Kreis Gütersloh. Der junge Mann trägt Anzug, ist adrett frisiert und hat Manieren. Aber eine Wohnung hat er lange nicht gefunden. Nach hoffnungsvollem Erstkontakt winkten Vermieter ab, wenn sie hörten, dass Morteza Jahangirian Asylbewerber ist. Da half auch kein Wohnberechtigungsschein, der die Miete sichert. Endlich hat es mit Hilfe seiner Betreuerin geklappt. Seit einem Dreivierteljahr lebt der Mann in Deutschland, seit er wegen seiner Religionskritik als Rap-Musiker aus dem Iran fliehen musste.
"Es darf eben keine Regimekritik geben, keine Religionskritik", sagt Barbara Körkemeier. Zwischen Religion und Regime wird nicht unterschieden im Gottesstaat. Die Rheda-Wiedenbrücker Malerin, Gründerin der bekannten Werkstatt Bleichhäuschen im Schatten von Schloss Rheda, betreut Jahangirian, der mit Bruder, Schwester und Nichte, die ebenfalls ihre Heimat verlassen haben, in einem Flüchtlingshaus in der Emsstadt wohnt. Die Eltern und weitere Geschwister leben weiterhin in Teheran.
Verhaftet und gefoltert
Dort war der heute 27-Jährige mit dem Künstlernamen Yahgma der Geheimpolizei durch religionskritische Texte aufgefallen. Auch auf privaten Partys dürften solche Sachen nicht vorgetragen werden, sagt Jahangirian. Es gebe dann zwei, drei Verwarnungen, bis die Behörden zu härteren Maßnahmen griffen. Auch er sei verhaftet und gefoltert worden. Als die Lage zu gefährlich wurde, habe der Anwalt der Familie dem Vater geraten, den Sohn aus dem Land zu schicken.
"Wir kommen nicht her, um in die Disco zu gehen", erklärt der Flüchtling. Er und andere, wie auch der Schriftsteller Salman Rushdie, als "Abtrünnige" geltende und entsprechend bedrohte Künstler würden nicht zum Vergnügen oder aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen. Und im Vergleich etwa zu den Kriegsflüchtlingen aus Syrien pocht er darauf, dass auch im Iran eine Art Kriegszustand herrsche, den die Machthaber gegen Teile der Bevölkerung führten.
In Deutschland künstlerisch frei sein
In Deutschland freut sich Jahangirian, künstlerisch frei zu sein. Er sei, wie manche Iraner, traditionell "deutsch-orientiert", erläutert Barbara Körkemeier. Nicht zufällig zählen zu den bevorzugten Philosophen und Autoren des Mannes, der sein Philosophie- und Physik-Studium abbrechen musste, Schopenhauer, Nietzsche und Kafka. Er schreibt Texte für sein neues Album, das in diesem Sommer fertig werden soll.
Mit Hilfe des Jugendkulturrings hat er ein Studio benutzen können. Vom Sozialamt war der auch malende junge Mann prompt ins Bleichhäuschen geschickt worden. Dort machte er ein Praktikum. Dann bot das Gütersloher Atelier art colori beiden an, dort bis Ende Juli gemeinsam ihre Arbeiten zu zeigen, Titel: "Unterschiede".
»Das Wort Asyl ist negativ belegt«
Unterschiede unangenehmer Art stellt die Betreuerin im Verhalten ihrer Landsleute gegenüber Einheimischen und Flüchtlingen fest. "Das Wort Asyl ist negativ belegt inzwischen", hat sie bemerkt. Asylsuchende würden allein oft weniger entgegenkommend behandelt, als wenn sie als Deutsche dabei sei. Eine solche Unterscheidung zwischen Menschen findet die Künstlerin "enttäuschend für mein Land."
Morteza Jahangirian hofft auf einen positiven Ausgang seines Asylverfahrens. Abgeschoben nach Teheran, könne er womöglich nicht mal unbehelligt den Flughafen verlassen, fürchtet seine Helferin. Doch es sei eben schwierig, die Bedrohung zu dokumentieren, zumal, ohne wiederum andere zu gefährden. Zudem könne die iranische Geheimpolizei auch hierzulande ihre Spitzel haben.
Unterdessen laufen die Bemühungen, dass der Mann sein Studium in Bielefeld fortsetzen kann. Mit diesem Anliegen sei sie den zuständigen Stellen schon "auf den Wecker gegangen", so Körkemeier.
Jahangirian, der an vier Tagen in der Woche einen Deutschkursus besucht und auch an einem Buch schreibt, freut sich, die Unruhe in der wenig Privatsphäre erlaubenden Flüchtlingsunterkunft mit der Ruhe für schöpferische Arbeit in einer eigenen kleinen Wohnung tauschen zu können.