Gütersloh

Der NW-Stadtteilcheck: Nordhorn – ein Stadtteil mit zwei Gesichtern

Das von der B 61 geteilte Quartier bekommt in den meisten Rubriken durchschnittliche Noten. Doch es gibt sowohl positive als auch negative Ausreißer

17.07.2016 | 18.07.2016, 11:02
Mutig: Dirk Ködding (links), Leiter der Grundschule Neißeweg, und Pfarrer Hans-Jörg Rosenstock auf dem 10-Meter-Turm des Nordbads. - © Patrick Menzel
Mutig: Dirk Ködding (links), Leiter der Grundschule Neißeweg, und Pfarrer Hans-Jörg Rosenstock auf dem 10-Meter-Turm des Nordbads. | © Patrick Menzel

Gütersloh. Wo fängt Nordhorn an - und wo genau hört es auf? Eine Frage, die selbst alteingesessene Anwohner nicht exakt beantworten können. Eines jedoch steht fest: Der Stadtteil erstreckt sich auf beiden Seiten der Bundesstraße 61, die seit jeher eine wichtige Rolle für das Gebiet spielt - auch wenn der Verkehrsweg in der Vergangenheit noch anders hieß. Bereits 1817 wurde die damalige Provinzialstraße, ein wichtiger Handelsweg von Köln nach Minden, gepflastert. Dieser historische Fakt wirkt offensichtlich bis heute nach: Ausgerechnet in der Rubrik "Verkehrsanbindung" geben die Nordhorner ihrem Stadtteil die beste Note.

Nordhorn besitzt zwei Gesichter, wobei - wie könnte es anders sein - die Bundesstraße auch hier eine Art Grenze bildet: Während auf der nördlichen Seite Wohnbebauung vorherrscht, wird die südöstliche Region vor allem von Industrie geprägt. Zu den dort ansässigen Firmen gehört mit Miele ein Weltkonzern.

Insgesamt bewerten die Nordhorner ihr Quartier in puncto Lebensqualität leicht unterdurchschnittlich. Aber Hand aufs Herz: Der Wert 7,4 kann sich immer noch sehen lassen.

Ortsteil Nordhorn | © Verena Hasken
Ortsteil Nordhorn | © Verena Hasken

Was fällt positiv auf?

  • Verkehrsanbindung: Die Nordhorner sind überaus zufrieden mit der Anbindung ihres Stadtteils, wie die gute Bewertung mit der Note 7,6 zeigt. Gerade auf der Kahlertstraße, einer zentralen Verkehrsader, sind regelmäßig Busse unterwegs; mit dem eigenen Auto können weite Bereiche des Quartiers über große Straßen wie die B 61, den Stadtring Nordhorn oder die Carl-Bertelsmann-Straße angefahren werden. Radwege gibt es ebenfalls reichlich; seit vergangenem Jahr ermuntern Piktogramme die Radler auf der Kahlertstraße, statt des Radwegs die Fahrbahn zu benutzen. So sollen Unfälle vermieden werden.Sportangebote: 7,3 - ein hervorragender Wert angesichts einer Gütersloher Durchschnittsnote von nur 6,6. Das hat gute Gründe: In Nordhorn befindet sich mit dem Nordbad nicht nur ein interessantes Angebot für Schwimmer, sondern mit dem Leichtathletikzentrum (LAZ) auch ein Tummelplatz für Liebhaber anderer Sportarten. Auf der großen Wiese, die an das LAZ angrenzt, frönen Fußballer ihrem Hobby. Gleich mehrere Schulen nennen Sporthallen ihr eigen: Unter anderem die Hauptschule Nord eine Dreifach- und die Blücherschule eine Zweifach-Halle.
  • Verkehrsbelastung: Zwar wird vor allem das Industriegebiet von Lkw angesteuert, aber insgesamt sieht sich der Nordhorner vom Autolärm weniger belästigt als der Durchschnitts-Gütersloher. Das liegt vermutlich auch daran, dass sich der Verkehr in erster Linie auf den Hauptstraßen abspielt, während es in den Wohngebieten ruhiger zugeht.
  • Seelsorge: Zufrieden zeigen sich die Nordhorner mit der Seelsorge, was eine ordentliche Durchschnittsnote von 6,9 widerspiegelt. "Wir haben zwei volle Pfarrstellen für den Bereich Nordhorn/Blankenhagen", sagt Hans-Jörg Rosenstock, Pfarrer der evangelischen Kirche "Zum Guten Hirten", "unser Angebot ist gut." So gibt es regelmäßig Familiensonntage, während sich das Gemeindezentrum auch unter der Woche als Treffpunkt erweist. Für die Nordhorner Protestanten zeichnet zudem die Erlöserkirche verantwortlich.

Zwar gibt es in Nordhorn ebenfalls zwei katholische Gemeinden, doch präsentiert sich die Situation hier etwas komplizierter: Die Gemeinde "Heilige Familie", die ihren Sitz am Blankenhagener Weg hat und für die Gläubigen in Blankenhagen und im Nordhorner Norden zuständig ist, hat momentan keinen eigenen Pfarrer. Bei den Gottesdiensten wechseln sich deshalb Geistliche ab. Außerdem gibt es auf der anderen Seite der B 61 die Christ-König-Kirche, aufgrund der Lage auch "Miele-Kirche" genannt.

  • Kinderbetreuung: Ein leichter Mangel an Kita-Plätzen könnte für die durchschnittliche Benotung gesorgt haben. Die Ganztags-Versorgung in den Grundschulen sei hingegen sehr gut, sagt Dirk Ködding, Leiter der Grundschule Neißeweg. Da viele Eltern dieses Angebot für ihre Kinder in Anspruch nähmen, gebe es eher ein räumliches Problem. An der Europaschule Nordhorn verbringen sogar alle 300 Kinder den gesamten Tag gemeinsam.

Was fällt negativ auf?

  • Medizinische Versorgung: Offenbar ein wunder Punkt, was auch Pfarrer Rosenstock bestätigt: "Da haben wir ein Problem. Hier gibt es weniger Hausärzte als wir bräuchten." Einer der Allgemeinmediziner hat das Gebiet in der jüngeren Vergangenheit ebenso verlassen wie ein Kinderarzt. Da Spezialisten Mangelware sind und sich medizinisch mittlerweile ohnehin vieles in den Krankenhäusern abspielt, muss der Nordhorner seinen Stadtteil für einen Arztbesuch oftmals verlassen.
  • Familienfreundlichkeit: Dass Nordhorn in der Kategorie "Familienfreundlichkeit" leicht unter dem Gütersloher Durchschnitt liegt, können Hans-Jörg Rosenstock und Dirk Ködding nicht so recht nachvollziehen. Beispielsweise im Bereich Spielplätze sei man doch gut aufgestellt - unter anderem aufgrund der Angebote an der Ahornallee oder in Mohns Park, wo es sogar einen Wasser- und Matschspielplatz gibt. Hinzu kommen das Nordbad und das neue Hallenbad nebenan, die gerade von Familien stark frequentiert werden. Auch die Schullandschaft sei in Ordnung: Fast alle Schulformen gebe es bereits, die bislang fehlende Oberstufe komme demnächst mit dem Bau der Gesamtschule Nord.
  • Seniorenangebote: Woran liegt´s, dass Nordhorn in diesem Punkt deutlich unter dem Gütersloher Durchschnittswert liegt? Vielleicht daran, dass sich das kulturelle Leben vornehmlich im Innenstadtbereich abspielt? Zumindest die beiden großen Kirchen bieten ein Programm für ältere Menschen an, zu dem die Frauenhilfe oder Gymnastik- und Tanzkurse gehören. Den geplanten Bau einer Gesamtschule im Gütersloher Norden sieht Dirk Ködding als Chance: Da es kein Familienzentrum gebe, könne im Zuge des Projekts auch etwas Generationenübergreifendes geschaffen werden. Pfarrer Rosenstock weiß außerdem, dass sich die Senioren mehr Bänke im öffentlichen Raum wünschten - um beim Spaziergang problemlos ein Päuschen einlegen zu können.
  • Grünflächen: Der Wert 7,5 ist der höchste, den die Nordhorner vergaben - und trotzdem liegt er unter dem städtischen Schnitt. Vielleicht ist ja das Industriegebiet der Grund dafür, dass es sich die Anwohner grüner wünschen. Nahe der Gewerbezone wurde 2010 die Grün- und Freizeitsportfläche an der Schlingbreede eröffnet. Außerdem gibt es rund um das Quartier zahlreiche Felder und Bauernhöfe und Mohns Park mit diversen Freizeitangeboten.

Fluch und Segen der Provinzialstraße und der Eisenbahn

  • Was haben Nordhorn und das einst selbstständige Rheda gemeinsam? Ganz einfach: Beide wurden erstmals im Jahr 1088 urkundlich erwähnt. Damit ist Nordhorn einer der ältesten Gütersloher Stadtteile.
  • Die früheste schriftliche Nennung Nordhorns findet sich in der Herzebrocker Heberolle, einem Abgabeverzeichnis für das Kloster Herzebrock – wenngleich der Eigenname damals noch „northornon" lautete. Wahrscheinlich bezieht sich die Bezeichnung auf die Lage im nördlichsten Teil der Herrschaft Rheda.
  • Der Name übertrug sich auf den größten Hof der Bauernschaft, den „Meier Nordhorn", der sich dort befand, wo heute das Nordbad zum Schwimmen einlädt. Ab 1843 bildeten die Bauernschaften Nordhorn, Sundern, Blankenhagen und Pavenstädt gemeinsam das Amt Gütersloh; 1910 wurde diese Landgemeinde Teil der Stadtgemeinde Gütersloh.
  • Nicht nur die Straße von Köln nach Minden, sondern später auch die 1847 eröffnete Strecke der Köln-Mindener Eisenbahn zerschnitten das Gebiet allerdings in zwei Teile. Dadurch ist auch das Stadtteil-Bewusstsein nicht so ausgeprägt wie in anderen Gütersloher Quartieren.
  • Die gute Verkehrsanbindung sorgte andererseits dafür, dass sich zunehmend Handwerks- und Industriebetriebe ansiedelten, darunter die Seidenweberei Gebr. Bartels im Jahre 1887 und die Firma Miele (1907).
  • Seit den 1980er Jahren hat das Industriegebiet entlang der B 61 weiter an Größe und Bedeutung zugenommen.