
Gütersloh. Die Freizeit sinnvoll nutzen und dabei möglichst etwas Gutes tun - aber wie? Godfried Müller kam die Idee, beim Gütersloher Tierheim einen Hund abzuholen, der ansonsten viel Zeit im Zwinger verbringt, und mit ihm Gassi zu gehen. Eine Win-win-Situation sozusagen: Der Mensch kommt an die frische Luft und auch der Vierbeiner erlebt ein, zwei abwechslungsreiche Stunden.
Am Tierheim angekommen, staunte Müller allerdings nicht schlecht: Mal eben einen Hund anleinen und dann raus in die Natur - das war einmal. Da der Gütersloher weder Mitglied im hiesigen Tierschutzverein noch Besitzer eines Hunde-Führerscheins ist, wurde es nichts mit dem Spaziergang auf zwei Füßen und vier Pfoten.
"Früher war es tatsächlich so, dass jeder ab 16 Jahre bei uns vorbeikommen, kurz einen Bogen ausfüllen und dann mit einem Hund spazierengehen konnte", sagt Tierheim-Mitarbeiter Aaron Breukel, "doch das geht heute nicht mehr." Aus Versicherungsgründen habe man von diesem lockeren Prozedere abrücken müssen: "Wo Menschen und Hunde zusammentreffen, kann immer mal etwas passieren. Das muss ja keine Bissverletzung sein - es reicht schon, wenn sich jemand den Fuß verknackst."
Automatischer Versicherungsschutz für Vereinsmitglieder
Für solche Fälle sei das Tierheim zwar versichert - aber eben nur unter bestimmten Voraussetzungen. Bei einer Mitgliedschaft im Tierschutzverein Gütersloh seien diese automatisch erfüllt, beim Einmal-Gassi-Geher indes nicht. Und dem Tierschutzverein sei es schlichtweg nicht möglich, diese jedes Mal aufs Neue bei der Versicherung anzumelden. "Deshalb haben auch wir auf das neue System umgestellt", erläutert Breukel, "als eines der letzten Tierheime in der Region."
Doch das ist nicht die einzige Änderung gegenüber früheren Zeiten. Denn wer im Heim In der Worth einen Vierbeiner zum Spaziergang abholt, muss über einen Sachkundenachweis - im Volksmund auch "Hunde-Führerschein" genannt - verfügen. Sonst geht nichts. "Die meisten unserer rund 30 Hunde sind Problemhunde oder Langzeitinsassen, einige bis zu 75 Zentimeter groß. Die eignen sich einfach nicht fürs erste Gassigehen", stellt Breukel klar.
Zudem sei ein Sachkundenachweis für Hunde, die mindestens 20 Kilogramm schwer oder 40 Zentimeter groß seien, sowie für bestimmte Rassen in Nordrhein-Westfalen vorgeschrieben. "Deshalb bieten wir etwa einmal pro Monat eine 45-minütige Einführungsveranstaltung an, in denen die Hunde vorgestellt sowie Verhaltens- und Benimmregeln erläutert werden", fährt der Tierpfleger fort. Außerdem gibt es regelmäßig Termine, an denen der Nachweis erlangt werden kann.
Hunde brauchen erfahrene Gassigänger
Doch nicht nur rechtliche oder versicherungstechnische Vorgaben veranlassten die Tierschützer, neue Regeln zu erstellen. Vielmehr seien in der Vergangenheit laut Breukel immer mal wieder Probleme aufgetreten: "Es ist natürlich nett gemeint, wenn eine Großfamilie mit einem Hund spazieren gehen möchte. Aber für viele der Tiere sind Kinder zu hektisch - sie sind das nicht gewöhnt. So kann es passieren, dass die bisherige Arbeit mit den Hunden unabsichtlich kaputt gemacht wird." Denn für sämtliche Tiere stehe ja ein Ziel im Vordergrund: "Auf Dauer sollen sie alle ein neues Zuhause finden."
Ins gleich Horn stößt sein Kollege Sven Kirchhoff, der In der Worth ebenfalls für die Betreuung der Vierbeiner verantwortlich zeichnet. "Wir sprechen über Hunde, von denen sehr viele bereits negative Erfahrungen gemacht haben. Da kann es schnell passieren, dass es Ärger mit einem anderen Hund gibt oder sich ein Tier losreißt und auf die Straße läuft."
Deshalb dürften ausschließlich Personen über 16 Jahre die Tiere an der Leine führen. Diese Bestimmung habe zwar schon früher gegolten, sei aber längst nicht immer eingehalten worden, weiß Breukel: "Es kam durchaus vor, dass Eltern mit dem Hund hier losgingen und die Leine an der nächsten Ecke ihren Kindern in die Hand drückten. Und das ist unverantwortlich."