Gütersloh

Risiko oder Irrglaube: Ist Gluten tatsächlich schlecht?

Glutenfreie Produkte wie hier dunkle Brötchen mit Sesamkörnern und glutenfreies Baguette. | © Jens Kalaene

24.02.2019 | 24.02.2019, 11:00

Gütersloh. Die Gütersloher Ernährungsmedizinische Beraterin Claudia Anna Schröder-Böwingloh klärt über das Thema Gluten sowie das Reiz-Magen-Darm-Syndrom auf.

Gluten – was ist das?

Gluten, oder auch Klebereiweiß genannt, ist der Hauptbestandteil in bestimmten Getreideprodukten. Enthalten ist es unter anderem in Weizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste oder auch in Emma und Urkorn. „Weiterhin lauert Gluten, versteckt, in sehr vielen Produkten, häufig auch dort, wo man es gar nicht vermutet", sagt Schröder-Böwingloh. Daher sei aufmerksames Lesen der Zutatenlisten im Rahmen einer glutenfreien Ernährung besonders wichtig.

Als „glutenfrei" dürfen seit 2008 alle Lebensmittel gekennzeichnet sein, die weniger als zwei Milligramm Gluten in 100 Gramm Endprodukt enthalten. Glutenfreie Getreide sind unter anderem Amarant, Buchweizen, Hirse, aber auch Reis, Sojamehl, Kartoffelmehl oder Kartoffelstärke. Seit Ende 2014 müssen alle Waren, die Gluten enthalten, egal ob verpackt oder unverpackt, deklariert sein.

Da sich eine juristische Grauzone auftut, findet man häufig die Bezeichnung „kann Spuren von Gluten enthalten", Hersteller oder auch Gastronomen sichern sich ab, denn wenn in einem Betrieb auch Produkte mit Gluten hergestellt werden, kann es trotz größter Vorsicht und Reinlichkeit schon einmal zu „Kontaminierungen" kommen.

Zöliakie/Sprue

Die Erkrankung Zöliakie/Sprue ist eine genetisch, also erblich bedingte Stoffwechselerkrankung, bei der es unter dem Verzehr von glutenhaltigen Getreiden zu entzündlichen Prozessen im Dünndarm kommt. Bricht die Erkrankung im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenen-Alter aus, spricht man von Zöliakie, bricht sie im späteren Erwachsenen-Alter aus, spricht man von einer Sprue. „Symptome sind Magen- und Darm-Beschwerden, angefangen von Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Bauchkrämpfen bis hin zu blutigen Durchfällen", erklärt Schröder-Böwingloh.

Werden die Symptome nicht behandelt, kann es zu ungewolltem Gewichtsverlust, anhaltender Müdigkeit und Leistungsabfall kommen. „Bei Kindern und Jugendlichen kann es sogar zu starken Störungen bei Entwicklung und Wachstum kommen." Um eine entsprechende Diagnose stellen zu können, sei der Besuch bei einem Gastroenterologen unabdingbar. „Bei einem positiven Befund müssen die Patienten ihr weiteres Leben konsequent auf einen Verzehr von Gluten verzichten." Denn bereits die Zufuhr kleinster Mengen Gluten könne eine weitere Schädigung des Dünndarms bedeuten.

Weitere Gluten-Probleme

Konnte die Erkrankung der Zöliakie/Sprue ausgeschlossen werden, spricht man von einer Gluten-Unverträglich oder einer -Sensitivität. Auch hier beziehen sich die Symptome auf den Magen-Darm-Trakt. Reagiert der Körper mit Haut-Irritationen, Juckreiz und Rötungen oder mit Beschwerden des Hals-Nasen-Ohren-Bereiches, Atemstörungen oder auch tränenden Augen, spricht man von einer allergischen Reaktion.Ursache der Entstehung können ein übermäßiger Verzehr von stark glutenhaltigen Produkten oder auch Umweltbelastungen sein.

Eine Therapie sieht laut Schröder-Böwingloh zunächst eine Karenz von Gluten vor. Nach einer Phase der Beruhigung von mindestens drei Monaten werde vorsichtig getestet, ob kleine Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel wieder vertragen wird. „Hierbei ist, wie auch bei der Zöliakie, eine Betreuung durch eine ernährungsmedizinische Fachkraft empfehlenswert." Generell gilt: Da es keine Behandlung durch Medikamente gibt, hilft nur eine konsequente Umstellung der Ernährung. „Hierbei helfen die Krankenkassen weiter, eine für die Ernährungsberatung benötigte medizinische Notwendigkeitsbescheinigung stellt der Arzt aus."

Ist Gluten nun schlecht?

„Grundsätzlich ist Gluten nicht ungesund und ein Verzehr in normalen Mengen aus hochwertigen Getreiden für gesunde Menschen nicht schädlich", so die Ernährungsexpertin. Bedenklich sei jedoch ein regelmäßig hoher Verzehr von glutenhaltigen Produkten aus der Massen-Industrie. Vor allem Produkte aus den sogenannten Auszugsmehlen können, in großen Mengen gegessen, auf Dauer Probleme bereiten. „Ich empfehle, stattdessen bewusst hochwertige Vollkorn-Getreide-Produkte und Backwaren auszuwählen", so Schröder-Böwingloh.

Ein Modetrend?

In letzter Zeit hat die Lebensmittelindustrie auf die gestiegene Nachfrage nach glutenfreien Lebensmitteln reagiert. „Betrachtet man diese näher, haben sie oft nicht viel mit einer gesunden Ernährung zu tun, denn viele dieser Produkte strotzen vor künstlichen Zusatzstoffen, vor Zucker und Konservierungsstoffen." Gluten sei dann zwar keins enthalten – dafür jedoch jede Menge an anderen Zutaten, die keinesfalls gesund seien. Außerdem sind die in der Industrie gefertigte glutenfreie Produkte oft sehr teuer.

Reiz-Magen-Darm

In diesem und dem vorangegangenem Teil der Serie haben wir die häufigsten Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten vorgestellt. Was aber, wenn keine dieser Erkrankungen zutrifft oder man das Gefühl hat, es könnte von allem etwas in Frage kommen? „In einem solchen Fall wird als Diagnose häufig ein Reiz-Magen-Darm-Syndrom definiert", sagt Schröder-Böwingloh.

Allerdings sei eine solche Diagnose für Patienten in der Regel wenig zufriedenstellend, da sie immer noch keine Lösung für ihr Problem haben. Die Ursache für Reaktionen des Körpers (Krämpfe, Übelkeit, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung) könne Stress oder psychischer Natur sein. „Es ist aber auch möglich, dass das Magen-Darm-System sensibel ist und, gekoppelt mit einer stressigen Situation, auf bestimmte Nahrungsmittel reagiert."

Fodmap-Diät

Bei der „Fodmap"-Methode wird zunächst für ein bis zwei Wochen ein Ernährungs- und Symptom-Tagebuch geführt, dieses wird dann mit Hilfe einer medizinischen Ernährungsberatung oder mit dem Arzt ausgewertet. Danach beginnt die Ernährungsumstellung, wobei bestimmte Nahrungsmittel, die als besonders schwer verdaulich und verträglich gelten, für einige Zeit gemieden werden und beobachtet wird, ob sich die Symptome verringern.

Schritt für Schritt wird danach getestet, welche Nahrungsmittel in welcher Menge wieder vertragen werden können. Allerdings wird, bevor sich Mediziner auf die Diagnose Reiz-Magen-Darm-Syndrom festlegen, je nach Art der Symptome vorher abgeklärt, ob eventuell auch eine Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes vorliegt. Das können beispielsweise eine Magenschleimhaut-Entzündung sein, oder eine entzündliche Darmerkrankung, wie beispielsweise eine Diverticulitis oder ein Morbus Crohn.