Erstattung der Lohnkosten? Tönnies will sich Geld vom Land zurückholen

Kreis Gütersloh. Wenn das Gesundheitsamt einen Betrieb schließt und dessen Mitarbeiter sich in Quarantäne begeben müssen, dann zahlt das Land die Löhne. Das sieht das deutsche Infektionsschutzgesetz so vor. Dieses findet auch nach dem massiven Corona-Ausbruch beim Schlachtkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück Anwendung. Tönnies sowie Subunternehmen des Konzerns können sich also Lohnzahlungen an ihre Mitarbeiter während der Quarantänezeit zum Teil vom jeweiligen Landschaftsverband zurückfordern. Für den Schlachtkonzern selbst sowie für im Kreis Gütersloh ansässige Subunternehmen ist beispielsweise der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zuständig. Erst kürzlich sind die Quarantänemaßnahmen für tausende Werkvertragsbeschäftigte und deren Angehörige bis zum 17. Juli verlängert worden. Die Firma Tönnies hat Anträge gestellt 67 Prozent des Lohnkostenausfalls in Quarantänezeiten können sich Arbeitgeber vom LWL wiederholen, bestätigt Pressesprecher Markus Fischer. Anträge der Firma Tönnies sowie von Subunternehmen liegen bereits vor, seien allerdings noch nicht bearbeitet geschweige denn genehmigt worden. "Wie viele Fälle das letztendlich sind und um wie viel Geld es sich in Summe handelt, ist schwer nachzuhalten", sagt Fischer und verweist auf zahlreiche Subunternehmen aus anderen Kreisgebieten, deren Anträge nicht beim LWL landen. Auch André Vielstädte, Tönnies-Pressesprecher, bestätigt nach wiederholter Nachfrage: "Wir befinden uns in Gesprächen mit dem Landschaftsverband. Genaue Zahlen der Mitarbeiter, für die Anträge gestellt wurden, kann ich dazu nicht mitteilen." Aktuell sind noch keine Landesmittel an Tönnies und seine Subunternehmen ausgezahlt worden, versichert Markus Fischer. "Das wird auch noch dauern", sagt der Pressesprecher des LWL. Schließlich lägen zahlreiche Anträge anderer Arbeitgeber vor - diese werden in chronologischer Reihenfolge abgearbeitet. Wann die Anträge der Firma Tönnies sowie die der Subunternehmen an der Reihe sind, konnte Fischer nicht sagen. Bis dahin müssen sie in Vorleistung gehen und die Gehälter an ihre Mitarbeiter auszahlen. Bis zu einem Jahr rückwirkend können Anträge an den LWL gestellt werden. Ob das Land NRW Mittel zurückfordern wird, ist unklar Die Bearbeitung eines Anliegens bedeutet nicht zwangsweise, dass dieses auch genehmigt wird. Dazu Miriam Skroblies von der Pressestelle des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW: "Ob und in welcher Höhe Entschädigungsleistungen zustehen, kann nur im Einzelfall geprüft und entschieden werden, wenn entsprechende Anträge der Arbeitgeber der unter Quarantäne gestellten Mitarbeiter vorliegen." So könne sie Einzelheiten zu den Tönnies-Anträgen nicht nennen, schon gar nicht, ob sie genehmigt werden. Inwieweit die möglicherweise eingesetzten Mittel zur Lohnfortzahlung der Mitarbeiter von der Firma Tönnies sowie der Mitarbeiter der Subunternehmen später vom Land NRW zurückgefordert werden, konnte sie ebenfalls nicht sagen. SPD-Kreistagsfraktion schickt Landrat einen Fragenkatalog In einer Sondersitzung des Kreisausschusses am Mittwoch, 15. Juli, um 15 Uhr soll es im Gütersloher Kreishaus um die finanziellen Sorgen und die zunehmende Isolation der Werkvertragsbeschäftigten in Quarantäne gehen. Die SPD-Kreistagsfraktion hat dazu Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) einen Fragenkatalog zukommen lassen, der auch der NW vorliegt. Die Fraktionsvorsitzende Liliane Fülling habe Sorge, dass nicht alle Betroffenen von ihren Subunternehmen mit Lebensmitteln versorgt werden und auch, dass der Lohn für den gelaufenen Monat ausbleibt. "Da die meisten Beschäftigten aufgrund des Niedriglohns auf keinerlei Rücklagen zurückgreifen können, bedeutet ein Lohnausfall direkt finanzielle Notlagen. Demnach ist zu erwarten, dass sich die meisten Betroffenen an das Jobcenter wenden müssen", formuliert sie in dem Schreiben. Unter anderem möchte Fülling vom Landrat wissen, wie sich das Jobcenter Gütersloh auf diese Situation einstellt und welche Subunternehmen bei der Firma Tönnies in Rheda tätig waren oder sogar noch sind. Kritik an den Anträgen kam auch aus der Landespolitik. &bdquo;Lohnkostenerstattung vom Land zu fordern ist ein Unding. Da reibt man sich die Augen, das versteht doch kein Mensch. Infektionsgeschehen und Geschäftsmodell hängen zusammen. Tönnies hat Gütersloh den Lockdown gebracht und jetzt soll die Allgemeinheit bezahlen?", sagte Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion am Freitag der dpa. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die das Geld damit verdient haben, jetzt andere dafür zahlen lassen wollten. &bdquo;So sieht es jetzt aber aus, wenn Lohnkosten erstattet werden sollen. Moralische und gesellschaftliche Verantwortung sieht anders aus", sagte Mast. SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty betonte: &bdquo;Die Antwort des Landes kann nur lauten: Nein. NRW muss eigene Impulse setzen, um jetzt dort zu investieren, wo unverschuldet der Betrieb zurückgefahren werden musste: in die Innenstädte, für die Gastronomie, für die Schaustellerinnen und Schausteller." Das Unternehmen Tönnies sichert derweil allen Mitarbeitern zu, im Fall von Kurzarbeit die Entlohnung auf 100 Prozent aufzustocken. Das Angebot gelte auch für Mitarbeiter von Subunternehmen. Während die Subunternehmer MGM und MTM mit Sitz in Schloß Holte-Stukenbrock bereits planen Kurzarbeit einzuführen, hat Tönnies selbst bislang keine Anträge auf Kurzarbeit gestellt. Das bestätigt Pressesprecher André Vielstädte auf Anfrage.

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