Autorennen in Gütersloh: Wo sie stattfinden, wer die Fahrer sind und was die Polizei unternimmt

Gütersloh. Die Polizei bestätigt: es war reiner Zufall, dass die Beamten letzte Woche in der Nacht zu Fronleichnam am Westring Augenzeuge eines illegalen Autorennens wurden. Im Streifenwagen standen sie auf der Gegenfahrbahn, als zwei Golffahrer kurz nach Mitternacht auf der B61 Richtung Rheda-Wiedenbrück ihre Reifen durchdrehen ließen und los rasten. Die Polizei hat die Führerscheine der Fahrer (23/29) einkassiert. Beide Männer erwartet außerdem eine Anzeige wegen der Durchführung eines illegalen Autorennens. Wir haben mit Polizeisprecherin Corinna Koptik darüber gesprochen. Anwohner des Stadtrings behaupten schon lange, dass es dort Autorennen gibt. Das Problem ist aber die Flüchtigkeit. Noch eh man zum Telefonhörer gegriffen hat, ist es schon wieder vorbei. Glauben Sie den Berichten eigentlich? Corinna Koptik: Wir glauben den Bürgern nicht nur, wir wissen das. Wir bekommen regelmäßig Hinweise von Anwohnern. Das Problem liegt tatsächlich in der Flüchtigkeit. Die Beweissicherung und Verwertbarkeit ist schwierig. Der Gesetzgeber fordert einen ganzen Katalog an Beweisen. Das macht es schwer, heißt aber nicht, dass es uns im Umkehrschluss egal ist. Nordring, Friedrich-Ebert-Straße, Münsterlandstraße – auf welchen Strecken in und um Gütersloh finden die Rennen bevorzugt statt? Koptik: Wir haben die Schwerpunkte dort, wo wir gerade Strecken haben plus Ampeln. Da bietet sich die B61 leider an. Unseren Erfahrungen nach ist das eine der Hauptstrecken. Dazu kommt die Friedrich-Ebert-Straße mit der Unterführung – die Fahrer lieben diesen Teil der Straße, weil es so laut röhrt. Ampelsituationen wie die auf der Friedrich-Ebert-Straße laden eigentlich nicht zum Rennen ein, oder? Koptik: Doch, denn Rennen finden immer zwischen den Ampeln statt. Wir sprechen hier von einer Raserszene, aber die sind nicht organisiert oder untereinander verbunden wie die Tuningszene in der man sich untereinander kennt. Bei den Rasern handelt es sich um Einzelpersonen. Die suchen sich – und zwar an Ampeln. Welche Erfahrungen machen Sie mit den neuen Blitz-Geräten auf dem Ring? Hat das etwas bewirkt oder lacht die Szene über solche Geräte? Koptik: Der Blitzer auf der B61 werden ganz bewusst umbremst. Wir wissen das. Wir sind seit Jahren mit Geschwindigkeitskontrollen vor Ort. Das wird vom Bürger nicht immer so wahrgenommen, weil wir selbstverständlich nicht in den typischen Streifenwagen dort stehen. Wir wissen, dass es Reaktionen aus der Bürgerschaft gibt und man uns vorwirft, wir wären nie da. Sind wir aber. Charakterisieren Sie mal einen typischen Fahrer/in aus dieser Szene. Koptik:Es handelt sich um männliche Fahrer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Zu 90 Prozent handelt es sich um Männer südländischer Herkunft. Ihre Motivation ist recht eindeutig: männliches Imponiergehabe kombiniert mit dem Kick, den ein Rennen auslöst. Und die Autos? Koptik: Bei der Raserszene haben wir ausschließlich neue Autos, die alle der Luxus- oder gehobenen Oberklasse angehören ab 300 PS und mehr als Serienausstattung. Überwiegend handelt es sich um Autos der Marke Audi, BMW und Mercedes. Die Fahrzeuge gehören zur Luxusklasse und werden geliehen Wie schnell sind die betroffenen Wagen, hat die Polizei eine Chance, mitzuhalten? Koptik: Die Wagen sind sehr schnell und die Antwort lautet: nein, da kommen wir nicht hinterher. Verfolgungsfahrten dieser Art sind aber auch nicht immer unproblematisch. Wir nutzen andere Möglichkeiten. Welche Rolle spielen Mietfahrzeuge in der Rennszene? Koptik: Bei den Fahrzeugen handelt es sich in weiten Teilen um Leih- oder Leasingfahrzeuge. Sie werden für ein Wochenende geliehen oder für ein halbes Jahr geleast. Das ist gängige Praxis. Die Aral-Tankstelle am Ring scheint ein beliebter Treffpunkt der Autoszene zu sein, oder wo trifft man sich bevorzugt? Koptik: Wir müssen hier unterscheiden zwischen Tuning- und Raserszene. Zur Tuningszene können wir sagen, dass wir ihr im gesamten Kreis etwa 100 Fahrzeuge zurechnen. Hierzu zählen ausschließlich junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren. Sie treffen sich regelmäßig an den Wochenenden, bei gutem Wetter und vor Feiertagen von 20 bis 4 Uhr morgens hauptsächlich an der Aral-Tankstelle an der B61, auf dem Porta-Parkplatz und teilweise auch an der Autowaschanlage Hans-Böckler-Straße. Den Teilnehmern dieser Szene geht es vorrangig darum, sich darzustellen, ein bisschen zu protzen. Alles legal. Der ganz überwiegende Teil dieser Szene verhält sich verkehrskonform. Ein Beweisfoto vom Rennen nützt nichts, wir brauchen ein Video Die Tuning-Szene macht Ihnen also nicht so viele Sorgen? Koptik:Wir stellen kaum schwerwiegende Verkehrsunfälle fest in dieser Zielgruppe. Schätzungen vom Straßenverkehrsamt für 2018: etwa 150 Verwarnungsgelder, 50 Ordnungswidrigkeiten aufgrund von Veränderungen an den Fahrzeugen. Stillgelegt nach technischen Veränderungen haben wir als Kreispolizeibehörde im vergangenen Jahr 66 Fahrzeuge. Wenn man nun Augenzeuge einer Rennsituation wird, wie verhält man sich am besten? Anzeige erstatten? Für ein Beweisfoto mit dem Handy wird die Zeit kaum reichen. Koptik: Kennzeichen merken, Personenbeschreibung notieren und dann die Polizei anrufen und als Zeuge zur Verfügung stehen. Und wenn man die Möglichkeit hat – vielleicht auch über einen Beifahrer im Auto – das Smartphone nutzen und ein Video drehen. Ein Foto nützt uns nichts, um die Tathandlung nachweisen zu können benötigen wir ein Video. Die entsprechenden Autos sind nicht nur schnell, sondern auch laut. Ist das erlaubt? Ab wann darf man sich auch darüber bei Ihnen beschweren? Koptik: Lautstärke ist schwer zu beurteilen, aber die erlaubte Dezibelzahl ist im Fahrzeugschein eingetragen. Sobald man aber Druck im Ohr hat wenn ein Auto vorbei fährt, sind die Werte auf jeden Fall überschritten. Aber auch hier gilt: die Beweisführung ist schwierig, der Schallpegel muss gemessen werden. Bundesweit kann man den Eindruck haben, die innerstädtischen Autorennen nehmen eher zu. Teilen Sie die Erfahrung? Koptik: In 2017 hatten wir sieben Anzeigen (Ordnungswidrigkeit) wegen illegaler Autorennen, 2018 zwei Strafanzeigen und 2019 bis heute schon sechs Anzeigen. Klingt wenig, ist aber für uns immer verbunden mit der Schwierigkeit, zu ahnden. Was droht den Fahrern? Koptik:Seit 2017 sind illegale Autorennen keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat. Das interessante daran ist, dass man diese Straftaten auch begehen kann, wenn man alleine rast. Es muss gar kein Rennen sein. Ist denn in Gütersloh und Umgebung schon einmal ein Mensch bei einer offensichtlichen Rennsituation zu Schaden gekommen? Koptik: Zum Glück nicht.

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