Gütersloh

Gütersloher Fachtagung zu Pflege im Alter

Pflegende Angehörige oft überfordert / Thema des Gerontopsychiatrischen Symposiums

Experten: Eva Trede-Kretzschmar (v. l.) und Sandra Zeitler aus Stuttgart, die Ärzte Heinz-Peter Kuhlmann und Bernd Meißnest, Burkhard Kankowski (Daheim) und Beraterin Nadia Kluge (DGB) nahmen am Gerontopsychiatrischen Symposium der LWL-Klinik teil. | © FOTO: ROLF BIRKHOLZ

23.04.2015 | 23.04.2015, 11:26

Gütersloh. Wenn es um die Pflege im Alter gehe, möchten die meisten gerne "ambulant vor stationär" versorgt werden. Das betonten auch Politiker, sagt Heinz-Peter Kuhlmann, Leiter der Gerontopsychiatrischen Ambulanz der LWL-Klinik. "Das ist in aller Munde." Doch könnten pflegende Familienmitglieder etwa bei Verhaltensauffälligkeiten überfordert sein. Leicht sei dann "Sand im Getriebe". So lautete auch das Motto des 20. Gütersloher Gerontopsychiatrischen Symposiums der Klinik.

Die rund 270 Teilnehmer in der Stadthalle widmeten sich in Fachvorträgen und Workshops dem Thema "Alte Menschen zwischen Ausgrenzung und Inklusion". Wenn die Kraft der Angehörigen nicht mehr reicht, bleiben oft nur das Heim oder auch die Hilfe ausländischer Pflegerinnen.

Als Leiterin des Stuttgarter Richard-Bürger-Hauses wendet sich Sandra Zeitler gegen die Vorstellung, "als wäre es ganz furchtbar", in ein Altenheim zu gehen. Auch ihrer Vorgängerin dort, Eva Trede-Kretzschmar, sieht das Heim als eine "gute Möglichkeit, das letzte Stück des Lebensweges" zu gehen. Sie wünscht, ein gut geführtes Heim "nicht als die letzte Möglichkeit meines Seins" zu betrachten, sondern als "akzeptierte Möglichkeit des Seins" zu verstehen.

"Billige Arbeitskräfte einkaufen"

Und auch Burkhard Kankowski, der als ehemaliger Mitarbeiter der LWL-Klinik Klaus Dörners Bemühungen um die "Auflösung aller Heime" miterlebt und getragen hat ("Ich bin beruflich erwachsen geworden unter Dörner"), weiß als Geschäftsführer des Daheim e. V.: "Es gibt auch gute Heime." Die Pflege im Alter, die großenteils in den Familien geleistet werde, sei auch eine Kostenfrage. Und: "Wir müssen die Bedingungen festlegen."

Das gilt auch für die ausländischen Pflegerinnen. Wenn es die Familien nicht mehr schafften, würden sie "billige Arbeitskräfte einkaufen", meist osteuropäische Frauen, so die Juristin Nadia Kluge von der Beratungsstelle "Faire Mobilität" des DGB in München. Diese oft nicht pflegerisch ausgebildeten Frauen übernähmen die Arbeit meist aus finanzieller Not und würden auch 24-Stunden-Bereitschaftsdienste gegen Entlohnung für acht Stunden klaglos ausführen.

Altenpflege nicht dem "freien Markt" überlassen

Laut Bernd Meißnest, dem Chefarzt der LWL-Klinik für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie, fühlen sich diese Frauen häufig "wie Sklavinnen", auch könne es zu Übergriffen seitens der etwa durch Demenz verwirrten Senioren kommen.
Information

Pflegestruktur

  • Es gibt 53 Hausgemeinschaften im Kreisgebiet, das ist laut dem Leiter der Gerontopsychiatrischen Ambulanz „einmalig in Deutschland“.
  • Auch gebe es fast in jedem Ort eine Tagespflege.
  • Dazu die Gerontopsychiatrische Ambulanz der LWL-Klinik. (rb)

Heinz-Peter Kuhlmann spricht von "ersten Ansätzen" in Gütersloh, solchen sonst isolierten Pflegerinnen eine Austauschmöglichkeit anzubieten. "Es ist eine kommunale und politische Verantwortung", die Altenpflege nicht dem "freien Markt" zu überlassen, sagt Bernd Meißnest. "Das funktioniert nicht."

In Kreis Gütersloh allerdings gebe es Besonderheiten, die sich über Jahre entwickelt hätten, erläutert der Arzt. Es werde darauf hin gearbeitet, dass jemand dort, wo er alt geworden sei, bei Bedarf auch Pflege bekomme. Das müsse nicht unbedingt in der eigenen Wohnung sein, aber doch möglichst im vertrauten Viertel.