stattdessen einen Schweinemastbetrieb besichtigen. Er kennt das. Begünstigt die Massentierhaltung das Entstehen von multiresistenten Keimen und Pandemien? "Ja", sagt Anton Hofreiter ohne jede Polemik und begründet ausführlich seine Antwort. Mit den Pandemiequellen bei Wildtieren, der großen Gruppe der Grippeviren sowie der Durchmischung von beidem ist er inhaltlich vertraut. "Wir haben uns einen Plan gemacht, der vorsieht, dass wir in 20 Jahren raus sind aus der Massentierhaltung." Zwei Jahrzehnte? "Das mag Tierschützern lang erscheinen, aber bei dem was dafür an Veränderung alles nötig ist, ist der Zeitraum kurz." Dreh- und Angelpunkt sind die Schlachtkonzerne mit den vier großen Supermarktketten für den Endverbraucher. "Hier müssen wir ans Kartellrecht", so Hofreiter, "und das ist alles andere als trivial. Das wird schwer." "Eine entscheidende Rolle spielen die Tiertransporte" Das Zehn-Punkte-Programm der Kreis Grünen als Konsequenz aus dem "Tönnies-Desaster" ist dem Bundesfraktionschef bekannt. Die Parteispitze hat es zum eigenen Ziel erklärt. "Ob eine Reduzierung der Schlachtkapazität bei Tönnies möglich ist, bleibt fraglich. Aber eine entscheidende Rolle spielen die Tiertransporte." Der Schlachthof darf 30.000 Schweine täglich schlachten. Die müssen angefahren werden. Die Höchstdauer von einem Tiertransport ist auf acht Stunden festgelegt. Diese kann jedoch unbegrenzt verlängert werden, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt werden. "Die Zeit muss deutlich begrenzt werden", die Rede ist von zwei bis drei Stunden - dann reduziere sich die Zahl der Schlachttiere quasi von selbst. "Werden wir das Gesetz zur Abschaffung der Werkverträge im Kerngeschäft der Schlachtindustrie wirklich bekommen?", so die bange Frage der Anwesenden. Während Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Wochenende dazu in Gütersloh ein unumstößliches Ja formulierte, ist Hofreiter vorsichtiger. Auch er weiß um die starke Lobby der Fleischindustrie. Die Abgeordneten der CDU/CSU im Agrarausschuss , so Hofreiter, fungierten selbst als Lobbyisten. "Die müssen gar nicht rein ins Gesetzesverfahren. Die sind schon drin."

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