Gütersloh. Diese Herren ähneln sich sehr: Beide sind fußballverrückt, bei beiden schlägt das Herz für die türkische Nationalmannschaft. Somit sind es nur zwei Buchstaben, die den Unterschied zwischen Fatih Terim und Fatih Tekin, die sich tatsächlich schon einmal über den Weg gelaufen sind, ausmachen. Nun ja, abgesehen davon, dass Erstgenannter Nationaltrainer ist, während sich Tekin beim B-Ligisten Türkgücü Gütersloh engagiert. Aber das sind kaum mehr als Kleinigkeiten.
Fatih Tekins Eltern stammen aus einem zu Ankara gehörenden Ort mit dem schönen Namen Sereflikoçhisar, den sie 1967 mit seinen beiden älteren Brüdern in Richtung Dänemark verließen, da der Vater dort Arbeit gefunden hatte. Der Aufenthalt sollte allerdings nicht von langer Dauer sein, denn schon bald zog das Quartett ins hessische Dillenburg, wo Fatih das Licht der Welt erblickte. Wenngleich es sich bei dem Aufenthalt ebenfalls nur um ein Intermezzo handelte und sich der 45-Jährige nicht mehr daran erinnern kann, ist er in gewisser Weise doch stolz auf die Zeit in Hessen: "Ich war der erste in Dillenburg geborene Türke - dafür bekamen meine Eltern eine Urkunde."
Wenig später - Fatih war noch ein Baby - fanden die Tekins schließlich im westfälischen Hagen auf Dauer eine neue Heimat. Dort entwickelte der Junge zwei Leidenschaften, die ihm heute noch viel bedeuten: Das Lernen des Korans und der Sport. Bei dem körperlichen Hobby tanzte er anfangs noch auf mehreren Hochzeiten: "Ich habe Tischtennis gespielt, Kampfsport betrieben und war im Fußballverein." Das, befand sein Vater, sei dann doch ein bisschen viel, worauf sich der Sohn für einen Sport entscheiden musste. Er blieb dem Fußball treu.
Als treffsicherer Stürmer sorgte er im Juniorenbereich dafür, dass seine Mannschaft gleich in mehreren Altersklassen den Meistertitel holte, und auch im Seniorenbereich hatte Tekin ausreichend Zielwasser getrunken. Er trug als Erwachsener jedoch nicht lange das Trikot des Hagener Vereins, denn nach Gesprächen mit seinem in Gütersloh lebenden Schwiegervater zogen Tekin und seine Frau nach Ostwestfalen. Der damals 20-Jährige arbeitete zunächst bei einer Metallfirma, wechselte dann zu einem Türenwerk, bedruckte anschließend bei Bertelsmann CDs sowie DVDs und ist seit drei Jahren wieder in der Metallbranche tätig. "Daran sieht man, wie vielseitig und lernfähig ich bin", sagt der 45-Jährige. "Über Metall, Holz und CDs bin ich jetzt wieder beim Metall gelandet."
Der Fortzug aus Hagen bedeutete für den Vater zweier Töchter aber keineswegs das Ende seiner Kickerkarriere. Von den frühen 90er Jahren bis 2008 schnürte er die Stiefel für Türkgücü Güterslohn - von Zwischenstationen bei Westfalia Wiedenbrück und dem portugiesischen Fußballverein mal abgesehen. In seiner Laufbahn war er Aktiver, Spielertrainer, Sportobmann sowie Jugendcoach, organisierte so manches Turnier und zeichnet als Mitglied als Vorsitzender des Türkisch-Deutschen Hilfs- und Kulturvereins mitverantwortlich dafür, dass zahlreiche Veranstaltungen auf die Beine gestellt wurden - unter anderem ein Benefizspiel für Somalia. Sein Einsatz wurde 2011 belohnt, als man Tekin den Ehrenamtspreis des DFB sowie des westfälischen Verbandes verlieh.
Obwohl er in Deutschland geboren wurde und hier auch seine Zukunft sieht, hat der 45-Jährige seine Wurzeln nie vergessen: "Ich gratuliere Türkgücü zum 40. Geburtstag und wünsche den Muslimen alles Gute für die Fastenzeit."
Zurück zum Fußball: Sollte die türkische Mannschaft die Vorrunde bei der Europameisterschaft überstehen, "dann kommt sie weit." Wenn nicht, drückt der Bayern-Fan der Löw-Elf die Daumen. Doch das soll nicht passieren: Tekin glaubt an eine Revanche für die türkische Niederlage bei der EM 2008 - und zwar im Finale. "Diesmal gewinnt die Türkei das Spiel mit 3:2."
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