Gütersloh

Gütersloher Wurstproduzent Marten steht vor dem Verkauf

Das Unternehmen soll künftig zur Böklunder "Zur Mühlen Gruppe" gehören

Ungewissheit bei Marten: Rund 300 Angestellte arbeiten in den zwei Werken der Blankemeyer-Gruppe. Sie wurden gestern von Betriebsrat und Geschäftsführung über die Verkaufsabsichten ihrer Gesellschafter informiert. | © Michael Schuh

03.05.2017 | 03.05.2017, 11:18
Vogt und Wolf: Auch das zweite Werk der Gruppe an der Herzebrocker Straße steht vor dem Verkauf. - © Michael Schuh
Vogt und Wolf: Auch das zweite Werk der Gruppe an der Herzebrocker Straße steht vor dem Verkauf. | © Michael Schuh

Gütersloh. Die Nachricht kam zur Mittagszeit: Geschäftsführung und Betriebsrat informierten die rund 300 Mitarbeiter der Wurst produzierenden Blankemeyer-Gruppe am Dienstag, 2. Mai, über den Verkauf des Unternehmens an die "Zur Mühlen Gruppe" mit Sitz in Böklund. Betroffen sind die Marten Vertriebs GmbH und Co. KG an der Bismarckstraße und die Vogt & Wolf GmbH an der Herzebrocker Straße in Gütersloh.

Noch muss das Kartellamt dem Verkauf der beiden Wurstproduzenten zustimmen. Über die Kaufmodalitäten wurde zwischen den Parteien deshalb Stillschweigen vereinbart. Auch der langjährige geschäftsführende Gesellschafter der Blankemeyer-Gruppe, Harald Peters, hielt sich am Telefon auf NW-Anfrage bedeckt. Nur so viel: "Unsere Mitarbeiter sind in einer Betriebsversammlung informiert worden." Und: Es sei geplant, dass er aus dem Unternehmen ausscheiden werde. "Aber noch stehen die abschließenden Entscheidungen auch dazu aus", sagte Peters.

Für Gaby Böhm, Geschäftsführerin der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten für den Bereich Bielefeld/Herford, kam die Verkaufsnachricht am Dienstag überraschend. "Auch die Mitarbeiter sind verunsichert, sorgen sich um ihre Arbeitsplätze. Das ist ja ganz klar", sagte sie der NW. Da es mit Blick auf die Kartellamtsentscheidung noch keine weiterführenden Informationen über mögliche Strukturveränderungen in den betroffenen Produktionsstätten gebe, werde die Belegschaft derzeit völlig im Ungewissen gelassen. "Viele der Beschäftigten arbeiten bereits ihr ganzes Leben bei Marten. Ich glaube nicht, dass auch nur ein Mitarbeiter in diesen Tagen ruhig schlafen wird", sagte Böhm.

Verkauf als Notbremse

Die Blankemeyer-Gruppe, die zuletzt fünf Gesellschaftern gehörte, ist laut NW-Informationen in schwierige wirtschaftliche Fahrwasser geraten und hat mit dem Verkauf die Notbremse gezogen. Der Sprecher der "Zur Mühlen Gruppe", Markus Eicher, wollte sich zu den Beweggründen der Gesellschafter zwar nicht äußern, verwies aber auf den anhaltend schwierigen Markt sowie den harten Wettbewerb in Deutschland. "Das stellt alle Fleisch- und Wurstwarenhersteller vor große Herausforderungen im Hinblick auf Produktionsbedingungen, Kostenstrukturen und Vertriebsmöglichkeiten." Daher habe sich Marten entschieden, das Unternehmen im Verbund mit der "Zur Mühlen Gruppe" neu auszurichten.

"Mögliche Maßnahmen, notwendige Veränderungen wie auch ein Investitionsplan werden nach Zustimmung durch die Kartellbehörden auf Grundlage weitergehender Analysen im Unternehmen entwickelt und dann vorgestellt", sagte Eicher.

Die Gütersloher Traditionsmarke Marten besteht seit über 150 Jahren. Das Unternehmen ist deutschlandweit bekannt als Hersteller für Rohwurst, Koch- und Brühwurst sowie Schinken für SB-Sortimente und Bedienungsware. Aktuell erwirtschaften insgesamt rund 300 Mitarbeiter einen Umsatz von circa 45 Millionen Euro pro Jahr.

Die "Zur Mühlen Gruppe" ist eines der führenden Unternehmen der Fleisch- und Wurstbranche in Europa. Zu ihr gehören die beliebtesten Wurstmarken Böklunder, Könecke, Redlefsen, Schulte und Plumrose. In Deutschland ist laut der GfK-Marktforschung die Unternehmensgruppe die Nr. 1 im SB-Wurst- und Wurstkonserven-Markt und hält einen Marktanteil von 22 Prozent. Mit über 3.000 Mitarbeitern produziert die Gruppe jährlich mehr als zwei Milliarden Verbraucherverpackungen.

Marten ist nicht der einzige Wurstproduzent, der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. In der vergangenen Woche musste die August Strothlücke GmbH & Co. KG in Verl Insolvenz anmelden. Betroffen hier: 168 Mitarbeiter.

INFORMATION


Ein Handwerksbetrieb der ersten Stunde

  • Der Metzger und Kolonialwarenhändler J. F. Marten gründet 1855 das Unternehmen als Handwerksbetrieb der ersten Stunde.
  • 1928 wird der Betrieb von den Brüdern Fritz und Franz Blankemeyer erworben. Die Gütersloher Fleischwarenfabrik J.F. Marten GmbH entsteht.
  • Der Umzug nach Gütersloh markiert den Grundstein für das Großunternehmen. Neben dem Inland beackern die jungen Inhaber bald auch das Ausland: In tropensicherer Verpackung gehen westfälischer Schinken und Dauerwurst fast um die ganze Welt.
  • Der Neuaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg bringt den endgültigen Durchbruch: die Belegschaft wächst stetig, modernere Technik wird nötig, ein Kühlraum entsteht.