Gütersloh

Ab Mitte März kein ICE-Halt in Gütersloh - ein Pendler ist genervt

"Achtung, ein Zug fährt durch": Diese Ansage wird man im Hauptbahnhof demnächst häufiger zu hören bekommen. Dass dort ab Mitte März monatelang keine IC- und ICE-Züge halten sollen, ärgert Pendler wie Andreas Ksienzyk

Bahn-Pendler Andreas Ksienzyk | © Patrick Menzel

02.02.2019 | 02.02.2019, 08:00

Gütersloh. Mit „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" landete Christian Anders 1972 einen Hit. In Gütersloh heißt es bald: Es fährt kein Zug nach Irgendwo – jedenfalls kein schneller. Denn wie berichtet, müssen Bahnfahrer in der Dalkestadt ab Mitte März mit starken Einschränkungen rechnen. Bis Mitte Oktober wird hier weder ein Intercity (IC) noch ein Intercity-Express (ICE) halten. Nur die Regionalbahnen sollen wie gehabt fahren, aber was heißt das schon. Schuld daran sind Brückenarbeiten in Bielefeld, darunter leiden werden neben Gütersloh auch Herford und Hamm.

Die heimischen Landtagsabgeordneten Wibke Brems und Raphael Tigges haben sich bereits Ende Januar bei der obersten Etage der Bahn beschwert, auch Bürgermeister Henning Schulz hat mit einem Schreiben an den Bahn-Vorstand versucht, ein Veto gegen die Komplettstreichung einzulegen. Ob der Widerspruch etwas bringt und wie groß die Einschnitte sein werden, wird sich am Montag herausstellen, wenn die Bahnsprecher auf einer Pressekonferenz in Bielefeld ihre Pläne erstmals vorstellen und konkretisieren (siehe Info-Kasten unten).

Für die Dauerkarte zahlt Ksienzyk 240 Euro im Monat

„Viel zu spät", findet Andreas Ksienzyk, der sich selbst als „Hardcore-Pendler" bezeichnet: Seit 20 Jahren fährt der Gütersloher Schauspieler die Strecke Gütersloh – Dortmund und zurück, manchmal bis zu viermal am Tag. Da seine Arbeitszeit am Dortmunder Kinder- und Jugendtheater mit 10 bis 14 Uhr und dann noch einmal 18 bis 22 Uhr etwas außerhalb der Norm liegt, fährt er zwischendurch gerne mal nach Hause („essen, vielleicht ein Schläfchen machen, mit dem Hund rausgehen und kurz die ganze Familie sehen, bevor es wieder nach Dortmund geht"), natürlich mit einem Schnellzug, sonst würde sich das kaum lohnen.

Für die Strecke hat er eine Dauerkarte abonniert, Kostenpunkt: 240 Euro im Monat. Der 59-jährige Familienvater ist mit seinem Lebens- und Arbeitsmodell nicht alleine. „Die Schnellzüge sind voll mit Pendlern, man kennt sich mittlerweile untereinander. Ich nehme meistens den IC um 8.52 Uhr ab Gütersloh, dann bin ich um 9.30 in Dortmund. Zurück fahre ich mit dem neuen Doppeldecker-IC um 14.28 Uhr ab Dortmund. Nach meiner zweiten Schicht fährt abends noch ein ICE um 22.28 Uhr nach Gütersloh, das ist top und hat immer gut geklappt." Um vor Ort schneller zu sein, nimmt er sein Faltfahrrad mit an Bord. Wenn die Züge ab März an Gütersloh vorbei rauschen, gerät also ein ganzes Konzept ins Wanken. Und nicht nur seins.

Die Unsicherheit des Nahverkehrs ist eine Belastung für den Pendler

Häufig sitzt Ksienzyk mit den selben Leuten im Zug. „Zu meiner Gruppe gehören zwei Juweliere aus Dortmund, eine Pädagogikprofessorin und ein Yoga-Lehrer. Manchmal treffe ich auch zwei Gießer aus Gelsenkirchen, die dort keine Arbeit mehr gefunden haben und jetzt in eine Gießerei nach Isselhorst-Avenwedde pendeln." Einer von ihnen habe sich für seine Dauerkarte gerade erst den ICE-Zuschlag fürs ganze Jahr gekauft, „der wusste nicht, dass er damit in wenigen Wochen gar nichts mehr anfangen kann. Diese miese Informationspolitik der Bahn finde ich unverzeihbar".

Eigentlich muss sich der Schauspieler gerade auf ganz andere Dinge konzentrieren. Das Weihnachtsmärchen ist abgespielt, zurzeit steht er in dem Jugendstück „Fast Faust" auf der Bühne und abends sind die Proben von Hoffmanns „Der Sandmann" angesetzt. Premiere ist am 22. Februar. Wie er ab März pünktlich im Theater sein soll, weiß er nicht. „Ich muss noch rauskriegen, wie ich das mache. Am Info-Point in Hamm konnte man mir jedenfalls nicht weiterhelfen. Die wussten auch nicht, was jetzt mit der Dauerkarte ist. In vergleichbaren Fällen wurden die Karten für die Zeit, in der sie nicht nutzbar waren, offenbar eingesammelt und später wieder ausgegeben. Wenigstens die ICE-Zuschläge müsste man für die Zeit des Ausfalls erstattet bekommen, aber auch im Abo-Center gibt es dazu keine Informationen", sagt Ksienzyk.

Viel mehr belastet ihn jedoch die Unsicherheit. Auf den Nahverkehr zu vertrauen, fällt dem Schauspieler aus Erfahrung schwer. „Hier häufen sich bereits seit Wochen die Verspätungen. Wenn das so bleibt und die anderen Züge ausfallen, sehe ich schwarz." Vor ein paar Tagen hat Andreas Ksienzyk Kontakt mit Wibke Brems aufgenommen. „Die hat mir einen Link geschickt und jetzt werde ich im Zug Unterschriften sammeln, solange er noch fährt. Denn selbst wenn es nichts bringt, hat man wenigstens etwas getan."