Jupiter Jones

„Das Gefühl zu sterben“: Ex-Musikstar spricht in Gütersloh über Angststörungen

Nicholas Müller wurde als Sänger der Band Jupiter Jones berühmt. Doch Angststörungen und Panikattacken rissen ihn aus dem Leben. Heute ist er gesund. In Gütersloh erzählt er seine Geschichte.

Der Ex-Sänger von Jupiter Jones, Nicholas Müller, spricht in Gütersloh über Angststörungen und wie er sie therapierte. | © Philipp Haas

Alexander Lange
25.09.2019 | 25.09.2019, 14:39

Herr Müller, die erste Frage stelle ich ihnen ganz direkt: Wie geht es ihnen momentan?

Nicholas Müller: Soweit so gut. Meine fünfjährige Tochter hat die gefühlt 800. Erkältung aus der Kita mitgebracht, aber ansonsten geht es mir sehr gut. Vielen Dank!

Mit Jupiter Jones und „Still" feierten sie 2011 einen Riesen-Hit, ihre Erkrankung riss Sie aus diesem Höhenflug. Wie haben Sie gemerkt, dass Sie unter Angststörung leiden, dass mit Ihnen irgendetwas nicht stimmt?

Müller: Dass ich krank bin, habe ich auf die ekeligste Art und Weise erlebt, nämlich durch die Panikattacken selber. Das fing 2006 an. Die erste Attacke hatte ich während der Trauerfeier meiner verstorbenen Mutter. Schweiß, Schwindel, Herzrasen. Da habe ich gemerkt, dass irgendetwas nicht mit mir stimmt.

Und Ihnen war gleich klar, dass Sie unter Angststörungen und Panikattacken leiden?

Müller: Nein, das war es nicht. Ich war bei etlichen Ärzten. Kardiologen, HNOs und habe viele Befunde erhalten. Aber körperlich war ich gesund, das bescheinigten mir die Ärzte auch. Erst die Ärztin in meinem 800-Seelen-Heimatdorf in der Eiffel stellte fest, dass ich unter einer Angststörung leide. Diese Erkrankung war damals nicht bekannt, deshalb mache ich auch niemandem einen Vorwurf. Aber es war eine quälend lange Zeit bis zum Ergebnis.

Was sind die Symptome einer Panikattacke? Wann und wo passiert das?

Müller: Es fühlt sich an, als wenn der Körper kurz davor ist, das Zeitliche zu segnen. Du hast das Gefühl, dass du stirbst. Das macht dich krank. Und dann hast du Angst davor, dass du wieder Angstattacken bekommst, dass du sie nicht verhindern kannst – und dann kommen sie auch. Ich konnte nicht mehr Einkaufen, nicht mehr zur Behörde gehen und musste mit Mitte 20 wieder zu meinem Vater ziehen. Ein richtiges Leben war unmöglich, teilweise hatte ich drei bis vier Attacken am Tag. Es ging nur noch ums Überleben.

Und dann? Gegen Angst gibt es doch keine Medikamente.

Müller: Ich habe lange Zeit Beruhigungsmittel erhalten. Aber das macht wahnsinnig schnell abhängig, weshalb ich mich erst im vergangenen Jahr über sechs Wochen im Krankenhaus davon entwöhnen konnte. Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Die Entzugserscheinung waren kaum zu ertragen. Gegen die Panikattacken hilft vor allem Ruhe und Entspannung. Das reguliert man am besten durch Atmung. Man muss der Angst ihren Raum lassen aber wissen, dass sie vorüber geht. Und diese Überzeugung vertreibt die Angst. Ich war in einer Klinik für vier- und sechswöchige Therapien.

Fiel es schwer, sich diese Erkrankung einzugestehen? Bei Jupiter Jones stiegen Sie 2014 aufgrund der Angststörung aus.

Müller: Zum Glück habe ich diese Scham nie gefühlt. Ich habe mich auch nicht versteckt, darüber zu erzählen. Ich sehe die Erkrankung nicht als innerliches Versagen oder als Verlust von Stärke oder Männlichkeit. Aber irgendwann ging es nicht mehr, ich habe mich kaum noch sicher gefühlt.

Wo haben Sie sich denn sicher gefühlt?

Müller: Besonders ist, dass es mir auf der Bühne anfangs noch gut ging. Die Hormone, die man ausschüttet bei so viel Freude an der Musik, die vertreiben die Angst. Bis zu einem gewissen Punkt, dann ging es nicht mehr, dann musste ich alles abbrechen. Die Folge war die reinste Isolation.

Und wie geht es Ihnen heute? Was macht die Musik?

Müller: Ich kann mich an meine letzte Panikattacke nicht erinnern, sie ist lange her. Es geht mir gut. Ich gehe problemlos in Supermärkte oder zur Behörde. Meine Musik war schon immer melancholisch, das ist mein Stil. Auch bei meiner Band „von Brücken". Das hat nichts mit meiner Erkrankung zu tun. Aber ich habe es mir abgewöhnt, überall Katastrophen zu finden und sorgenvoll durchs Leben zu gehen – das ist die wesentliche Veränderung.

Warum ist Ihnen die Woche der seelischen Gesundheit so wichtig? Ist das „Darüber Sprechen" die beste Therapie?

Müller: Ja, sprechen hilft. Zehn Millionen Menschen leiden unter Angststörungen, jeder hat seine Phobie. Und das ist auch menschlich. Ich habe viel Dank erfahren, offen über die Erkrankung zu reden. Und das tut auch mir richtig gut. Viele haben das Bedürfnis, sich darüber zu unterhalten. Und dafür ist die Woche der seelischen Gesundheit genau richtig. Ich freue mich drauf.

Hier geht's zum Programm der "Woche der seelischen Gesundheit".