Lost Place im Kreis Gütersloh: Was verbergen diese geheimnisvollen Relikte?

Borgholzhausen. Der Weg zum Blömkenberg hinauf ist an diesem Wintermittag noch ein bisschen abenteuerlicher als sonst. In der Nacht hat es erneut geschneit. Die Straße &bdquo;Am Blömkenberg" ist zwar geräumt, dennoch ist beim Aufstieg Vorsicht geboten. Die Wiesen sind weiß, Tannen und Bäume biegen sich unter der Schneelast. Während unten im Dorf bereits die Sonne durch die Wolken lugt, hat sich der Nebel vor den Berg geschoben, als wolle er ihn vor Eindringlingen schützen. Abseits der Straße wird es für den Spaziergänger, der ein verschollenes Bauwerk inspizieren möchte, mühselig. Tiefer nasser Boden gepaart mit vielen am Boden liegenden Ästen und Stämmen, die den Weg versperren. Schnell wird klar, ein Erkunden dieser Bergseite ist heute unmöglich. Damit bleibt ein verborgener Ort der Borgholzhausener Geschichte zumindest an diesem Tag und bei dieser Witterung noch ein bisschen länger verborgen. Zwischen dem letzten und vorletzten Haus am Blömkenberg, dort wo die Straße einen kleinen Knick macht und sich eine Parkbucht andeutet, liegt reichlich Piumer Historie. &bdquo;Die tiefen Mulden hier sind keineswegs natürlichen Ursprungs", erklärt Lokalhistoriker Carl-Heinz Beune: &bdquo;Dort standen früher die riesigen Kalköfen." Zwischen den beiden Mulden schlängelte sich damals ein Damm, auf dem die Pferdegespanne gefahren sind, um die Öfen entweder mit Kohle oder mit Steinen befüllen zu können. Am Blömkenberg unterhalb des Bönker’schen Steinbruchs Hinter dem Areal mit den Kalköfen - den Berg weiter hinauf und kurz vor der Kuppe, auf dem sich der Bönker’sche Steinbruch befindet - stoßen Wanderer bei besserem Wetter auf lange vergessene Relikte. Reste einer Mauer, mit Moos und Ranken überwuchert, sowie einen großen runden Stein. Der erinnert an einen Deckel, der auf einem umgekippten Fass sitzt. Er besitzt ein viereckiges Guckloch und verschließt scheinbar einen Stollen. Was beherbergten diese mysteriösen Steine früher? Ein Bergwerk? Oder einen unterirdischen Gang? Keineswegs. Wer hier aufgrund der Nähe zu den ehemaligen Kalköfen so etwas vermutet, liegt falsch. Denn dort, wo heute Fledermäuse ihre Behausung haben und ungestört leben, herrschte vor rund 150 Jahren hektische Betriebsamkeit. Allerdings nicht wegen des schweißtreibenden Abbaus von Kalksteinen, sondern wegen der Kunst, Bier zu brauen. Gastwirt Johann Friedrich Meyer zur Capellen (1825 bis 1889) errichtete im Jahre 1875 an eben dieser Stelle die Ravensberger Brauerei. Der Gründer stammte vom gleichnamigen Hof in Winkelshütten. Er war 1847 durch Heirat Eigentümer des Hotels Meyer zur Capellen in der Stadt geworden. Zwei Jahre später holte er seinen Bruder Heinrich als Bierbrauer und Teilhaber in den Betrieb. &bdquo;Ravensberger Brauerei" war die einzige im Altkreis Halle Dem Unternehmen war jedoch kein nachhaltiger Erfolg beschieden. Auch Heinrich hatte kein Fortune. Er wanderte kurze Zeit später nach Amerika aus und starb dort in St. Louis im Armenhaus. 1880 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht. 1882 versuchte es ein gewisser Heinrich Meyer erneut und investierte in eine neue Dampfkesselanlage. Aus seiner Zeit stammt auch ein Schwarz-Weiß-Foto - auf dem ist mit der Lupe der Schriftzug "Ravensberger Brauerei 1882" zu lesen. Auf dem Foto erkennt man die gesamte Anlage von 1882. Links das große Brauerei-Gebäude mit einer angrenzenden Scheune. Davor (schlecht sichtbar) das Kesselhaus und der Schornstein sowie der Stall für die Brauerei-Pferde. Hinter den Bierfässern stand der niedrige Eiskeller. Rechts im Hintergrund liegt der so genannte Felsenkeller, die in den Felsen gehauene Kellerei. Vor diesen Überresten steht der Wanderer, wenn er sich heute in den Blömkenberg aufmacht. Sonntägliches Ziel genussfroher Borgholzhausener Bürger 1887 wurde die Brauerei von Valentin Pfeiffer als Alleineigentümer übernommen. Sie bekam 1889 noch einen Dampfkessel. Ob sie sich zu einem Publikumsmagneten entwickelte und reichlich Menschen aus der Stadt anzog, ist historisch nicht genau überliefert. Allerdings gibt es aus dem Jahre 1951 einen Artikel, der von Pfeiffers Bierkeller in den höchsten Tönen schwärmt. Fiktion oder Wahrheit? Das wird sich nicht genau klären lassen. Auf jeden Fall könnte es genau so gewesen sein. &bdquo;Sehr beliebtes, grünes und schattiges Ausflugsziel - wo Valentin Pfeiffer ein feines, süffiges und starkes Bier braute und ausschenkte", heißt es dort in der Überschrift. Und weiter: &bdquo;Hoch am Blömkenberg lag also der Bierkeller, das geschätzte sonntägliche Ziel genussfroher Borgholzhausener Bürger und ihrer Familien, sowie der nach Erquickung lechzender Waldwanderer. Im Freien, unter hohen schattigen Buchen, standen lange Tisch- und Bankreihen, die auf soliden eingerahmten Pfählen ruhten und daher zuverlässig jeglicher Belastungsprobe standhielten. Herrlich war’s an schönen Sommertagen oben zu sitzen unter grünem Laubdach, angesichts unseres lieblichen Städtchens und der Wälder und Felder seiner malerischen Umgebung. Da verzischte der kühle Trunk, da mundete das original westfälische Schinkenbrot mit Stuten und Pumpernickel." Geblieben ist die Villa von Valentin Pfeiffer Allerdings waren Idylle und Erfolg der Piumer Brauerei auch dieses Mal nicht von langer Dauer. 1894 wurde sie endgültig eingestellt. &bdquo;Es war sicher ein mutiger Schritt, zu versuchen, dort oben und mit dem harten und kalkhaltigen Wasser Bier zu brauen. Zum Bierbrauen ist grundsätzlich weiches Wasser notwendig", fasst Carl-Heinz Beune zusammen. Vielleicht auch aus diesem Grund blieb Pfeiffers Bierkeller für mehr als 100 Jahre die einzige Brauerei im Altkreis Halle. Erst 2006 kam in Werther die Rotingdorfer Brauerei hinzu. Geblieben ist am Piumer Blömkenberg jedoch die Villa von Valentin Pfeiffer. Sie wird heute noch bewohnt und befindet sich in Privatbesitz.

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