Baustelle an der Verler Straße ruht: Geschäftsleute klagen über hohe Verluste

Gütersloh. Jedes Fahrzeug muss irgendwann einmal zum TÜV. So auch der ausgezogene Tieflader eines Gütersloher Abrissunternehmens. Das Problem dabei: Um das etwa 27 Meter lange Gefährt zur Dekra Automobil GmbH an der Verler Straße zu bekommen, müssen der Fahrer und sein Begleiter den Tieflader durch die dort seit August bestehende Baustelle manövrieren. "Das ist jedes Mal eine Katastrophe", sagt die Fahrzeugbegleitung, die anonym bleiben möchte. "Der Tieflader ist noch nicht einmal ganz ausgefahren, trotzdem ist es Millimeterarbeit ihn ohne Schaden an der Baustellenabsperrung sowie an Bordsteinen, Mauern und Wänden vorbei zu bekommen." Die Manövrierarbeiten benötigen Zeit. So kommt der Verkehr am Donnerstagmittag innerhalb der Baustelle an der Verler Straße für einige Minuten komplett zum erliegen. Keine Seltenheit, wie beobachtende Anwohner im Gespräch erklären. Die Folge sind hupende Wagen und fluchende Autofahrer. Fußgänger stehen mitten auf der Straße Es sind Szenen wie die beschriebene, die sowohl die Anwohner der Verler Straße als auch die ansässigen Geschäftsleute verärgern. "Aktuell ist es hier ein regelrechtes Durcheinander", erzählt Anwohnerin Evelyn Blomberg. Fußgänger würden manchmal mitten auf der Straße stehen, allein bei der Müllentsorgung durch entsprechende Fahrzeuge komme es stets zu Rückstaus. Sie selbst verzichte zunehmend auf das Auto und lege immer wieder Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Das sei aktuell weniger kompliziert und auch schneller. Blomberg resümiert: "Im Moment sind wir hier in Spexard ein wenig von Gütersloh abgeschnitten." Abgeschnitten von der Autobahnauffahrt ist die Esso-Tankstelle an der Verler Straße, berichtet Inhaber Esmin Gruda. "Wir haben Umsatzeinbußen von etwa 50 Prozent. Gütersloher, die sonst auf dem Weg zur Autobahn noch bei uns getankt und einen Snack mitgenommen haben, kommen aktuell nicht mehr." Das hat Folgen: Die vorher durchgängigen Geschäftszeiten der Tankstelle hat Gruda von 5.30 bis 23.30 Uhr auf 18 Stunden reduziert. Im Weiteren müsse er jetzt auf einen Mitarbeiter verzichten. "Die Nachtschicht fällt weg." Mitarbeiter von Geschäften werden versetzt Von ähnlichen Entwicklungen spricht auch Sabine Theeke, die die Bäckerei Gerd an der Verler Straße gemeinsam mit ihrem Ehemann Gerhard betreibt. "Wir mussten Personal in andere Filialen versetzen", sagt sie. Die übrigen Filialen der Bäckerei würden den Standort an der Verler Straße aktuell mitfinanzieren. "Das ist aber eine lange Durststrecke, die wir überstehen müssen. Wir sind froh, wenn die Baustelle weg ist." Auch Martin Thiesbrummel, Inhaber des nah&frisch Markts Thiesbrummel und der gleichnamigen Bäckerei, sowie Dirk Plaßmann, Inhaber von Schreibwaren Plaßmann, sehnen das Ende der Bauarbeiten herbei. Während Plaßmann von einem Kundenrückgang von etwa 30 Prozent berichtet ("Wenn ich das Geschäft in Halle nicht hätte, sehe es ganz düster aus"), möchte Thiesbrummel "nicht über Zahlen sprechen". Er erklärt, dass er froh wäre, wenn die Baustelle bald auf die andere Straßenseite der Verler Straße wechseln würde, sodass zumindest die Fahrspur unmittelbar vor seinem Geschäft wieder befahren werden kann. Davon erhofft er sich wieder einen leichten Anstieg an Kunden. Geschäftsleute kritisieren vorübergehenden Baustellenstopp Bis es soweit ist, muss er sich aber noch gedulden. Aktuell legen die zuständigen Baufirmen über Weihnachten und Neujahr nämlich eine Winterpause ein - erst am Montag, 13. Januar, gehen die Arbeiten weiter, sagt Susanne Zimmermann, Pressesprecherin der Stadt Gütersloh. "Eine solche Pause ist in der Branche üblich und im Bauzeitenplan einkalkuliert", sagt sie. Die Unterbrechung der Bauarbeiten stößt bei einer Vielzahl der Geschäftsleute auf Unverständnis. "Ich frage mich, wieso eine Baustelle aussetzt, wenn das Wetter doch halbwegs schön ist und es keinen Frost gibt. Das verstehen die Bürger nicht", kritisiert Plaßmann. Und auch Thiesbrummel befürchtet: "Jetzt kommen demnächst noch einmal Tage, an denen die Temperatur bei minus fünf Grad liegt und dann ruht die Baustelle wieder." Gleichzeitig haben beide Geschäftsmänner Verständnis für freie Tage der Bauarbeiter über die Feiertage. Etwas anders ist die Meinung eines ansässigen Händlers, der gerade wegen seiner unterschiedlichen Ansicht über den Sinn der Baustelle an der Verler Straße anonym zitiert werden möchte. "Dadurch bedingt, dass wir nicht auf Laufkundschaft angewiesen sind, sind die Folgen der Baustelle für uns überschaubar", sagt er. Er freue sich sogar über eine neue Straße, über moderne Fahrradwege und vor allem heile Fahrspuren. "Natürlich sind die Geschäfte aktuell unbequem zu erreichen, keine Frage. Dafür haben wir in Zukunft aber eine zeitgemäße Erschließung."

Meistgelesen