Jetzt schlaf endlich! Wie dieser kleine Igel unsere Autorin auf Trab hält

Gütersloh. Nein, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Zwar habe ich bereitwillig das Gewächshaus zur Untermiete frei gegeben, aber der Plan war doch ein anderer: aufpäppeln, fett füttern, gute Nacht! Igel schlafen im Winter, das weiß jedes Kind, und im März oder April hätten wir gemeinsam den Frühling begrüßen können. Du darfst gerne im Garten bleiben. Herzlich willkommen! Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es so aus, dass unser Pflegekind mich schön beschäftigt hält. Eine Woche hat es geschlafen – nun ist es putzmunter. Bei Außentemperaturen von 12 Grad ist unser Igel ein Verlierer des Klimawandels. &bdquo;Im vergangenen Herbst haben wir fast 700 Igel in Gütersloh und Umgebung aufgegriffen", sagen die Tierschützer. Auch im vorvergangenen Jahr war die Zahl annähernd so hoch. Die Igelhilfe in Gütersloh ist gut vernetzt. Die Protagonisten möchten dennoch lieber ungenannt bleiben. &bdquo;Was soll der Quatsch, man muss doch nicht jeden Igel retten. Die Natur regelt das von alleine" – lautet der gängigste Vorwurf der Gegner. Dabei benötigt die Natur gerade selber Hilfe: &bdquo;Durch die vergangenen zwei heißen und sehr trockenen Sommer haben viele Igel sehr spät noch einen Wurf Junge bekommen." "Die Jungigel würden es allesamt nicht schaffen" Die Winzlinge sind dem Untergang geweiht, denn eh es offiziell Winter wird, bringen die Jungigel oft nur 300 oder 400 Gramm auf die Wage – zu wenig für einen langen Winterschlaf. 700 Gramm sollten es schon sein. Ein &bdquo;normaler" Igel bringt im Herbst gut 1.000 Gramm auf die Waage. &bdquo;Diese Jungigel würden es allesamt nicht schaffen", so die Igel-Experten. Dazu kommt die Beobachtung, dass die Tiere inzwischen allesamt voller Würmer und Parasiten steckten – in einem bislang ungeahnten Ausmaß. &bdquo;Unbehandelt würden sie daran sterben." Die Igel-Schützer stellen ihre Hilfe also nicht in Frage, sondern kontern: &bdquo;Ist unser Klima denn noch natürlich? Nein. Wir Menschen haben das Klima aus dem Gleichgewicht gebracht. Also müssen wir Menschen in der Folge auch den Tieren helfen." Leider war mir vorher nicht klar, dass Igel die besseren Maulwürfe sind Gesagt, getan. Leider war mir vorher nicht klar, dass Igel die besseren Maulwürfe sind. Ich habe inzwischen einen Löwenkäfig gebaut, um weitere Ausbrüche zu verhindern. &bdquo;Anni" heißt die junge Igel-Dame übrigens, und Anni pflügt mühelos durchs Gelände, buddelt sich durch oder klettert über 50 Zentimeter hohe Hindernisse. Richtig witzig, was diese possierlichen Tiere so alles können – wenn’s denn nicht so nervig wäre, schließlich müssen Fenster und Türen des Gewächshauses bei den gegenwärtigen Temperaturen offen stehen und ob Anni ohne Futter aus Menschenhand klar kommt, weiß ich halt nicht. Ausprobieren mag ich es zum jetzigen Zeitpunkt aber auch nicht. Anni ist nicht allein. Die sozialen Medien sind voll mit Bildern hilfesuchender Menschen, die in diesen Tagen einen scheinbar umherirrenden Igel im Garten gesichtet haben. &bdquo;Darf der alleine draußen bleiben?", &bdquo;Muss ich den reinholen?" &bdquo;Soll ich Futter hin stellen? Und was frisst er denn?" Die Igelhilfe Münsterland hat einen Erste-Hilfe-Flyer dazu veröffentlicht: 1. Den Igel auf Verletzungen, Zecken und Flöhe untersuchen. 2. Den Igel wiegen und am Bauch die Körpertemperatur fühlen. Ein unterkühlter Igel kann und darf nicht fressen oder trinken – Kollapsgefahr! 3. Den Igel in einem hohen Karton in einem ruhigen Raum unterbringen. Ein Handtuch oder etwas Heu oder Papierstreifen hinein geben, damit er sich verkriechen kann. 4. Bitte keine Milch, kein Obst und kein Gemüse anbieten! Igel sind Insektenfresser. Stattdessen sollte Nassfutter angeboten werden – handelsübliches Katzenfutter (möglichst Paté ohne Sauce und Gelee oder ungewürztes Rührei. 5. Ein igelkundiger Tierarzt hilft bei Verletzungen. Grundsätzlich gilt: Ein Igel ist dort am besten aufgehoben, wo er hingehört: Draußen in der Natur. Die Facebook-Gruppe &bdquo;Igelfreunde und solche die es werden wollen" vermittelt aber bei Hilferufen jeder Art im Handumdrehen Ansprechpartner vor Ort. Auch die Gütersloher tummeln sich in den Netzwerken. Noch eins muss gesagt werden: Igel stinken! Auf Igel-Fertigfutter etwa aus dem Landhandel sollte man verzichten. &bdquo;Viel zu viele Kohlenhydrate", stattdessen empfehlen die Igel-Kenner Katzenfutter aus dem Discounter. Es sollte aber nur das eine mit der roten oder grünen Banderole sein – es ist ständig ausverkauft. Das kann kein Zufall sein. In Wahrheit glaube ich, dass ich nicht die einzige bin, die die Paletten nach der richtigen Farbe durchwühlt und abends Rührei für einen Igel zubereitet. Noch eins muss gesagt werden: Igel stinken! Wie ich jemals den Geruch aus dem Gewächshaus bekommen soll, ist mir ein Rätsel – aber den Tomaten und Gurken wird’s wohl nicht schaden. Was passiert eigentlich, wenn Anni nun gar nicht mehr schläft? &bdquo;Man kennt die genauen Auswirkungen nicht", sagen die Gütersloher Igel-Profis. Theorien gibt es reichlich. Das Phänomen aber ist neu. Nun, der Winter ist ja noch nicht vorbei. Vielleicht schläft Anni ja noch eine Runde. Lalelu – hoffentlich!

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