Gütersloh

Hartz-IV-Empfänger als Wohnungsmieter unerwünscht

Miete: Die Wohnungssuche ist in Gütersloh eine große Herausforderung. Doch für Jobcenter-Kunden scheint die Aussicht auf eine neue Bleibe nahezu unmöglich zu sein, wie Betroffene berichten

Auf Wohnungssuche: Diese Hartz-IV-Empfängerin wird immer wieder von Vermietern abgelehnt. | © Patrick Menzel

Melanie Wigger
11.09.2017 | 02.10.2017, 18:29

Gütersloh. „Solche Leute wollen wir hier nicht!" – Aussagen wie diese mussten sich zwei Gütersloherinnen schon häufiger anhören. Der Grund: Ihre Miete wird vom Jobcenter gezahlt. Anke Zouikri und Karola Thumann haben sich – unabhängig voneinander – bei der Neuen Westfälischen gemeldet. Ihre Anliegen klingen überraschend ähnlich: Beide sind chronisch krank und deshalb auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Anke Zouikri sucht schon lange nach einer Zweizimmerwohnung. 98 Absagen hat sie schon einkassiert, die Standardbegründungen: „nur Berufstätige" und „auf keinen Fall Hartz-IV-Empfänger". Die Wohnungssuche ist durch ihre Multiple Sklerose kniffelig. Die 52-Jährige braucht eine Bleibe im Erdgeschoss oder im ersten Stockwerk. Doch wenn die Vermieter hören, dass Zouikri Geld vom Jobcenter bekommt, ist das Gespräch beendet: „Für viele Leute ist man dann echt das Letzte", berichtet sie. „Ich habe mir noch nie etwas zu Schulden kommen lassen, aber die Vermieter lehnen mich immer wieder ab. Sie geben einem nicht einmal die Chance, einen kennenzulernen." Vor kurzem hatte sie den Mietvertrag schon fast in der Tasche – „doch weil ich so ehrlich war und gesagt habe, das Jobcenter bezahlt die Miete, wurde mir abgesagt. „Ich kann nur jedem wünschen, niemals in so eine Lage zu kommen."

Karola Thumann ist seit einem Jahr auf der Suche nach einer zentral gelegenen Wohnung. Durch ihre Fibromyalgie schafft sie es höchstens unter großen Schmerzen zum nächsten Supermarkt. Ihre jetzige Wohnung soll zudem langfristig teurer werden – das könne sie sich nicht länger leisten. Die 390 Euro, die das Jobcenter für sie übernimmt, seien auf dem Gütersloher Wohnungsmarkt deutlich zu knapp bemessen. „Ich habe unseren Bürgermeister deswegen angeschrieben und wurde zum Wohnungsamt verwiesen." Der Sachbearbeiter tippte darauf, dass Thumanns neunjährige Hündin das Problem sei. Als die Gütersloherin erklärte, dass die meisten Absagen damit begründet wurden, dass sie Hartz-IV-Empfängerin sei, habe sie den Rat bekommen, das einfach zu verschweigen. „Aber das ist nicht meine Art", sagt die frühere Altenpflegerin, die nicht mehr damit rechnet, eines Tages wieder arbeiten zu können: „Warum sollte ich lügen?"

Experten raten dazu, den Hartz-IV-Status zu verschweigen

Dass die Herkunft des Geldes vermutlich häufiger vor den Vermietern verschwiegen wird, vermutet Fred Kupczyk, Dezernent im Jobcenter. Die Behörde könne das Geld in der Regel nicht direkt an die Vermieter überweisen – das wäre ein Verstoß gegen den Sozialdatenschutz. Ausnahmen gäbe es nur, wenn die Jobcenter-Kunden das selbst so wünschen. Kupczyk: „Wenn jemand einsieht, dass er mit dem Geld nicht haushalten kann, kann er zum Beispiel einen Antrag stellen, dass die Miete direkt zum Vermieter überwiesen wird." Ein Anrecht auf diese Regelung hätten Vermieter allerdings nicht.

Auf der anderen Seite können die Vermieter bei einem privatrechtlichen Mietverhältnis frei wählen und deshalb auch nach subjektiven Kriterien aussortieren. Dagegen wehren können sich Hartz-IV-Empfänger in der Regel nicht, bestätigt nicht nur Kupczyk, sondern auch der Mieterbund Ostwestfalen-Lippe. Geschäftsführer Ralf Brodda verweist darauf, dass Hartz-IV-Empfänger im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht aufgelistet und folglich nicht geschützt werden. Deshalb rät auch der Mieterbund diese Art des Einkommens möglichst lange vor potenziellen Vermietern zurückzuhalten.

Ein Weg, mit dem sich Thumann nicht anfreunden kann: „Das zerstört doch die Bezeihung zwischen mir und dem Vermieter." In ihrer Verzweiflung habe sich die 56-Jährige für eine provokante, aber ehrliche Wohnungsanzeige im Internet entschieden: „Hartz-IV-Empfänger, nein Danke? Sehr geehrte Vermieter, des Öfteren lese ich, dass Harz-IV-Empfänger als Mieter nicht erwünscht sind. Ich möchte sie darauf aufmerksam machen, dass man deswegen nicht asozial ist. Ich für meinen Teil habe ein Empfehlungsschreiben von meinem jetzigen Vermieter und habe immer Miete bezahlt. Ich suche einen Vermieter, der nicht voreingenommen ist. Falls Sie der richtige Vermieter für mich sind, würde ich mich freuen, wenn Sie sich bei mir melden."

Sie habe viele Antworten auf diese Anzeige bekommen – von anderen Betroffenen, die sich für den Mut der Gütersloherin, dieses Problem öffentlich mitzuteilen, bedanken. Eine Wohnung hat sie so trotzdem nicht gefunden. „Das war mir auch schon vorher klar", sagt sie, „aber ich wollte, dass die Vermieter über dieses Problem nachdenken."