Einschreiten oder nicht? Polizist spricht offen über Zivilcourage

Kreis Gütersloh. &bdquo;Auf jeden Fall fängt Zivilcourage bei einem selber an, nämlich eigenes Fehlverhalten zuzugeben", sagt Michael Verhalen. Immer wieder hat der 57-jährige Polizeibeamte mit Situationen zu tun, in denen er sich mehr Zivilcourage wünscht. Dabei denkt Verhalen weniger an solche Situationen wie vergangene Woche in Gütersloh passiert, als zwei Bürger einen Dieb festgehalten haben. &bdquo;Das kann schnell in eine Selbstgefährdung führen. Fast täglich lese ich, dass eine Verkäuferin versucht einen Dieb festzuhalten. Doch entscheidend ist wie immer der Einzelfall. Sollte der Dieb zum Beispiel mit einem Haftbefehl gesucht sein, wird er versuchen, sich mit aller Gewalt frei zu machen." Für das Gegenüber wirds dann gefährlich. "Schlechtes Benehmen ist nicht strafbar" Jede Situation ist anders, es handelt sich immer wieder um Einzelfälle. &bdquo;Wenn jemand mit einem Ghettoblaster herumläuft und laute Musik hört, kann man ihn natürlich mal freundlich bitten, leiser zu machen", sagt er. Das sei schließlich eine Grenzüberschreitung und ziemlich egoistisch. &bdquo;Schlechtes Benehmen ist ja nicht strafbar, aber ich muss es nicht hinnehmen. Natürlich kann man das Problem direkt ansprechen. Fühle ich mich aber unwohl und unsicher, muss ich aus der Situation heraus gehen. Oder ich beziehe jemanden mit ein, bitte um Unterstützung und stelle eine Öffentlichkeit her." Kein Verständnis hat Verhalen für Menschen, die an so einer Situation vorbeilaufen, den Kopf schütteln und über &bdquo;das Gesocks da" oder &bdquo;die Jugend" meckern. Zu wenig Lob für couragiertes Verhalten? &bdquo;Viele schimpfen über die Jugendlichen. Doch die sind lediglich ein Spiegelbild der Eltern. Wenn ich hier fünf junge Leute stehen habe, weil irgendwo etwas kaputt gegangen ist, kommen die Eltern mit dem Spruch Mein Sohn war das aber nicht in die Dienststelle. Was lernen die Kinder daraus? Wenn man nichts sagt, schadet es mir auch nicht." Doch dann brauche sich niemand zu wundern, wenn der Nachwuchs eigenes Fehlverhalten weder erkenne noch einsehe. &bdquo;Wahre Größe definiert sich daraus, zu den eigenen Schwächen zu stehen. Auch in der Schule wird kein Lehrer einen Schüler verteufeln, der einen Fehler zugibt." Vermutlich sei das eigentliche Problem, das couragiertes Verhalten zu selten gelobt werde. Stattdessen werde immer nur gemeckert, die Fehler der anderen moniert, weil viele nicht in der Lage seien zu loben. Und weil sie von den eigenen Fehlern ablenken wollten. "Aggressionsverhalten ist männlich" Ein besonderer Fall sei allerdings offensives Verhalten im Straßenverkehr. Da sei die direkte Ansprache, also so etwas wie Zivilcourage, nur wenig zielführend, sagt Michael Verhalen. &bdquo;Aggressionsverhalten ist männlich. Zudem kommt noch das Problem der Eigenwahrnehmung ins Spiel. Der gute deutsche Autofahrer ist in der Regel davon überzeugt, dass die Straßenverkehrsordnung lediglich für die Übervorsichtigen gemacht wurde." Wenn also in der Siedlung jemand permanent zu schnell fahre, &bdquo;dann kann man ihn mal ansprechen, wenn man ihn kennt". Sollte das nicht wirken, könne man natürlich auch den Bezirksbeamten einbeziehen. &bdquo;Ich kann dem Verursacher ins Gewissen reden. Auch das wirkt nur, wenn der das Fehlverhalten einsieht." Mehr Zivilcourage wünscht sich Verhalen bei eher kleinen Dingen, die &bdquo;allerdings etwas Mühe machen und Zeit brauchen." Er erzählt von einem Mann, der ihn anrief und folgende Situation ankündigte: Der Mann würde gleich ein Fahrradschloss am Bahnhof knacken. Die Tochter hatte den Schlüssel verloren. Mit dickem Gerät rückte der Papa also dem Schloss zu Leibe. 50 Euro gefunden - und jetzt? &bdquo;Anschließend kam der Mann auf die Dienststelle, um zu erfahren, wie viele Anrufe ich denn von besorgten Bürgern erhalten hätte. Meine Antwort: Keinen." Es sei schleierhaft, warum niemand den Mann ansprach, die Polizei anrief oder sich das Kennzeichen des Autos notierte. &bdquo;Natürlich braucht es Mut, in eine Situation zu gehen, die man nicht gewohnt ist. Aber man kann doch andere Menschen um Hilfe bitten. Ähnlich ist das bei hilflosen Personen oder einsamen schreienden Kleinkindern." Eine 13-Jährige hatte 50 Euro gefunden, erzählt Michael Verhalen. &bdquo;Das Mädchen kam aus einem beileibe nicht wohlhabenden Haushalt. Und 50 Euro sind schnell eingesteckt. Doch das Geld fand den Weg ins Fundbüro. Da sich kein Eigentümer meldete, erhielt die 13-Jährige das Geld. So etwas muss gelobt werden, auch mal über die Presse. So etwas ist Zivilcourage." Michael Verhalen ging 1979 zur Polizei. 1997 kam er zum Bezirksdienst nach Avenwedde. Seit 2013 ist er Bezirksbeamter in Herzebrock-Clarholz, wo &bdquo;ich auch bis zu meiner Pensionierung bleiben werde".

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