Gütersloh. Als sie vor neun Jahren geboren wurde, stellte Theodora das Leben ihrer Eltern auf den Kopf. Eigentlich schon vorher, denn Pia Hauertmann-Tassikas und ihr Mann Dimitrios Tassikas bekamen die Diagnose schon während der Schwangerschaft: Trisomie 21. Als klar war, dass ihr viertes Kind mit dem Down-Syndrom zur Welt kommen würde, brach für ihre Mutter eine Welt zusammen. "Aber wir wollten dieses Kind, das war keine Frage", sagt ihr Vater. Theodora ist also ganz klar: ein Wunschkind.
Die ersten Monate und Jahre waren für die Familie trotzdem alles andere als einfach. Theodora hatte einen Herzfehler und musste noch als Säugling operiert werden. Seitdem hat das Mädchen einen Behinderungsgrad von 100 Prozent in ihrem Ausweis stehen. Der letzte Brief, den die Tassikas von der beim Kreis Gütersloh zuständigen Abteilung für Soziales bekamen, verheißt jedoch nichts Gutes.
Weil es ihr nun besser ginge, soll Theodora auf 80 Prozent heruntergestuft werden, was größere finanzielle Einbußen zur Folge hat. Den Tassikas geht es aber ausdrücklich nicht ums Geld, wenn sie nun an die Öffentlichkeit gehen, sondern um das emotionale Feedback des Vorgehens der Behörde. Der heutige Welttag des Down-Syndroms ist für sie ein Anlass, um auf ihr Schicksal und das vieler weiterer Familien aufmerksam zu machen.
"Das ist für uns eine Klatsche. Wir tun auf der einen Seite alles, damit es unserer Tochter gut geht und sie sich weiter gut entwickelt, und auf der anderen Seite bekommt man dann so eine Ansage", ärgert sich Vater Dimitrios Tassikas. Seine Frau hat als praktizierende Ärztin noch eine andere Perspektive auf die Widersprüchlichkeiten im Umgang mit dem Down-Syndrom. "Da wird im Vorfeld viel getestet, seit einigen Jahren gibt es auch einen Bluttest.
Bei einem positiven Ergebnis wird man dann sehr zu einer Abtreibung gedrängt, die Behinderung wird als so schwer angesehen, dass sogar Spätabtreibungen erlaubt sind - und jetzt soll Theodoras Behinderung plötzlich nicht mehr so schwerwiegend sein?" Fasse man alle Beeinträchtigungen zusammen, käme man auf weit mehr als 100 Prozent.
"Die Herabstufung des Behinderungsgrades hängt beim Down-Syndrom immer vom Einzelfall ab"
Als die heute Neunjährige vor drei Jahren in der Heidewaldschule eingeschult wurde, war sie auf dem Entwicklungsstand einer 3,5-Jährigen. "Und diese Schere geht laut Therapeuten immer weiter auseinander", sagt Pia Hauertmann-Tassikas. Die Familie, die Leben und Arbeiten vollkommen auf die Bedürfnisse der jüngsten Tochter ausgerichtet hat, macht sich Sorgen um die Zukunft.
"Die Herabstufung des Behinderungsgrades hängt beim Down-Syndrom immer vom Einzelfall ab", erklärt Christina Peters als Sprecherin des Kreises Gütersloh. Bei dieser Behinderung gebe es keine klare Antwort, besonders bei Kindern müsse berücksichtigt werde, inwieweit ihr Entwicklungsstand von dem Gleichaltriger abweiche. "Weil Ausprägung und Entwicklung beim Down-Syndrom so extrem unterschiedlich sind, muss jeder Fall immer wieder neu bewertet werden."
Elzbieta Szczebak, Geschäftsführerin des deutschen Down-Syndrom Infocenters in Süddeutschland, berät täglich Eltern, die Probleme mit den Behörden haben. Für sie ist der Versuch, Theodora herunterzustufen, deshalb kein Einzelfall - "wobei ihr Alter ungewöhnlich ist. Erst die 18-Jährigen werden zunehmend runtergestuft. Die Behörden berufen sich dabei auf versorgungsmedizinische Grundsätze und die Tatsache, dass mit zunehmendem Alter auch die Selbstständigkeit zunimmt."
INFORMATION
Ein Datum mit Bedeutung
Der Welt-Down-Syndrom-Tag findet seit 2006 jedes Jahr am 21. März statt. Das Motto dieses Jahres lautet: „Wir haben viel zu geben."
An diesem Tag werden weltweit Veranstaltungen organisiert, die das öffentliche Bewusstsein für die Thematik des Down-Syndroms steigern sollen.
Fast alle Menschen haben 46 Chromosomen: 23 von der Mutter und 23 vom Vater. Menschen mit Down-Syndrom haben in der Regel 47 Chromosomen. Weil bei ihnen ist das 21. Chromosom drei mal vorhanden ist, spricht man auch von einer Trisomie 21.
Das gewählte Datum, der 21. März, symbolisiert dieses charakteristische Merkmal des Down-Syndroms.
In Deutschland leben 30.000 bis 50.000 Betroffene, auf etwa 650 Geburten kommt ein Fall. Das Risiko steigt mit dem Alter der Mutter deutlich an.
Wie sehr das zusätzliche Chromosom die Betroffenen körperlich einschränkt, ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt, dass die Kinder sich langsamer entwickeln und häufig kleiner bleiben als ihre Altersgenossen. Ihre Muskeln bleiben oft schwach, ihr Bindegewebe locker. Hinzu kommen ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen an Herz und Darm, ein geschwächtes Immunsystem und Hör- sowie Sehschwierigkeiten.