Gütersloh. Auch an diesem windig-trüben Mittag um kurz nach 13 Uhr hat Simon Titz mitten in der Fußgängerzone wieder seinen Bühnenplatz eingenommen. Es regnet, es ist kalt, die meisten Passanten sind in Eile, natürlich, das furchtbare Wetter lässt sie hektisch werden. Simon Titz lächelt, so macht er es immer, wenn er ein Lied anstimmt, und dann beginnt er, geschützt durch einen großen Schirm in seinem Rollstuhl sitzend, auf seiner Gitarre zu spielen. Er möchte den Menschen mit seinen Liedern eine Freude machen, sagt er. Und ja, vielleicht auch berühmt werden.
Seit zehn Jahren ist der 33-Jährige mit seiner prägnanten Stimme und seiner Akustik-Gitarre als Straßenmusiker unterwegs. Davor waren seine Eltern das Publikum, doch das reichte ihm nicht. „Ich wollte wissen, wie meine Musik den Menschen gefällt." Natürlich habe ihn der Schritt in die Öffentlichkeit Überwindung gekostet, mittlerweile sei das kein Problem, im Gegenteil, er freue sich jeden Tag darauf.
Sein größter Traum? Eine professionelle Studioaufnahme
Ein oder zwei Tage die Woche lässt sich Titz, der in Lippstadt lebt, von einem Bekannten nach Gütersloh bringen, Wind und Wetter spielen dabei keine Rolle. Zwar gastiert er regelmäßig auch in den Fußgängerzonen anderer Städte wie Paderborn oder Lippstadt, am liebsten jedoch in Gütersloh. Und das nicht ohne Grund: „Vielleicht entdeckt mich ja ein Musikmanager von Bertelsmann und ermöglicht es mir, dort einmal vorzuspielen", sagt er. Denn eine professionelle Studioaufnahme, ja, das wäre sein „allergrößter Traum". Um vorbereitet zu sein, hat Titz daher auch immer zwei Demo-CDs dabei.
Seit sieben Jahren ist Titz auf den Rollstuhl angewiesen. Ein Rückenproblem in Folge eines schweren Unfalls sei der Grund, sagt er, das Stehen falle ihm schwer, doch eigentlich möchte er darüber gar nicht sprechen, Mitleid wolle er nämlich nicht haben, sondern Musik machen.
Titz komponiert auch selbst
Die macht er nun seit zwölf Jahren. Zuerst hat er sich mit Lern-DVDs selbst das Gitarrespielen beigebracht, dabei von Größen wie Reinhard Mey die „ein oder andere Zupftechnik abgeschaut" und dann begonnen, Lieder zu komponieren. Neben Coverversionen von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims umfasst sein Repertoire an die 20 selbstkomponierte Songs. Balladen sind es oder Schlagerlieder auf Deutsch, in denen es fast immer irgendwie um die Liebe geht. „Meine Insel Rügen" ist einer dieser Songs, es ist eine Hommage an die Ostseeinsel und, wie auch das ein oder andere Lied von ihm, auf Youtube zu finden.
Einige Wochen dauere es, bis ein neues Lied fertig ist. „Ich weiß, wie die Akkorde klingen, beginne zu spielen und zu singen und irgendwann ist es genau so, wie ich es mir vorstelle." Sein neues Stück, das er in der Weihnachtszeit immer wieder spielte, ist „Die Engel erschienen den Hirten". Es handelt von Frieden und Freude, und natürlich geht es auch wieder um die Liebe. Trotz des widrigen Wetters an diesem windig-trüben Mittag bleibt manch Passant in der Berliner Straße stehen, lauscht den Strophen und Akkorden und wirft entzückt die ein oder andere Münze in die goldfarbene Schale vor seinen Füßen.
Vielleicht kommt ja tatsächlich eines Tages ein einflussreicher Musikproduzent vorbei, unwahrscheinlich ist das nicht. Denn schon so manch glänzende Musikerkarriere begann einst in einer Fußgängerzone. Davon kann der ein oder andere Profi wortwörtlich ein Lied singen. Bald vielleicht auch Simon Titz.