Das ist der Rückzugsort für Sterbenskranke in Gütersloh

Gütersloh. Brigitte Gehle führte neulich ein Aufnahmegespräch. Sie saß am Bett eines jungen, aber sterbenskranken Menschen und meinte, ihn trösten zu müssen, weil er so sehr weinte. Doch der Mann weinte nicht aus Verzweiflung, sondern vor Glück: &bdquo;Er freute sich, zu uns ins stationäre Hospiz zu kommen." Es sind Erlebnisse wie diese, mit denen die Mitarbeiter den Erfolg und die Notwendigkeit des Hauses belegen. Am 1. Juli 2009 vor zehn Jahren eröffnet, fanden seither 727 Menschen Aufnahme in dem Hospiz &bdquo;Mit Herz und Hand" an der Hochstraße. Der jüngste Gast war 31 Jahre alt, der älteste 99. In wohnlicher Atmosphäre und unter fürsorglicher Begleitung verbringen sie hier die letzten Tage ihres Lebensweges. Das zehnjährige Bestehen nimmt der Trägerverein nun als Anlass für zweierlei: Seinen Unterstützern und Förderern einen Dank auszurichten sowie ein bemerkenswertes Geburtstagsprogramm zu organisieren. Ein 24-Stunden-Betrieb Hospizleiterin Gehle und Pflegedienstleiterin Renate Leisner sind von Anfang an dabei. Sie gehörten schon dem Organisationsteam an, das sich damals, kurz nach dem Kauf des ehemaligen Wohn- und Kanzleisitzes, Gedanken machte, wie das stationäre Hospiz fachlich, menschlich und wirtschaftlich am besten zu führen sei. &bdquo;Es war eine aufregende Zeit", sagt Leisner. Als der erste Gast eintraf, herüber verlegt aus dem Städtischen Krankenhaus, nahm das Hospiz sofort seinen 24-Stunden-Betrieb auf. Wenig später folgten weitere Gäste, binnen kurzer Zeit war das Haus ausgelastet. &bdquo;Es zeigte, wie erforderlich diese Einrichtung war", sagt Elisabeth Schultheis-Kaiser, ebenfalls eine Mitarbeiterin der ersten Stunde. 18 Jahre nach Gründung des Hospizvereins am Städtischen Krankenhaus, 13 Jahre nach Eröffnung der Palliativstation und elf Jahre nach Beginn des ambulanten Hospizdienstes gab es in Gütersloh nun ein stationäres Hospiz – bis heute das einzige kreisweit. Durchschnittlich verbingen Menschen 29 Tage im Hospiz - die meisten sterben dort Der Onkologe Claus Gropp, Gründungsvorsitzender des Vereins, hatte es mit Krankenhaus-Verwaltungschef Egbert Hanschmann geschafft, die Kassen und Geldgeber von der Idee eines Ortes für ein würdevolles Sterben zu überzeugen. Der erste Gast verbrachte drei oder vier Wochen in dem Haus, genau wissen es Gehle und Leisner nicht mehr. Die Verweildauer wäre nicht ungewöhnlich – durchschnittlich verbringen die Menschen 29 Tage in dem Hospiz; die meisten, auch der erste Gast, sterben dort. Betreut werden sie von einem Team aus haupt- und ehrenamtlichen Helfern: 34 Menschen arbeiten mittlerweile im Hospiz, 15 mehr als beim Start. Die meisten sind Pflegekräfte, auch Hauswirtschafterinnen oder Verwaltungsfachkräfte sind darunter. Auf Sponsoren und Spenden angewiesen Um das Hospiz betreiben zu können, ist ein erheblicher finanzieller Aufwand erforderlich. &bdquo;Ohne die Hilfe vieler Sponsoren wäre das nicht zu stemmen", sagt Arnold Bergmann, seit Anfang 2018 Vorsitzender des Vereins. Geänderte Vereinbarungen auf Bundesebene haben die finanziellen Rahmenbedingungen zwar verbessert – inzwischen werden 95 Prozent der anerkannten Kosten über die Pflegesätze der Kassen vergütet, außerdem werden nachts nun zwei Pflegekräfte angerechnet –, doch gleichwohl bleibt Jahr für Jahr eine Lücke von 150.000 bis 200.000 Euro zu schließen: Eine Herausforderung, die der Verein bewältigt, weil er bei Nachbarschaftfesten, Belegschaftsfeiern, beim Weihnachtsbaumsammeln der Landjugend, beim Sponsorenlauf von Schülern, über Kleinspenden oder Nachlässe bedacht wird. "Für manche ist es das erste Mal, dass sie wieder den Wind spüren" Auch die 20 in der Stadt verteilten Spendenhäuschen und die Hilfe der vielen Ehrenamtlichen tragen dazu bei. &bdquo;Das bürgerschaftliche Engagement ist ein tragendes Merkmal unserer Hospizbewegung", sagt Bergmann. Der Erfolg des Hospizes lässt sich auch an Erweiterungen ablesen. 2013 kam zu den sieben Einzelzimmern ein achtes hinzu; ein Leitungsbüro wurde eingerichtet, die Terrasse überdacht, Heizstrahler gekauft. &bdquo;An manchen Tagen", sagt Leisner, &bdquo;halten sich alle acht Gäste im Garten auf. Das ist unser Wohnzimmer. Für manche ist es das erste Mal nach langer Zeit, dass sie wieder den Wind spüren können." Eine Warteliste gibt's nicht Ohnehin gewinnen die Mitarbeiter oft den Eindruck, dass Gäste, die in reduziertem Zustand eintreffen, im Hospiz noch mal aufleben. &bdquo;Wir haben hier schon viele bereichernde Momente erlebt", sagt Schultheis-Kaiser. 2017 folgte ein weiterer Anbau: Im Garten entstanden Holzhäuser, geeignet als Versammlungsraum, für Supervisionen oder als Schlafkammer für Nachtdienstler oder Angehörige. Ob die acht Plätze auf Dauer reichen? &bdquo;Ja", sagen Brigitte Gehle und Renate Leisner, das decke ungefähr den Bedarf für den Kreis Gütersloh ab. Werde das Hospiz größer, bestehe die Gefahr, dass es seinen behaglichen, familiären Charakter verliere. Eine Warteliste gebe es nicht, sondern einen Ordner mit Anfragen. Rund 20 seien darin im Schnitt vermerkt.

Meistgelesen