Buchhandlung Markus in Gütersloh behauptet sich seit 25 Jahren am Markt

Gütersloh. Es knarrt die Diele und es quietscht die Treppe. Kein Schritt, nahezu keine Bewegung bleibt ungehört in diesem alten Fachwerkhaus an der Münsterstraße 9. Das gemütliche Ächzen des Gefaches bildet die stete Begleitmusik im historischen &bdquo;Weberhaus", wenn man sich hier auf literarische Entdeckungsreise begibt. Das Haus mit seinen leicht unebenen Böden, schiefen Stufen und niedrigen Decken gebietet Entschleunigung, es gibt auf angenehme Weise das Tempo vor, mit dem man sich durch die verwinkelten Gänge und Räume bewegt. Kann man sich einen romantischeren Hort für Bücher, für eine Buchhandlung vorstellen als dieses 1649 erbaute Haus? Seit zehn Jahren betreibt Elke Corsmeyer an diesem Standort die Buchhandlung Markus. Bereits 15 Jahre zuvor hatte die studierte Juristin den großen Schritt in das Abenteuer des Buchhandels gewagt, als sie an der Kökerstraße ihr erstes Geschäft eröffnete. Seit nunmehr 25 Jahren widerlegt sie mit ihrem über die Jahre gewachsenen Team, das mittlerweile auch ihre Tochter Vera einschließt, die Niedergangsgesänge von Experten und der eigenen Branche und behauptet sich mit Erfolg am Markt. Und das hat weniger mit Glück und Zufall zu tun, als mit literarischem Spürsinn, ihre Liebe zum Metier – und auch kaufmännischem Geschick. Elke Corsmeyer ist Überzeugungstäterin. &bdquo;Ich bin in einem kulturaffinen Haushalt aufgewachsen", erinnert sie sich. Vor allem der Vater Walter Corsmeyer hat sie nach eigener Aussage geprägt. &bdquo;Er hat als Schüler am Evangelisch Stiftischen Gymnasium Theater gespielt und wollte sogar Schauspieler werden", erzählt die Tochter nicht ohne Stolz. "Mein Vater hat mich sehr unterstützt" &bdquo;Er hat sich zwar entschieden, Jura zu studieren und Anwalt zu werden, was sicherlich auch vernünftig war, er hat aber in den Nachkriegsjahren die Literatur geradezu gefressen. Und diese Liebe zu deutschen, aber auch amerikanischen Autoren, hat er an uns Kinder weitergegeben." Auch die Tatsache, dass der Vater in jungen Jahren auch mit einer Buchhändlerin liiert gewesen war, könnte ebenfalls unterschwelligen Einfluss auf die Entwicklung Elke Corsmeyers zur Buchhändlerin gehabt haben. Denn die Entscheidung, die Juristerei an den Nagel zu hängen (&bdquo;Ich bin mehr aus Liebe zu meinem Vater denn aus Überzeugung Juristin geworden") und Buchhändlerin zu werden, &bdquo;diese Idee haben wir beide gehabt", so Corsmeyer. &bdquo;Mein Vater hat mich da sehr unterstützt." Die Eröffnung 1994 hat er noch erlebt, 1995 starb er. &bdquo;Das war ein schwerer Schlag für mich." Ihren Schritt in die kaufmännische Selbstständigkeit hat sie nicht bereut. &bdquo;Das war natürlich ein mutiger Schritt und in vielfacher Hinsicht learning by doing." Denn es habe trotz der kurz zuvor erfolgten Schließungen der Traditions-Buchhandlungen Jacke und Tigges eine große Buchhandlungsdichte in Gütersloh gegeben. &bdquo;Aber ich glaube, ich habe ein gewisses Gespür für dieses Metier, das ich ja nicht gelernt habe, und so konnte ich mich auf dem Markt langsam bewähren." Zudem war sie mit ihrem Vater der Auffassung, &bdquo;dass es noch Platz für eine literarisch aufgestellte Buchhandlung in Gütersloh gibt, die bietet, was ich so schätze, nämlich Beratungskompetenz und eine intime Atmosphäre." Unternehmen und Krankenhäuser werden beliefert Beides ließ sich schon am ersten Standort in der Kökerstraße realisieren. &bdquo;Ich hatte schon von Beginn an versierte Buchhändlerinnen, und durch qualifizierte Beratung erreicht man eine gute Kundenbindung. Zudem sollte man vernünftige Literatur jenseits des Mainstreams im Angebot haben, dadurch erhält eine Buchhandlung ihr individuelles Gesicht." Und was viele nicht wissen: &bdquo;Wir sind auch eine Fachbuchhandlung, die große Krankenhäuser, Kanzleien und Unternehmen mit Fachliteratur beliefert. Das ist unser zweites Standbein, dass haben wir sukzessive ausgebaut." Im Laufe der Zeit kamen Eigenveranstaltungen hinzu: In &bdquo;Verfilmt", einer mit dem Bambikino organisierten Reihe, stellt Elke Corsmeyer regelmäßig Literaturverfilmungen vor, begleitet von einem Glas Wein. Vor allem aber sind es die eigenen Lesungen, die zur Profilbildung der Buchhandlung beitrugen. Elke Corsmeyer setzte auch hier von Anfang nicht auf den Mainstream, sondern hatte ein besonderes Gespür für junge literarische Begabungen. Benedict Wells gehört zu diesen Entdeckungen ebenso wie Martin Walker, der hier schon las, bevor er zum Star wurde. Zu manchen etnwickelte sich geradezueine freundschaftliche Beziehung. Heinrich Steinfest gehört zu den Autoren, die ihre wenige Lesetermine auf ausgesuchte Orte beschränken. Die Dachkammer des Weberhauses gehört ausdrücklich dazu. Einmal wurde Elke Corsmeyer selbst eher zufällig zum Literaturscout. Als Michel Bergmann, Autor der &bdquo;Teilacher"-Trilogie, ihr nach einer Lesung davon berichtete, dass sein in Los Angeles lebender und unter anderem in der Filmbranche und als Publizist arbeitender Sohn Emanuel ein Manuskript in der Schublade liegen habe, ließ sie es sich aus Neugier zuschicken – und war bezaubert von der Geschichte. Sie empfahl den Stoff dem Diogenes-Verlag. Buchhandlung gewinnt den NW-Kulturstern Und die Schweizer waren so begeistert, dass Emanuel Bergmanns &bdquo;Der Trick" zum Hauptbuch der Frühjahrssaison avancierte – und sogar in die Niederlande und nach Frankreich verkauft wurde. Dafür erhielt Elke Corsmeyer 2016 den &bdquo;Kulturstern der Woche" der Neuen Westfälischen. Gewürdigt wurde damit die Bedeutung der Buchhandlung und ihrer Chefin als bedeutender und vielfältiger Player in der Kulturszene Güterslohs. Andere Engagements von Elke Corsmeyer, etwa für den Literaturverein Förderer und Freunde der Stadtbibliothek oder des Fördervereins Theater für Gütersloh, seien hier nur am Rande erwähnt. Mit Oliver Rachner, Deutsch- und Englischlehrer am Evangelisch Stiftischen Gymnasium, hat Elke Corsmeyer bei der Lesung fremdsprachiger Autoren – darunter Anthony McCarten und Assaf Gavron – zudem einen kundigen Übersetzer zur Seite, dem es seit ebenfalls zehn Jahren regelmäßig gelingt, als Moderator die sprachbedingten Barrieren zum Publikum charmant abzubauen. Es war wohl nicht selten auch sein Verdienst, wenn Autoren ihren Gütersloh-Aufenthalt in den höchsten Tönen lobten. Schwedens Krimi-Superstar Arne Dahl lobte 2017 im Gästebuch: &bdquo;Die Buchhandlung Markus gehört wirklich zu den schönsten der Welt." Was der Kunde nicht sieht: Trotz Fachwerk und Sprossenfenster war und ist die Buchhandlung Markus immer technisch auf dem Stand der Dinge. Erst kürzlich wurde ein neues Warenwirtschaftssystem angeschafft, unter anderem auch finanziert aus den 15.000 Euro Preisgeld, die mit dem Deutschen Buchhandlungspreis verbunden waren, vergeben in der Kategorie &bdquo;Besonders herausragende Buchhandlung". Auch beim Bespielen der sozialen Medien ist die Buchhandlung vorne dabei, ob bei Facebook oder bei Instagram. Tochter Vera Corsmeyer, die quasi in der Buchhandlung aufgewachsen ist, ist auf diesen Feldern besonders aktiv. Tochter hat das "Buchhandlungs-Gen" So hat sie kurz vor Heiligabend noch auf Facebook zehn Literaturtipps für Kurzentschlossene gepostet. &bdquo;Ich war selbst ganz erstaunt, wie gut die angenommen wurden", sagt die 23-Jährige. Überhaupt macht ihr die Digitalisierung keine Sorge. Angst, dass es irgendwann das gedruckte Buch nicht mehr geben könnte, hat sie nicht. Ein eBook-Reader wird prominent an der Kasse präsentiert. &bdquo;Zehn Prozent unserer Kunden kaufen eBooks, lassen sich aber gerne und intensiv von uns beraten", sagt Vera Corsmeyer, die 2017 als beste Buchhändlerin ihres Jahrgangs in Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde. Neben ihrer Buchhandels-Ausbildung hat sie den für sie idealen Studiengang &bdquo;Buchhandel und Medienmanagement" in Frankfurt und Berlin absolviert. &bdquo;Das hat sich für mich richtig angefühlt." Ihre Mutter bestätigt: &bdquo;Du hast das Buchhandlungs-Gen." Sie habe ihre Tochter, auch aufgrund eigener Erfahrung, nie zu diesem Beruf gedrängt. Sind bei so enger Zusammenarbeit nicht Reibereien vorprogrammiert? Vera Corsmeyer verneint. &bdquo;Das läuft eigentlich ganz gut. Es ist nicht so, dass sich einer von uns dominant durchsetzt, sondern es kann jeder von uns seine Vorschläge machen, meistens finden wir dann einen guten Konsens." Elke Corsmeyer ergänzt: &bdquo;Es gibt Familienbetriebe, in denen es wesentlich unentspannter läuft. Unentspannt wird es bei uns nur, wenn man dem anderen sagt, dass er sich doch endlich Zeit zum Entspannen nehmen soll. Denn als Selbstständiger ist man in Gedanken immer im Betrieb." Was Elke Corsmeyer besonders freut, ist, dass ihre Tochter auch von den Kunden sofort in ihrer Kompetenz akzeptiert worden sei. Generationenkämpfe gibt es im Haus Corsmeyer nicht: &bdquo;Ich bin noch lernfähig und Vera ist auch bereit, sich etwas von mir anzuhören." Eine Sorge treibt beide gleichermaßen um: die Ausbildung des Nachwuchses. Der sei von der Branche schwer vernachlässigt worden. &bdquo;Man hat es unterlassen, den Jugendlichen zu erzählen, wie modern und vielfältig und so gar nicht verstaubt dieser Beruf tatsächlich ist", meint Vera Corsmeyer. Und doch ist sie überzeugt, dass sie ihre Aufgabe mit ihrer Mutter gemeinsam auch in den nächsten Jahren mit gleicher Freude und Erfolg ausüben wird. Das Ächzen ihrer Branche überlassen die Corsmeyers dem alten Weberhaus.

Meistgelesen