Karstadtianer fordern in Gütersloh lautstark: "Zukunft statt Kahlschlag"

Gütersloh. Ende Oktober soll der Hammer fallen. 55 Jahre nach der am 25. März 1965 - damals noch unter der Hertie-Flagge - erfolgten Eröffnung des Karstadt-Warenhauses im Herzen der Innenstadt soll der mit 8.500 Quadratmeter Verkaufsfläche weitaus größte Anbieter in der Innenstadt in absehbarer Zeit geschlossen werden. Für die noch rund 70 Beschäftigten, aber auch für die Stadt Gütersloh, die Kaufmannschaft in der Innenstadt und Bürgermeister Henning Schulz (CDU) käme der Vollzug, der am 19. Juni bekannt gewordenen Nachricht, einer Katastrophe gleich. Wie auch andernorts regt sich gegen die Entscheidung des Essener Warenhauskonzernes Galeria Karstadt Kaufhof auch in der Dalkestadt massiver Widerstand. "Ohne Warenhaus gehen in Gütersloh die Lichter aus" Die Karstadtianer um ihren Betriebsratsvorsitzender Ertac Ekinci kämpfen Seite an Seite mit Bürgermeister Henning Schulz, SPD-Vertretern, die sich ohnehin im Einsatz für Arbeitnehmerinteressen sehen, und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi um den Erhalt des Hauses und ihrer Arbeitsplätze. Als Zeichen des Protestes gingen die Beschäftigten des Warenhauses zusammen mit ihren Mitstreitern Samstagvormittag auf die Straße. Mit lautstarken "Wir wollen bleiben"-Rufen und Transparenten wie "Wir fordern Zukunft statt Kahlschlag", "Ohne Warenhaus gehen in Gütersloh die Lichter aus" oder "Gütersloh wird reduziert ohne Galeria" forderten rund 100 bis 120 Demonstranten die Konzernspitze zum Umdenken auf. Am Großteil der Gütersloher ging der Kampf um den Erhalt des Ankermieters am Berliner Platz allerdings vorbei. Für die von Ertac Ekinci zum Aktionsziel erklärte &bdquo;Einbeziehung und Mitnahme der Bevölkerung" war es schlichtweg zu früh. Wegen der Öffnung des Hauses um 9.30 Uhr war die Solidaritätsaktion von 8.45 Uhr bis 9.20 Uhr befristet. Punkt 9.30 Uhr erinnerte nur noch ein "Aufgeben ist für uns keine Option. Wir kämpfen für den Erhalt unseres Kaufhauses"-Plakat samt ausliegender Unterschriftenlisten an den Unwillen gegen die Konzern-Pläne. Der örtliche Betriebsratsvorsitzende bemängelte vorher insbesondere die Intransparenz der Entscheidungsfindung. Ertac Ekinci: "Wir wollen Klarheit, wir wollen Informationen über die Gründe. Das Haus macht Gewinn. Daran kann es nicht liegen." "Wir tappen komplett im Dunkel. Das ist total frustrierend" Mitarbeiter und Betriebsrat seien niedergeschmettert und verbittert "weil keine Informationen zu bekommen sind. Wir tappen komplett im Dunkel. Das ist total frustrierend." Nach Einschätzung von Bürgermeister Henning Schulz habe diese Verschleierungstaktik durchaus System. Um 8.58 Uhr holte der Bürgermeister zum Rundumschlag aus. Nachdem er sich in den "vergangenen Tagen in vielen Gesprächen vergeblich um Transparenz bemüht" hatte, geißelte der Verwaltungschef exakte 4:32 Minuten das Geschäftsgebaren der Galeria Karstadt Kaufhaus-Kette einerseits, und des Immobilieninhabers, dem Immobilienfonds Highstreet B Portfolio, auf der anderen Seite. Henning Schulz: "Das was wir hier erleben ist nicht der erste Schritt der Leidensgeschichte. Begonnen hat das System, was ich unerträglich finde, bereits vor über zehn Jahren, in dem man die Häuser für viel zu viel Geld verkauft hat, sie dann mit viel zu hoher Miete den Beschäftigten quasi vor die Füße geworfen hat, um dann zu sagen, ihr müsst auf Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und ähnliches verzichten, damit die Miete erwirtschaftet werden kann. Das ist ein System, was nicht funktionieren kann." Es sei &bdquo;unerträglich, dass das große Geld ganz woanders hinwandert, das Geld dann aber hier bei uns und bei Ihnen in Gütersloh fehlt." Für den Klartext erntete der Bürgermeisterkandidat viel Beifall. "Eine sehr bittere Wahrheit" Nach Telefonaten mit seinen ebenso von Karstadt-Schließung bedrohten Amtskollegen in Lübeck und Bremerhaven (siehe Info-Kasten) prangerte Schulz das Ping-Pong-Spiel zwischen den Betreiber und Immobilienbesitzern um die Verteilung des Schwarzen Peters an. Henning Schulz vermutet dahinter durchaus Strategie: "Das Thema bleibt intransparent. Man will uns, man will Ihnen gar nicht die Chance geben, zu wissen, was sie tun können, um das Haus zu retten. Es hat System, dass wir kein Packende kriegen sollen". So wie allen anderen vor Ort war dem CDU-Politiker die Bedeutung von Karstadt für Gütersloh absolut klar: "Wenn dieser Magnet fehlt, wenn dieses Sortiment fehlt, dann wird es nicht durch die anderen Einzelhändler kompensiert werden können." Auch für die Beschäftigten sei klar, "dass in dieser ganz besonderen derzeitigen Situation die Türen nicht überall offen stehen, und sie sofort überall weiter machen können." Das sei "eine sehr bittere Wahrheit". Er sicherte den Karstadtianern zu: "Die Unsicherheit, in der man sie lässt, ist unerträglich. Dagegen verwehre ich mich. Sie haben die volle Solidarität der Stadt, wir werden weiter für sie kämpfen." Ob und was die bisher geleisteten knapp 3.000 Unterschriften gegen die Schließung (2.000 per Online-Petition; 1.000 per analogen Listen) erreichen können, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

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