Gütersloh

Radfahrer setzen deutliches Zeichen in Gütersloh

Eine Stunde lang bestimmt eine 250 Meter lange Karawane das Tempo auf den Straßen in der Innenstadt. Dafür gab es einigen Applaus. Eine Aktion kam aber sogar bei Teilnehmern nicht gut an.

Gut eine Stunde lang traten mehrere Dutzend Fahrradfahrer für eine bessere Wahrnehmung und höhere Bedeutung des umweltfreundlichen Zweiradverkehrs in die Pedale. | © Jens Dünhölter

13.05.2019 | 13.05.2019, 13:42

Gütersloh. Die Botschaft einer gut 200 bis 250 Meter langen, munter klingelnden Fahrradfahrer-Karawane war unüberseh- und unüberhörbar: Die Zeit ist nach Ansicht der Teilnehmer reif für die Verkehrswende und für mehr Rechte von Fahrradfahrern im Alltag. Auch in Gütersloh. Genau so fiel das Fazit einer im Vorfeld viel diskutierten Aktion auf den Ein- und Ausfallstraßen rund um die Innenstadt aus.

Das Ende Trosses, der sich hier durch die Dalkestraße bewegt. - © Jens Dünhölter
Das Ende Trosses, der sich hier durch die Dalkestraße bewegt. | © Jens Dünhölter

Auf Initiative der anonym im Hintergrund bleibenden Gruppe „Critical mass" – der „kritischen Masse" – traten ab 17 Uhr 59 Radaktivisten jedweder Couleur, jedweden Alters für eine bessere öffentliche Wahrnehmung des klimaneutralen, muskelbetriebenen Zweiradverkehrs über eine Stunde lang gemeinsam in die Pedalen. Die Einladungen waren über mehrere unbekannte E-Mail-Verteiler, respektive soziale Netzwerke breit gestreut worden.

Ab 16 Teilnehmern darf sich eine Gruppe von Radfahrern wie ein motorisiertes Fahrzeug verhalten

Name und Idee des ungeplanten, ungezwungenen, unorganisierten Pedaleur-Zusammenschlusses fusßen auf der Straßenverkehrsordnung. Ab 16 Teilnehmern darf sich eine Gruppe von Radfahrern wie ein motorisiertes Fahrzeug verhalten, in dem beispielsweise eine Fahrbahnhälfte eingenommen oder im geschlossenen Verbund Ampeln überquert werden.

Bereits 2014 waren Nachahmer der 1992 in San Francisco geborenen friedlichen Radfahrer-Kundgebung auf Gütersloher Straßen unterwegs. Einer der damaligen Teilnehmer hatte sich auch bei der Wiederbelebung fünf Jahre später in den Tross eingereiht. Der überzeugte Pedalritter berichtete unterwegs: „Am Schluss waren wir nur noch zu zehnt. Damit war der Sinn hinfällig. Außerdem wurde es Herbst, da hatte keiner mehr Bock". Anschließend sei „die Idee eingeschlafen".

"Bravo-Rufe" von Passanten

Anscheinend ist die Zeit für den zweiten Anlauf gekommen. Erkennbar war dies an der großen Heterogenität der Gruppe. Zum mit großer Spannung erwarteten Treffpunkt am Rathaus rollten neben vielen normalen Bürgern auch einige Kinder, ein Liegendfahrer sowie sogar ein Rolli-Rikschar-Gespann mit ihren Gefährten an.

Auch die nicht-mitradelnde Bevölkerung unterstützte die Aktion. Auf ihrer ohne feste Route, mit immer wechselnden Fahrern als Taktgeber an der Spitze der gut 12 Kilometer langen Runde zwischen Rathaus, Friedrich-Ebert-Straße, Kaiserstraße, Dalkestraße, Neuenkirchener Straße, Unter den Ulmen, Münsterstraße, Bismarckstraße, Blessenstätte zurück zum Rathaus erhielten die Freiwilligen von Umstehenden und Passanten kurz hinter dem Kreisverkehr Neuenkirchener Straße sogar von einem Balkon aus jede Menge Beifall oder Applaus. Vereinzelt waren sogar „Bravo-Rufe" vernehmbar.

Wütend hupende Autofahrer

Die einzigen negativen Reaktionen während der mit dem Durchschnittstempo von 11 km/h absolvierten Protesttour in Form von wütend hupenden Autofahrern hatte sich die „Kritische Masse" indes selbst zuzuschreiben. Entweder aus Unkenntnis über die weitere Fahrtstrecke, als Provokation für den automobilen Verkehr, oder einfach aus Spaß an der Freude drehte das vielrädrige Peloton so lange seine Runden im den Kreisverkehr Bismarckstraße/Marienfelder Straße/Prinzenstraße, bis sich vor allen drei Ein- und Ausfahrten lange Schlangen gebildet hatte. Anschließend machte sich der Radkonvoi im Sinne der Deeskalation über die Prinzenstraße in Richtung Theater davon.

Die Meinungen über die Kreisel-Blockade waren durchaus konträr. Während einige Asphalt-Cowboys und -girls nach der Ankunft am Rathaus mit leuchtenden Augen schwärmten, „der Kreisel hat am meisten Spaß gemacht", sahen andere wie die im Tross mitradelnde Grüne Landtagsabgeordnete Wibke Brems den Sachverhalt kritischer: „Für Fahrradfahrer einzutreten ist die eine Sache. Autofahrer bewusst zu provozieren eine völlig andere". Sie habe sich das Kreiseln um den Kreisel deshalb „vom Bürgersteig aus angesehen".

"Den Ring machen wir beim nächsten Mal"

Nach kurzer Absprache untereinander verzichtete der Tross auch auf die mögliche Befahrung von West- oder Nordring. Tenor: „Da muss nur mal einer durchdrehen, dann . . . "

Doch aufgeschoben scheint nicht aufgehoben. Bereits nach der Wiederankunft am Startpunkt herrschte die Meinung vor: „Den Ring machen wir beim nächsten Mal".

Ohnehin war sich das Gros der untereinander größtenteils unbekannten Mitfahrer fast unisono einig: „Vielleicht fahren wir in vier Wochen alle wieder zufällig in die gleiche Richtung". Nach den Vorstellungen der offiziell nicht in Erscheinung getretenen „Critical Mass Gütersloh" soll die „kritische Masse" fortan jeden zweiten Freitag im Monat friedlich, gemäß der Straßenverkehrsordnung als Zeichen für die Verkehrswende über die Hauptstraßen der Dalkemetropole rollen.