Gütersloh

Die NW-Gütersloh macht den Taxi-Test

Selbstversuch: Damit nachts keine leeren Busse durch Gütersloh fahren, bieten die Stadtwerke ihren Kunden Bestell-Taxen an. Weshalb NW-Reporter Kai Steinecke das Angebot nach seinem Test mit einer Vier benotet

Taxi statt Bus: Ein Taxi nach dem anderen hält nach 22 Uhr am Zentralen Omnibusbahnhof in Gütersloh. Das Angebot der Stadtwerke für die Zeiten, in denen kein Bus mehr fährt, wird gut angenommen. | © kai steinecke

13.10.2015 | 13.10.2015, 10:07
Aufsteigende Kälte: Das angeforderte Taxi hat unseren NW-Reporter Kai Steinicke Samstagnacht einfach vergessen. - © kai .kai steinecke
Aufsteigende Kälte: Das angeforderte Taxi hat unseren NW-Reporter Kai Steinicke Samstagnacht einfach vergessen. | © kai .kai steinecke

Gütersloh. Bei Anruf Taxi: Wenn abends kein Bus mehr fährt, ist guter Rat teuer. Besonders bei Jugendlichen. Mit dem Anruf-Linien-Taxi und dem Anruf-Sammel-Taxi fangen die Stadtwerke die buslose Zeit bis 0.30 Uhr auf. Das neue System soll Kosten sparen und gleichzeitig Fahrgästen einen Mehrwert bieten - entweder zu den regulären Buspreisen oder aber mit einem geringen Aufpreis. Hört sich in der Theorie gut an. Aber bewährt sich das System auch in der Praxis? Für die NW testete ich beide Angebote auf Herz und Nieren.

Samstagabend. Die Digitaluhr in der Küche blinkt und zeigt 21:35 Uhr an. Freunde haben mich spontan gefragt, ob wir uns in der Stadt treffen wollen. "Klar unbedingt!" Doch ich weiß jetzt schon, dass es nicht bei einem Bier bleiben wird - eine Situation, die ich schon früher gehasst habe: Meine Freunde sind längst ins Gütersloher Nachtleben eingetaucht, ich will nachkommen, doch es fährt kein Bus mehr. Das Auto scheidet durch den Akoholgenuss aus, fürs Fahrrad ist es zu kalt.

Also: "Papa? Kannst du mich bringen", frage ich. Der winkt mir aber schon mit seinem eigenen Bier in der Hand zu. Na großartig! Wie komme ich denn jetzt aus Friedrichsdorf nach Gütersloh? Na gut - geben wir den Stadtwerken einen Chance. Die neuen Anruf-Linien-Taxen fahren ja bis 22 Uhr zum normalen Bus-Tarif. Wer googelt, der findet die nötigen Infos. Ich tippe die Nummer in mein Handy: 05231 - 977681. Warteschleife. Doch schneller als gedacht meldet sich ein freundlich klingender Mann am anderen Ende der Leitung. "ZOB", sage ich auf die Frage, wo ich denn hin wolle. Danach nenne ich ihm die Bushaltestelle, von der ich abgeholt werden möchte. "Natürlich", sagt der Servicemitarbeiter auf meine Frage, ob mein Studententicket für das Angebot gelte. Ansonsten müsste ich im Taxi noch ein Ticket erwerben, was sich aber nicht von dem normalen Buspreis unterscheidet. 22:05 wird das Taxi dann an der Haltestelle Großekathöfer sein. Und es ist wirklich pünktlich.

"Ich musste zwanzig Minuten am Telefon warten, erst dann ging jemand dran"

"Stoooopp!", rufe ich instinktiv, als das Taxi erst an mir vorbeisaust. Es gibt halt immer zwei Haltestellen. Ich winke mit dem Licht meines Handys und den Taxifahrer bemerkt mich - ich schätze ihn auf 35, er hat eine Kranzfrisur und Drei-Tage-Bart. Er lacht als ich den Wagen steige: "Das passiert öfters", meint er schmunzelnd. Bevor wir losfahren, durchforstet der Fahrer erst noch sein System. "Ich schaue, wen ich auf dem Weg noch mitnehmen kann." Also funktioniert das Taxi wirklich wie ein Bus. Ein paar Haltestellen später steigt eine dunkelhaarige Frau zu - weiter geht?s Richtung Innenstadt. "Und das System funktioniert", denke ich laut vor mich hin. "Naja", sagt der Taxifahrer: "Mit dem neuen Plan gerät manchmal noch viel durcheinander - und ich bekomme Fahrten angezeigt, die gar nicht existieren." Die Frau stimmt nickend zu: "Ich musste zwanzig Minuten am Telefon warten, erst dann ging jemand dran."

Am ZOB angekommen muss ich tatsächlich nichts bezahlen, dass machen schon die Stadtwerke Gütersloh. Die Taxiunternehmen erhalten einen Kilometerpauschale für jede Fahrt. Die Stadtwerke sparen den Einsatz eines Busses für zwei Personen - eine Win-Win-Situation. Anschließend fällt mir ein, dass mein Ticket wird gar nicht überprüft wurde. Meine Aussage, dass ich gültiges Ticket besitze, genügt dem Fahrer offenbar.

Jeder siebte Fahrgast, der ein Taxi bestellt hat, taucht am Treffpunkt gar nicht auf

Es folgt ein genügsamer Abend in der Weberei. Es ist doch immer wieder schön, mit den Freunden die gute alte Zeit noch einmal aufleben zu lassen. Als der Abend langsam zu Ende geht, wähle ich die Hotline erneut - diesmal um ein Anruf-Sammel-Taxi zu bestellen. Es ist kurz nach 23 Uhr. Schnell geht jemand ran. "In 60 Minuten ist das Taxi dann am ZOB", spricht die Frau energisch in den Hörer. Anscheinend erwartet sie Widerworte. Verständlich, denn auf der Webseite der Stadtwerke ist von 30 Minuten die Rede. Von 22 bis 0.30 Uhr sind diese Sammeltaxen unterwegs und kosten nur drei Euro Aufschlag zu den normalen Buskosten. Im Gegensatz zu den 23 Euro, die ich für eine normale Taxifahrt bezahlen müsste, ist das ein verdammt guter Kurs. Kurz nach 0 Uhr stehe ich am fast leer gefegten ZOB. Nur an der Haltestelle C1, von hier aus fahren alle Taxen los, stehen einige Personen. Mehrere Taxen fahren vor, Menschen steigen ein, fahren dann weiter. Es ist herrscht ein reges Kommen und Gehen. Das Angebot scheint beliebt zu sein. Mit jeder Sekunde freuen sich meine kalten Füße mehr auf mein Taxi. Doch es lässt auf sich warten. Ich werde ungeduldig, frage verschiedene Taxifahrer, die mir nicht weiterhelfen können. Dann bemerkt mich ein anderer Taxifahrer: "Bei mir ist gerade jemand nicht gekommen. Ich frage mal die Zentrale, ob ich dich mitnehmen kann." Er erklärt mir, dass meine ursprüngliche Fahrt anscheinend verwechselt wurde.
Information
Bei Anruf Taxi!


  • Am 5. Oktober stellten die Stadtwerke ihren Fahrplan um. Nach dem letzten Bus haben Fahrgäste die Möglichkeit, auf das Anruf-Linien-Taxi (ALT) beziehungsweise das Anruf Sammel-Taxi (AST) zurückzugreifen.
  • Das ALT fährt in weniger nachgefragten Zeiten, den sogenannten Schwachlastzeiten. Bewirkt werden soll somit, dass keine leeren Busse mehr durch Gütersloh fahren.
  • Genau wie ein Linienbus, fährt auch das ALT nach Fahrplan.
  • Für die Fahrt mit dem ALT gelten die regulären Tickets des Gemeinschaftstarifes des „Sechsers“ mit Ausnahme des Schulwegtickets. Es entstehen neben einem gültigen Ticket keine weiteren Kosten.
  • Neben dam Anruf-Linien-Taxi gibt es auch das Anruf-Sammel-Taxi. Es befördert von der Einstiegshaltestelle auf Wunsch im Umkreis von 500 Metern zur Zielhaltestelle bis vor die Haustür.
  • Für die Fahrt mit dem AST gelten die regulären Tickets zuzüglich eines Aufschlags von 3 Euro.
  • Das AST fährt täglich von 22.30 bis 0.30 Uhr und sonn- und feiertags von 8.30 bis 12.30 Uhr.
  • Sowohl das ALT als auch das AST fahren nur nach Vorbestellung. Die telefonische Anmeldung erfolgt 30 Minuten vor Abfahrt unter der Rufnummer 05231 – 977681.
  • Fahrtwünsche für Fahrten mit dem ALT und AST ab 23 Uhr sind spätestens bis 22 Uhr und Fahrten vor 8 Uhr spätestens bis 22 Uhr am Vortag anzumelden.

Seit der Umstellung des Fahrplans gebe es eben auch das ein oder andere Problem. Besonders ärgerlich: Der Taxifahrer schätzt, dass jeder siebte Fahrgast erst bestelle und dann gar nicht auftauche.

Da mein Wohnhaus im Umkreis von 500 Meter der Bushaltestelle Großekathöfer liegt, fährt mich der Fahrer bis vor die Tür. "Das macht dann drei Euro." Wahnsinn, so günstig Taxi fahren!

Mein Fazit: Die Idee der Stadtwerke ist klasse. Es wird den Menschen einfacher gemacht, günstig und sicher in die Stadt zu kommen. Unser Test hat allerdings ergeben, dass sich das ganze System wohl erst noch einspielen muss. In Schulnoten ausgedrückt bekommt die Fahrt am Wochenende von mir eine Vier. Denn hätte mich bei meiner Rückfahrt nicht ein aufmerksamer Taxifahrer bemerkt, wäre ich an der Haltestelle vermutlich als Eiszapfen geendet. Klar ist auch, dass sich das Angebot erst noch einpendeln muss - und dennoch müssen zugesagte Fahrten auch eingehalten werden. Das ist das A und O.