"Corona-König": Aktivisten kapern Werbe-Tafeln und prangern Tönnies an

Gütersloh. Irritation und Verwunderung in der Gütersloher Innenstadt: Echt anmutende Plakate in zahlreichen Werbe-Kästen haben am Freitag die Blicke auf sich gezogen. Auf den ersten Blick schienen sie vom Schlachtkonzerns Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück zu stammen - denn auf vielen prangte das Firmenlogo des Fleisch-Giganten. Doch auf den zweiten Blick wurde klar: Die Werbung stammt nicht von Tönnies. Im Gegenteil. Die mehr als zwei Dutzend Plakate lassen das Unternehmen alles andere als gut darstehen. Bei einem zum Beispiel sind unter dem Titel &bdquo;1,5 m Mindestabstand" sechs Fotos von verschmutzten und dicht an dicht eingepferchten Schweinen zu sehen, die sich kaum drehen und wenden können. Darunter steht: "Die profitgetriebene Massentierhaltung fördert die Entstehung und Verbreitung von Viren und Pandemien, da die Tiere unter brutalen und unhygienischen Bedingungen hochgezüchtet werden." "Wir bieten allen Kindern und Jugendlichen einen tollen Job in unserer Schlachtfabrik" Weitere Aushänge zeigen ein Porträt des Konzern-Chefs Clemens Tönnies mit dem markigen Zitat: &bdquo;Sie jammern über Schulschließungen, aber haben sie mal daran gedacht, wieviel Umsatz wir gerade täglich einbüßen?" Und: "Die Gesamtsituation tut mit persönlich sehr leid. Als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten der Schulschließungen bieten wir allen Kindern und Jugendlichen einen tollen Job in unserer Schlachtfabrik." Auf einem anderen Plakat prangt in großen Lettern &bdquo;Kotelett-Kaiser", wobei das Kotelett durchgestrichen und per Hand ein Corona darüber geschrieben wurde. Ein nächstes wirbt mit einer Stellenanzeige Teil des Teams Tönnies zu werden. Zu den Aufgaben zählten &bdquo;Ermordung unschuldiger Lebewesen", ebenso wie &bdquo;Zerstückelung toter Tiere und Sortierung von Leichenteilen". Wer steckt hinter der Aktion? Wer genau hinter der Protest-Reklame steckt, ist unklar. Das Bündnis &bdquo;Gemeinsam gegen die Tierindustrie" berichtet im Sozialen Netzwerk Facebook und auf seiner Homepage über die Aktion. Auf der Internetseite heißt es: &bdquo;In der Nacht zum Freitag haben Adbusting-Aktivist*innen (Gruppierungen, die Werbung im öffentlichen Raum umgestalten – Anm. d. Red.), die sich dem Bündnis 'Gemeinsam gegen die Tierindustrie' angeschlossen haben, 25 Leuchtreklamen in Gütersloh gekapert. Die Werbebotschaften wurden durch Botschaften gegen den Tönnies-Konzern und die Tierindustrie ausgetauscht." Auch findet sich auf der Homepage des Bündnisses eine Erklärung der Aktivisten zu ihrer Nacht- und Nebel-Aktion in der Dalkestadt. Darin prangern sie unter anderen am: &bdquo;Der Tönnies-Konzern lebt von Ausbeutung, Mord und Unterdrückung und zwar von Menschen und Tieren. Das war schon immer so, und wird auch immer so bleiben, wenn sich die Gesellschaft nicht bald dazu entschließt, solchen profitgetrieben Megakonzernen endgültig die Stirn zu bieten." Sie fordern deshalb: &bdquo; Shut Down Tierindustrie – für immer." Was sagt Tönnies dazu? Das Unternehmen Tönnies hat von der Aktion bereits erfahren. "Wir haben die Kampagne zur Kenntnis genommen", sagt Sprecher André Vielstädte. Details würden ihm allerdings nicht vorliegen und dementsprechend wolle man sich auch nicht näher äußern. Der Stadt Gütersloh ist der Vorfall ebenfalls bekannt, sie verweist aber auf die Polizei. Zuständig ist in diesem Fall die Polizei Bielefeld. Wie Sprecherin Sonja Rehmert auf Nachfrage erklärt, bearbeite die Bielefelder Polizei landesweit alle Fälle, die mit dem Schlachtkonzern zu tun haben. "Wir können die Aktion bestätigen. In zahlreichen Werbeaufstellern sind Plakate aufgetaucht, die da nicht hingehören. Wir haben sie bereits alle entfernt." Dabei seien die Beamten laut Rehmert besonders vorsichtig vorgegangen, um mögliche Spuren zu sichern. Den Initiatoren drohen jetzt Strafen. "Wir haben Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Kunsturheberrecht erstattet - erstmal gegen Unbekannt." Zustimmung von Gütersloher Aktivisten Oliver Groteheide, zweiter Vorsitzender des Vereins Fairleben Gütersloh, entdeckte die ungewöhnliche Werbung am Freitagmorgen. Er kämpft seit Jahren gegen die Massentierhaltung. &bdquo;Die ganz große Tragödie liegt in der Gleichgültigkeit der Gesellschaft." Die Leute seien zwar jetzt im Kreis Gütersloh wütend, doch ändern werde das nicht viel, ist er skeptisch. Wichtiger sei ihnen das billige Fleisch auf dem Teller. Weiter wachrütteln will er trotzdem und mit anderen Tierrechtsaktivisten am Samstag ab 10.30 Uhr unter dem Motto &bdquo;Das System Tönnies stoppen" in der Innenstadt in der Nähe des Berliner Platzes demonstrieren. "Gewaltfreie Aktionen begrüße ich immer" Umwelt-Aktivist Stefan Schneidt, sonst bei fast allen Protesten und Co. am Start, hat ebenfalls schon von der Aktion gehört, war dieses Mal allerdings selbst nicht dabei. Begeistert ist er trotzdem. "Gewaltfreie Aktionen, die zur Aufklärung der Bevölkerung dienen, begrüße ich immer. Der Konsum tierischer Produkte stellt eines der größten Probleme der Gegenwart dar." Die Nutztierhaltung sei verantwortlich für enorme Mengen an Emissionen, für die Abholzung des Regenwaldes, für Todeszonen in den Meeren, für die Verschmutzung des Trinkwassers und das Entstehen multiresistenter Keime. "Währenddessen lädt Frau Klöckner zum Fleischgipfel ein, obwohl ihr die Missstände seit Jahren bewusst sind. Sie ist dafür verantwortlich, dass sich etwas ändert."

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