Viele Wahlbezirke im Kreis Gütersloh müssen neu zugeschnitten werden

Kreis Gütersloh. Sämtliche Beschlüsse der Wahlausschüsse in den Kommunen des Kreises sind vermutlich Makulatur. Grund ist das Urteil des Verfassungsgerichtshofs NRW vom 20. Dezember. Darin wird nicht nur die von der schwarz-gelben Landesregierung beschlossene Abschaffung der Stichwahl bei der Wahl des Bürgermeisters kassiert. Die Entscheidung umfasst auch gravierende Änderungen bei der Einteilung der Wahlbezirke sowohl auf Gemeinde- als auch auf Kreisebene bei der Kommunalwahl am 13. September. Jetzt muss allerorten in den Wahlämtern neu gerechnet und zugeschnitten werden. Die Zeit drängt. Er sei halb in Ohnmacht gefallen, als er an jenem 20. Dezember vorigen Jahres die Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs las, erinnert sich Michael Hellweg, bei dem seit vielen Jahren in Sachen Wahlen im Kreishaus die Fäden zusammenlaufen. Ihm sei gleich klar gewesen, welch immenser Aufwand mit dem Urteil verbunden ist. Zwar könne er sich noch nicht ganz konkret äußern, doch inzwischen sei klar: &bdquo;Eine relativ große Anzahl" der insgesamt 222 Ratswahlbezirke und der 60 Kreiswahlbezirke muss neu eingeteilt werden. Abweichung von 25 Prozent nicht mehr zulässig Hintergrund: Laut Urteil darf die Größe einzelner Wahlbezirke künftig nicht mehr pauschal um 25 Prozent nach oben oder unten, bezogen auf durchschnittliche Einwohnerzahl der Wahlbezirke, abweichen. Die Richter halten stattdessen nur eine Abweichung von bis zu 15 Prozent für &bdquo;in der Regel unproblematisch" - und zwar nicht mehr wie bisher bezogen auf sämtliche Einwohner, sondern nur auf die mit deutscher Staatsangehörigkeit oder mit dem Pass eines EU-Mitgliedsstaats. Zur Begründung heißt es: &bdquo;Jede Stimme im Gemeindegebiet muss annähernd gleich viel Gewicht haben (sogenannte Wahlrechtsgleichheit). Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Kandidatinnen und Kandidaten." Wenn es große Unterschiede bei den Wahlbezirksgrößen innerhalb einer Kommune gebe, seien in einem Wahlbezirk deutlich weniger Stimmen erforderlich, um ein Mandat zu erringen, als in einem anderen. Dementsprechend hätten die Wahlberechtigten der jeweiligen Wahlbezirke unterschiedlich großen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Rates bzw. des Kreistags." Das soll nun unterbunden werden. Allein Gütersloh sind fünf Wahlbezirke betroffen Ein Blick auf die Liste der Ratswahlkreise in der Stadt Gütersloh zeigt: Allein hier wird die Grenze von 15 Prozent fünf Mal überschritten. Das betrifft die Wahlbezirke 10 (Grundschule Kattenstroth, - 15,89 Prozent), 20 (Reinhard-Mohn-Berufskolleg, -18,04), 30 (Anne-Frank-Schule, -17,97), 40 Pavenstädt (-17,16) sowie 200 (Grundschule Avenwedde-Bahnhof, +15,43). Zwar sind Abweichungen von mehr als 15 Prozent nicht automatisch problematisch. Aber laut Hellweg gelten dafür Ausnahmebedingungen, die in der Praxis nur schwer erfüllbar und zu begründen seien. Aufgrund des Interpretationsspielraums bewege man sich schnell auf dünnem Eis. &bdquo;Wir wollen unbedingt auf Nummer sicher gehen und damit drohende Einsprüche nach der Wahl vermeiden." Vergleichbarkeit geht verloren Die Folgen des Urteils beschränken sich nicht allein auf &bdquo;einen Riesenaufwand" in den Rathäusern. So geht aufgrund der zahlreichen Neuzuschnitte die Vergleichbarkeit der Wahlergebnisse verloren. Außerdem ist es laut Hellweg unvermeidbar, dass künftig vermehrt grenzübergreifende gewählt werden muss. Bisher ist das nur in drei Ausnahmen auf Kreisebene der Fall. Zum einen im Gütersloher Wahlbezirk Pavenstädt, der zum Wahlbezirk 127 der Gemeinde Herzebrock-Clarholz zugeordnet worden. Dort kreuzen die Gütersloher Wähler Kandidatennamen der Nachbarkommune an. Ähnlich die Situation in Rietberg-Mastholte, wo Langenberger Kandidaten auf dem Wahlzettel stehen, sowie in Werther-Theenhausen, das den Borgholzhausener Bezirk komplettiert. Plötzlich könnte der Wahlbezirk wackeln Aber auch auch bei der Ratswahl wird sich nicht vermeiden lassen, dass der eine oder andere Wahlbezirk von nebenan aufgefüllt oder Straßenzüge einem anderen Ortsteil zugeordnet werden. Ob solche Fälle immer im Einklang mit der Interessen der Kandidaten stehen, wird bald sich zeigen. Es könnte ja sein, dass der sicher geglaubte Wahlbezirk nach dem Neuzuschnitt für einen Bewerber plötzlich wackelt. Beobachter sehen jedenfalls durchaus eine konfliktträchtige Situation. Grundsätzlich machen die Wahlleitungen in den Verwaltungen in den kommenden Wochen Vorschläge zu den neuen Zuschnitten. Die Entscheidung liegt jedoch beim jeweiligen Wahlausschuss. Die Fristen sind knapp bemessen Allzu viel Zeit steht für das Procedere nicht zur Verfügung. Die Wahlbezirke auf Ortsebene sind bis Ende Februar neu zu beschließen. Sie bilden die Puzzleteile für die zusammengefassten Kreiswahlbezirke. Die wiederum müssen bis Ende März beschlossen sein. Für die Wahlvorschläge der Kandidaten gilt eine längere Frist, und zwar bis zum 15. Juli. Mit der nun entstandenen Situation hatte selbst Wahlexperte Michael Hellweg nicht gerechnet: &bdquo;Mit dem Münsteraner Urteil wurde nicht Recht gesprochen. Es hat Recht gesetzt." Aber, so sagt er, &bdquo;ein Verfassungsgericht darf das ja".

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