Erste Mixed Fight Night im Kreis Gütersloh: Wie brutal ist Kampfsport wirklich?

Kreis Gütersloh. Bei Kampfsport scheiden sich die Geister. Kampfkunst ist für einige noch etwas ganz Tolles. Wenn vergeistigte Mönche mit Blechschwertern durch die Gegend hüpfen und imaginäre Gegner bekämpfen. Oder wenn Kinder in weißen Anzügen Respekt und Bewegung lernen. Kampfsport hingegen kommt häufig schon nicht mehr so gut weg. Olympisches Boxen klingt dabei für viele zwar noch akzeptabel, Kickboxen wird meistens aber als etwas für Straßenschläger abgestempelt. Und wenn es dann um MMA, den Mixed Martial Arts (eine Vollkontakt-Kampfsportart), geht, steigen viele Menschen sofort aus. Denn dort gibt es angeblich keine Regeln, es fließt viel Blut und es treffen sich &bdquo;doch nur Menschen, die Gewalt verherrlichen, sich ihren Exzessen hingeben und sich gegenseitig vorsätzlich verletzen". Die Liste der Vorurteile ist lang. Aber stimmen sie auch? In Rietberg findet am 1. Februar der erste Cultura Clash in Rietberg statt. &bdquo;Die Mixed Fight Night in OWL", steht auf den Eintrittskarten. Wir haben den Gütersloher Hauptorganisator Kai Pieper (Geoinformatiker, 47) und den MMA-Kämpfer Joschka Bambor (Sozialarbeiter im ambulanten Bereich, 34) mit den gängigen Vorurteilen konfrontiert. Herr Bambor, sie geben auf dieser Veranstaltung Ihr MMA-Debüt. Ist das eine weitere legale Möglichkeit, Ihren Gewalttrieb auszuleben? JOSCHKA BAMBOR: Naja, seinen Gewalttrieb im sportlichen Kontext auszuleben, ist ja zunächst nichts Verwerfliches. Jeder Mensch hat doch Gewaltfantasien, wenn er sich ärgert und am liebsten mal ausflippen würde. Von daher sollten die Kritiker mal nicht so pikiert tun. Und ja, natürlich ist MMA die Möglichkeit, Gewalt zu kanalisieren. Dafür gibt es ein komplexes Regelwerk. Und für 90 Prozent der Menschen, mit denen ich zu tun habe, steht Fair Play ganz oben auf der Liste. Letztlich ist MMA ein Sport – und alles geschieht einvernehmlich. Es ist doch heuchlerisch zu unterstellen, in diesem Sport seien nur Gewaltfanatiker unterwegs. Ich kenne zum Beispiel keine wiederkehrende MMA-Veranstaltung, bei der die Zuschauer sich gegenseitig oder die Sportler beleidigen, aufeinander losgehen und sich untereinander oder mit der Polizei körperlich auseinandersetzen. Also Vorgänge, die in der Fußball-Bundesliga und in den unteren Ligen jedes Wochenende gang und gäbe sind - und zudem im öffentlichen Raum und häufig auf Kosten von unbeteiligten Personen stattfinden. KAI PIEPER: Zunächst steht für viele der Fitness-Aspekt im Vordergrund. Es gibt kaum eine Sportart für junge und ältere Menschen, die ein so umfassendes Ganzkörpertraining anbietet wie MMA – das wird wohl jeder Sportphysiologe unterschreiben. Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit werden intensiv trainiert, dazu kommen hohe koordinative und kognitive Anforderungen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für viele Menschen die Selbstverteidigung. MMA gilt als die effektivste Kampfsportart der Welt, denn MMA ist ein Kondensat aus den sinnvollsten Techniken der effektivsten Kampfsportarten wie Boxen, Muay Thai, Ringen und dem Brasilianischen Jiu-Jitsu (BJJ). Kämpfen steckt auch in unseren Genen. Letztendlich sind die meisten Sportarten, egal ob Fußball, Tischtennis oder auch Schach, symbolisierte Kämpfe, bei denen ähnliche Triebe und Instinkte wirken. Beim MMA ist man halt noch eine Stufe näher dran an diesen urmenschlichen Anlagen. Das hat allerdings nichts mit Sadismus oder Masochismus zu tun. Ähnlich wie bei der Jagd die Motivation nicht das Töten ist, geht es beim Kampfsport auch nicht darum, dem anderen weh zu tun oder ihn gar zu verletzen. Natürlich freut man sich, wenn man einen guten Treffer landet – aber nicht aus Schadenfreude. Sondern aus dem gleichen Grund, warum sich ein Tennisspieler über einen gelungenen Return freut. Respekt und Kameradschaft spielen grundsätzlich eine sehr große Rolle beim Kampfsport. Dass sich zwei Kämpfer nach einem Kampf, egal wie hart der verlaufen ist, in den Armen liegen, ist nicht die Ausnahme – sondern die Regel. Aber in den Medien sieht man ständig, dass Menschen ausgeknockt werden, massiv bluten und an schweren Gehirnschäden erkranken. Das ist doch dann kein Sport mehr. Das ist doch viel zu gefährlich und zu brutal ... PIEPER: Man muss da klar unterscheiden. MMA ist nicht gefährlicher als andere Kampfsportarten. Es gibt eine große Studie der University of Albertas Sather Sports Medicine Clinic, in der über einen Zeitraum von zehn Jahren 1.181 MMA-Sportler und 550 Boxer untersucht wurden. Tatsächlich zeigte sich, dass es bei MMA etwas häufiger zu leichten Verletzungen, wie zum Beispiel Cuts oder Nasenbluten kommt. Es zeigte sich aber auch, dass es beim Boxen deutlich häufiger zu schwereren Verletzungen kommt, wie beispielsweise Hirntraumata, die im Verdacht stehen, zu Langzeitfolgen zu führen. Es kommt zu deutlich mehr Kopftreffern als beim MMA. Bezüglich Gefährlichkeit liegen Boxen und MMA in den Statistiken übrigens weit hinter vielen anderen Sportarten wie Reiten, Motorsport, Ski- und Snowboardfahren, Gymnastik, Turnen oder Segeln. Noch gefährlicher ist es übrigens, untätig auf der Couch zu liegen und sich mit Chips und Bier einen Bauch anzufuttern, und dabei noch zu rauchen. Denn Todesursache Nummer Eins weltweit sind ganz klar Herz-Kreislaufkrankheiten, zum großen Teil durch Übergewicht hervorgerufen. Eine weitere Ursache für schwere Verletzungen beim Kampfsport sind ungleiche Matches zwischen unterschiedlich qualifizierten Sportlern. Das lassen wir zum Beispiel beim Cultura Clash nicht zu. Als erfahrener Kampfsportler treffe ich die Entscheidung, wer gegen wen antritt. Und das Schiedsgericht ist angewiesen, sehr früh Kämpfe abzubrechen, in denen es zu Verletzungen kommen könnte. BAMBOR: Brutal? Also wenn man sich mal ansieht, welche schlimmen Verletzungen sich Menschen zuziehen, die von einem Pferd fallen oder getreten werden, oder sich jedes Wochenende im Hobby-Handball und Fußballsport zuziehen, dann relativiert sich das mit der Brutalität recht schnell. Ziehen diese Sportarten nicht halbseidene Gestalten, Straßenschläger und Türsteher an? BAMBOR: Also in den Sportschulen wie der Kampfarena wird ja überwiegend Breitensport betrieben. Und neue Sportler oder Interessenten mit hoch aggressivem Auftreten und großer Klappe werden bei uns ziemlich schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. Denn dieser Sport lebt von einer hohen Disziplin und dem entsprechenden Respekt vor den Sportfreunden und dem Trainer. Diese Leute, ebenso wie kriminelle Leute, wollen wir da nicht haben. PIEPER: Na gut, Ausfälle gibt es immer. In jedem Sport. Aber den Leuten wird nahegelegt, sich eine andere Sportschule oder einen anderen Sport zu suchen. Das klingt ja alles fast zu gut. Also sitzt in der Cultura kein Rotlichtmilieu herum und ergötzt sich? PIEPER: Die befreundeten Sportschulen, die uns ihre Kämpfer schicken, haben keinen Kontakt zum Rotlichtmilieu. Wir wollen faire Kämpfe in ausgeglichenen Paarungen sehen. Wer also Interesse an diesem Sport hat und sich bisher nie so richtig getraut hat, eine Sportschule oder eine Veranstaltung zu besuchen, der ist bei uns sicherlich gut aufgehoben.

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