Gütersloh. Bei den derzeitigen Minusgraden freut man sich, abends die warme Wohnung zu betreten und die Heizung notfalls sogar noch ein bisschen höher drehen zu können. Aber nicht jeder Gütersloher lebt in einer Mietwohnung oder besitzt gar ein eigenes Heim - auch in der Dalkestadt gibt es Obdachlose. Für diese Menschen bedeuten die momentanen Temperaturen eigentlich eine Gefahr für Leib und Leben. Doch in Gütersloh gibt es Alternativen zum Leben auf der Straße.
"Hier muss niemand bei der Kälte draußen schlafen", weiß Volker Heinrich, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Diakonie Gütersloh. "Die Stadt kommt ihrer Unterbringungspflicht gewissenhaft nach." In Zahlen bedeutet das: Gütersloh betreibt 16 Häuser, in denen Obdachlose ein Dach über dem Kopf haben; fünf davon sind Gemeinschaftsunterkünfte, bei den elf weiteren handelt es sich um abgeschlossene Wohneinheiten, in denen beispielsweise Familien untergebracht werden. Insgesamt bieten diese Einrichtungen 130 Plätze, von denen zur Zeit rund 100 belegt sind.
Während die meisten Obdachlosen längere Zeit in den Unterkünften leben, ist die Fluktuation in der oft "Wärmestube" genannten Unterkunft an der Lindenstraße größer: Dort nächtigen vor allem Durchreisende, die meist nach wenigen Tagen ihr Bündel wieder schnüren.
Die Angebote würden gut angenommen, fährt Heinrich fort: "Die Anzahl der Menschen, die Unterkünfte meiden, ist marginal. Mir ist im Moment niemand bekannt, der draußen schläft." Zwar gebe es auch in Gütersloh Obdachlose, die nicht in einer städtischen Unterkunft schlafen möchten, doch handele es sich dabei vor allem um junge Leute: "Die haben meist wesentlich mehr Kontakte als Ältere und kommen bei Freunden oder Bekannten unter."
Die Diakonie bietet im Bereich betreutes Wohnen 17 Plätze in Wohngemeinschaften speziell für Obdachlose an, wobei keineswegs nur eine reine Unterbringung angepeilt wird. "Den Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden, wieder vorwärts zu kommen", sagt Heinrich. Ganz am Anfang stehe die materielle Existenzsicherung; wenn jemand beispielsweise keine Postadresse besitze, könne er auch keine Sozialleistungen empfangen: "In solchen Fällen sorgen wir dafür, dass der Betroffene postalisch über die Diakonie erreichbar ist."
Die Angebote der Diakonie richten sich allerdings nach dem Selbsthilfeprinzip, erläutert der Leiter der Wohnungslosenhilfe: "Wir gehen zunächst davon aus, dass bei den Menschen noch genügend Wille da ist, aus ihrer jetzigen Situation herauszukommen." Bei der Problembewältigung stünden den Obdachlosen bei Bedarf zwar Ärzte, Psychologen oder ein Schuldnerberater zur Seite, doch es würden auch Anforderungen gestellt; zum Beispiel würde anfangs herausgefunden, welche Aufgaben jemand bis zu einem bestimmten Datum selbst erledigen kann.
Bei den Gütersloher Obdachlosen handele es sich übrigens zu über 80 Prozent um Männer. Dafür nennt Heinrich mehrere Gründe: "Frauen verfügen meist über ein besseres Krisenmanagement und nehmen auch schneller und konsequenter Hilfe an. Männer hingegen lassen schneller die Flügel hängen."
Auch Wolfgang Lakämper vom städtischen Fachbereich Familie und Soziales, weiß, warum in Gütersloh normalerweise niemand auf einem Lüftungsschacht schläft: "Wer hier Hilfe benötigt, bekommt sie auch." Ziel sei eine Verselbstständigung dieser Menschen, die möglichst rasch eine eigene Wohnung beziehen sollten. Dass viele von ihnen aber länger in den Unterkünften leben, als es der Stadt eigentlich lieb ist, hänge auch mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt zusammen. Denn in Gütersloh gebe es nur wenig Wegzüge - für Menschen mit einem Schufa-Eintrag oder anderen Hindernissen sei es umso schwieriger, eine Wohnung zu finden.
Deshalb wirkten sich die eisigen Temperaturen auch nur geringfügig auf die städtischen Einrichtungen aus: "Bei den Dauerunterkünften merkt man kaum einen Unterschied, in der Lindenstraße schon eher."