Gütersloh

Viel Lärm um nichts? CDU entfacht Diskussion um Spontan-Tattoos

Die Berliner CDU-Vizechefin Gitta Connemann will Pflichtberatungen vor Tätowierungen einführen. Benjamin Deitert vom Black-Bird-Studio hält das für überflüssig

Konzentriert: Tim Meyer tätowiert seit neun Jahren. Hygiene steht bei ihm an erster Stelle. Spontane Tätowierungen kommen bei ihm nicht vor. | © Andreas Frücht

Alexander Lange
05.09.2018 | 05.09.2018, 10:27

Gütersloh. Wenn es nach Gitta Connemann geht, sollen spontane Tätowierungen der Vergangenheit angehören. Die Vizechefin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert Fristen und Pflichtberatungen für alle, die sich ein Tattoo zulegen wollen. Damit soll kurzfristigen Hautverzierungen unter Alkoholeinfluss oder Gruppenzwang der Kampf angesagt werden, so der Plan von Connemann.

„Wir haben davon gehört. Verstehen können wir es aber nicht", sagen Tim Meyer und Benjamin Deitert vom Gütersloher Black-Bird Tattoostudio: „Spontantattoos finden in der Realität nicht statt. Zumindest nicht bei uns."

Zwei bis sechs Monate bis zum Wunsch-Tattoo

Allein zeitlich sei es gar nicht möglich, eine spontane Tattooidee direkt unter der Haut zu verewigen: „Wenn bei uns nicht kurzfristig ein Termin frei wird, dauert es in der Regel zwei bis sechs Monate, ehe ein Tattoo-Wunsch Wirklichkeit wird." Dann hätten Kunden genug Zeit, sich noch einmal Gedanken zu machen. Und ohne eine vorherige ausführliche Beratung gehe schon einmal gar nichts. Ein Tattoo, dass sei nicht „mal eben" gemacht, sagt Tim Meyer.

Er tätowiert seit neun Jahren, sein Steckenpferd sind realistische Tattoo-Motive: „Ganz am Anfang steht neben der Beratung, welches Tattoo es sein soll, auch die Aufklärung. Was können Nebenwirkungen sein, was sind Risiken. Wir erzeugen ja offene Wunden. Was wir machen, ist Körperverletzung."

"Wir hätten nichts von schnellen Geschäften"

Erst wenn sich die Kunden aller Risiken bewusst seien, gehe es um das genaue Motiv und die Körperstelle: „Wir weisen die Leute nicht umsonst daraufhin, dass ein Tattoo eine Sache für das ganze Leben ist. Wir hätten nichts von schnellen Geschäften. Wenn die Arbeiten dann schlecht oder nicht zufriedenstellend sind, haben wir da doch auch nichts von."

Deitert gesteht ein, dass sicher nicht jeder Kunde, der 18 Jahre alt ist, auch unbedingt erwachsen sei: „Manche unterschätzen die Entscheidungen. Die Leute sollen sich sicher sein. Aber da achten wir drauf."

Falsche Erwartungen würden ganz von alleine so manchen Tattoo-Wunsch platzen lassen. Die meisten Kunden, so Deitert, kommen mit Motiven, die sie im Internet gefunden haben. Andere haben tolle Tattoos bei Freunden gesehen: „Aber wir wollen ja nicht kopieren. Jeder soll ein individuelles Tattoo bekommen. Dafür brauchen wir doch auch Zeit, um das zu entwerfen. Nicht jede Rose soll gleich aussehen. Und nicht alle Ideen sind umsetzbar."

"Der Beruf ist nicht geschützt"

Fehlende Hygiene und mangelnde Professionalität seien im Tattoo-Geschäft ein viel größeres Problem als möglicherweise Spontan-Tätowierungen, so die beiden: „Der Beruf ist nicht geschützt. Eröffnest du ein Friseurgeschäft, brauchst du einen Meister. Tätowieren darf aber jeder." Entsprechende Maschinen und Farben gebe es im Internet – „und da ist das Problem", so Deitert. Dann werde unüberlegt drauflos tätowiert, ohne auf die Hygiene zu achten oder überhaupt erstmal zu üben. Schlimme Erkrankungen können die Folge sein.

Schon seit Jahren seien Tattoos im Trend, inzwischen schon zu einer Art Modeschmuck geworden, so Deitert: „Und Tattoos sind inzwischen alltagstauglich. An den Rippen, auf dem Oberarm oder dem Fuß sind gute Stellen, wo man das Tattoo dann auch verstecken kann, wenn es vielleicht nicht gesehen werden soll." Beratungen seien also längst Standard. Ein neues Gesetz brauche es dafür nicht.