Gütersloh. Die Polizei macht sich Sorgen: 20 Prozent mehr Verkehrsunfälle mit Radfahrern. Gütersloh muss kein schlechtes Gewissen haben, denn die Zahlen in Minden-Lübbecke oder Essen liegen genauso hoch. Ein Trend also. Der ist auch schnell erklärt, denn nachweislich sind deutlich mehr Fahrradfahrer unterwegs als noch vor zehn Jahren. Die Entwicklung des E-Bikes ist maßgeblich „Schuld" an diesem Zustand.
Und weil sich die Polizei für Unfälle immer auch verantwortlich fühlt, möchte Landrat Adenauer mit seiner Mannschaft gegensteuern. E-Bike-Training für Senioren, Verstärkung der Fahrradstreife und das alles verbunden mit dem wichtigen Appell: „Helm aufsetzen!" Na dann mal los! Schaden wird das nicht. Wer allerdings glaubt, man könne die Polizei in die Pflicht nehmen für die Unfälle mit Radfahrern, der irrt. Mit organisatorischen Maßnahmen wird überdeckt, was an strukturellen Problemen zugrunde liegt. Das kann nicht klappen.
Der Mensch wird für (zu) doof erklärt
Wer mit dem Fahrrad in Gütersloh unterwegs ist, riskiert sein Leben. Wers nicht glaubt, soll um 17 Uhr stadtauswärts entlang des Einkaufcenters an der Brockhäger Straße radeln. Dann auf der anderen Straßenseite zurück über die B 61. Mehr Eindruck bedarf es nicht, um zu wissen, dass nicht das Verhalten der Fahrradfahrer ursächlich für die Zunahme der Unfälle ist, sondern die Verkehrsführung. Die Anlage unserer Rad- und Gehwege stammt in weiten Teilen aus den 70er und 80-Jahren.
Unser Verkehrsaufkommen hat sich stetig entwickelt, nur die Infrastruktur ist nicht genügend mitgewachsen – und das Bewusstsein für andere Verkehrsteilnehmer außer für Autofahrer auch nicht. Jetzt kommen E-Bikes hinzu und es wird voll auf den Rad- und Gehwegen, deren Beschilderung und Führung kaum mehr jemand versteht. Wo soll ich fahren, wo darf ich fahren – wenn das unklar, unlogisch oder gar gefährlich wird, wie auf vielen Gütersloher Straßen, dann bleibt ein instinktives „wo kann ich fahren" übrig. Wenn Systeme nicht funktionieren, wird ja gerne der Mensch für (zu) doof erklärt.
Radfahrer und Fußgänger brauchen Schutz
Radfahrer und Fußgänger brauchen Schutz! Gegenseitige Rücksichtnahme als Verkehrskonzept ist keine Antwort auf die Problemlage. Die Verkehrsplanung versagt. Es müssen Konzepte her, Willensbekundungen, wie mit all dem umgegangen werden soll – nicht von der Polizei, sondern von Politik und Verwaltung. Stattdessen wird geplant wie vorgestern.
Für den Brückenneubau über die B 61 hat die Stadtverwaltung eine Breite von dreieinhalb Meter vorgesehen. Ein Bauwerk, dass erst in zwei Jahren fertig ist und für Jahrzehnte halten soll – aber zugleich einen Zweirichtungsverkehr für Fußgänger und Radfahrer unmöglich macht. Die Grüne Ratsfraktion setzt sich aktuell für eine Verbreiterung der Brücke auf fünf Meter ein. Das sorgt für deutlich mehr Sicherheit. Der Fahrradhelm im Übrigen auch.