Gütersloh

NW-Aktion "Ein Tag für Andere": Lokalchef Jens Ostrowski hilft in der Gütersloher Suppenküche aus

Der Blick über den Tellerrand

29.02.2016 | 01.03.2016, 13:15
Geht's auch schneller? Jens Ostrowski an der Küchenmaschine. - © Marten Siegmann
Geht's auch schneller? Jens Ostrowski an der Küchenmaschine. | © Marten Siegmann

Gütersloh. In der Gütersloher Suppenküche gibt es keine Klassengesellschaften. Bis zu 500 Mahlzeiten gibt der Verein wöchentlich an Bedürftige aus. Auf Augenhöhe. Dafür sorgen 120 Ehrenamtliche um Vereinschefin Inge Rehbein. NW-Lokalchef Jens Ostrowski schaute dem Verein gestern nicht nur über die Schulter, sondern packte tatkräftig mit an - für die NW-weite Aktion "Ein Tag für andere".

9.35 Uhr: Die Ruhe vor dem Sturm

Ich bin zwar erst für zehn Uhr bestellt, somit schon etwas früher da - und doch zu spät: Im Untergeschoss der Gütersloher Suppenküche wird schon fleißig gewerkelt. In der Küche klappert Köchin Karin Kleinsteuber mit den Töpfen, im Ausgaberaum schälen Barbara, Maria und Susanna fleißig die Kartoffeln.

Im Einsatz: NW-Lokalchef Jens Ostrowski hat für die Aktion "Ein tag für andere" in der Gütersloher Suppenküche ausgeholfen. | © Marten Siegmann
Im Einsatz: NW-Lokalchef Jens Ostrowski hat für die Aktion "Ein tag für andere" in der Gütersloher Suppenküche ausgeholfen. | © Marten Siegmann

Für mich gibt es jetzt erst mal eine Einweisung durch Chefin Inge Rehbein. Kaffee statt Arbeit. Das geht ja gut los. Ich erfahre, dass heute Mittag bis zu 80 Personen erwartet werden - darunter nicht nur Obdachlose, sondern auch sozial schwache Menschen, die auf eine geschenkte Mahlzeit nicht verzichten können.

Und es gibt besondere Härtefälle wie Martin, der in einem Backsteingebäude auf einem Schrottplatz lebt, weder fließend Wasser noch Strom hat. "Er ist einer von drei Gästen, die einmal in der Woche bei uns duschen können", sagt Inge Rehbein. Die Hilfe der Suppenküche beschränkt sich nicht auf die Mahlzeiten. "Wir helfen überall, wo wir können."

9.55 Uhr: Anprobe

Drei Gänge: Nach dem Kartoffelpuffer und der Bohnensuppe gab es gestern zum Abschluss noch einen Schokopudding. - © Marten Siegmann
Drei Gänge: Nach dem Kartoffelpuffer und der Bohnensuppe gab es gestern zum Abschluss noch einen Schokopudding. | © Marten Siegmann

Als hätte Inge Rehbein morgens bei mir Mäuschen gespielt: Der blaue Überbinder - so nennt man die Schürze in der Gastronomie - passt farblich bestens zu meinem karierten Hemd. Zudem probiere ich eine schwarze Kochjacke mit Doppelleiste an. Optisch sehe ich schon mal aus wie der Chefkoch höchstpersönlich - und doch bin ich nur der Tagespraktikant.

10 Uhr: Schälen, schälen, schälen

Jetzt wird's ernst. Gleich werden meine fehlenden Küchenqualitäten auffallen. Maria bietet mir eine Auswahl an Schälern an - ich nehme einen, den ich von zu Hause kenne. Vor mir liegen gefühlte einhundert Kartoffeln.Neben den drei geübten Frauen komme ich mir wie im Schneckentempo vor.

"Jens, nimm' doch einen anderen Schäler, dann geht das auch schneller", sagt Maria. Nun also das moderne Modell. Und wirklich. Ich nehme von Kartoffel zu Kartoffel Geschwindigkeit auf - und bleibe im internen Schälranking doch auf dem letzten Platz zurück. Die Frauen sind einfach erfahrener.

Barbara erzählt von zwei Gästen, die unlängst barfuß zur Essensausgabe kamen. "Sie hatten einfach keine Schuhe. Da weiß man wieder, wie gut es einem selbst geht."

10.27 Uhr: Karotten statt Kartoffeln

Helfen in geselliger Runde: Zu zehnt wurde gestern die Mittagsspeisung vorbereitet. Insgesamt engagieren sich aber 120 Ehrenamtliche. - © Marten Siegmann
Helfen in geselliger Runde: Zu zehnt wurde gestern die Mittagsspeisung vorbereitet. Insgesamt engagieren sich aber 120 Ehrenamtliche. | © Marten Siegmann

In den ungeübten Oberarmen zwickt es schon leicht. Wir sind mittlerweile von den Kartoffeln zu den Karotten übergegangen. Was gibt es heute eigentlich? "Karottensuppe", schätzt Susanna, die seit vier Jahren zum Suppenküchenteam gehört.

Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, was eigentlich gekocht wird. "Das ist abhängig von den Zutaten, die wir gespendet bekommen - und entscheidet sich meistens erst am Tag der Ausgabe", erklärt Karin Kleinsteuber. Sie ist seit zehn Jahren die Küchenchefin und lüftet das Geheimnis: Heute gibt es Bohnensuppe und Kartoffelpuffer, zum Nachtisch wird Schokopudding serviert.

11.30 Uhr: Pause

Zeit zum Verschnaufen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Schicht treffen sich zu einem gemeinsamen Frühstück. Was hier verzehrt wird, bringen sie selbst mit. Die gespendeten Lebensmittel sind tabu. Da ist Inge Rehbein rigoros. "Es gab bei uns schon Fälle, in denen sich jemand in den Regalen bedienen wollte. Doch die Lebensmittel sind für die Bedürftigen, nicht für uns."

12.02 Uhr: Ab an die Küchenmaschine

Jetzt wird es laut. Ich darf die Möhren, die wir gerade noch geschält haben, zerkleinern. Bis vor kurzem mussten die Frauen diese Arbeit noch von Hand machen, mittlerweile gibt es eine moderne Küchenmaschine, die durch ihre Lautstärke allerdings sämtliche Gespräche unterbindet. Parallel dazu brät Köchin Karin schon die Kartoffelpuffer. Ich habe das Gefühl, ich bin den Damen nicht schnell genug und drücke die Karotten fester in die Küchenmaschine.

12.55 Uhr: Die Ruhe vor dem Sturm

Vor der Tür warten bereits die ersten Gäste. Geöffnet wird erst um 13 Uhr. Dass alles gesittet und diszipliniert zugeht, ist Inge Rehbein, die damals die Suppenküche gegründet hat, wichtig. "Es hat in 14 Jahren zwar schon Streit unter den Gästen gegeben, aber wir konnten noch immer eine Lösung finden. Es musste in der gesamten Zeit noch niemand des Hauses verwiesen werden", sagt sie stolz.

13 Uhr: Ansturm

Inge Rehbein wirft mich ins kalte Wasser. Ich bin heute der Mann, der das Essen verteilt. Kaum wird die Tür geöffnet, strömt die erste Welle von rund dreißig Gästen ins Innere: von Zwanzigjährigen bis hin zu Rentnern. Mit einer Kelle befülle ich jeden Teller, der rausgeht. "Nicht so voll", rät Maria. Und: "Etwas mehr von dem Dicken nehmen." Manch ein Gast ist so ausgehungert, dass er sich gleich vier Mal Nachschlag holt. Nicht wenige kommen und bedanken sich beim Team für das heutige leckere Essen. "Das sind die Situationen, in denen man etwas zurückbekommt", sagt Köchin Karin.

14.10 Uhr: Putzen

Nach jeder Mahlzeit wird der Ausgaberaum gründlich gereinigt. Fegen, Tische abwischen, Teller spülen. Obwohl ich nur vier Stunden lang mitgearbeitet habe, bin ich stehend k.o. Vor den Frauen und Männern, die dieses Arbeitspensum regelmäßig und ehrenamtlich absolvieren, muss ich den Hut ziehen. Und eine wichtige Erkenntnis nehme ich persönlich in die Redaktion mit: Man sollte sich viel häufiger in Erinnerung rufen, wie gut es einem selbst geht.



Mehr als eine Suppenküche

2002 noch als reine Suppenküche gegründet, bietet der Verein heute vielfältige Angebote für bedürftige Menschen an.

Im Erwachsenenbereich gibt es neben den Essensausgaben auch Sozialberatung, ärztliche Sprechstunden durch drei ehrenamtliche Ärzte, Duschmöglichkeiten für Obdachlose, gemeinsame Weihnachts- und Silvesterfeiern.

Im Kinderbereich werden unter anderem ärztliche und zahnärztliche Sprechstunden, Kindergruppen, Babyzeiten, Lernpatenschaften, Kochkurse, Schulfrühstücke und Ferienangebote organisiert.

Die Suppenküche hat sich im Laufe der Jahre zu einem gemeinnützigen Unternehmen mit acht Beschäftigten, 120 Ehrenamtlichen, zehn Lebensmittelsponsoren und 32 Fördermitgliedern entwickelt.

Der Verein ist auf Spenden angewiesen: Gütersloher Suppenküche e.V., Volksbank Gütersloh, IBAN: DE64 478601251 218260600