Staatsanwaltschaft klagt Traktorfahrer und Bauer Bernd im Kreis Gütersloh an

Borgholzhausen. Mit dem Schreiben von der Staatsanwaltschaft Bielefeld sind plötzlich alle bösen Erinnerungen aus dem vergangenen Jahr wieder präsent. Am 28. Juli 2022 verunglückte auf dem Erlebnishof von Bauer Bernd Grewe in Borgholzhausen ein zwölf Jahre alter Junge tödlich. Er wurde von einem Gülle-Anhänger, den ein Traktor gezogen hatte, überrollt. Nun hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen den Betreiber des Hofes, Bauer Bernd, sowie gegen den Traktorfahrer (48) erhoben - und zwar jeweils wegen fahrlässiger Tötung. Was war vor gut neun Monaten geschehen? Um 11.41 Uhr am späten Vormittag des 28. Juli 2022 ging bei der Polizeileitstelle Gütersloh ein Notruf ein: &bdquo;Schwerer Unfall: Traktor überrollt Kind", hieß es kurz und knapp. Sofort brachen zahlreiche Polizisten, Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge auf. Wenig später folgte der Rettungshubschrauber. Noch ein wenig zeitversetzt wurden Mitarbeiter vom Malteser Hilfsdienst und des Deutschen Roten Kreuzes aktiviert. Sie sollten die Menschen vor Ort und die Angehörigen seelsorgerisch betreuen. Auch damit war es noch nicht getan. Gegen 13.30 Uhr trafen mehrere Spezialteams der Polizei am Unfallort ein, um den Unfallhergang zu recherchieren und aufzunehmen. Stand heute ist der genaue Tathergang allerdings nicht bis ins letzte Detail geklärt. Auch zahllose Zeugenvernehmungen und intensive Rekonstruktionen ließen noch einige Fragen offen, sagt Staatsanwalt Lars Herzog. Er listet auf: "Aus welcher Richtung kam der Junge? Saß er auf dem Traktor und wollte abspringen? Geriet er zu Fuß zwischen Trecker und Anhänger? Wollte er in dem Moment des Unfalls auf den Traktor aufspringen? Oder ist er bloß vor dem Traktor gestolpert?" Fakt bleibt: Der Zwölfjährige geriet unter einen Reifen des Anhängers und zog sich derart schwere Verletzungen zu, dass er noch an der Unfallstelle starb. Warum jetzt die Anklage? Laut Anklage hätte sich der Traktor mit dem Güllefass niemals während des vollen Betriebs zwischen den zahlreich spielenden Kinder aufhalten dürfen. Das Güllefass diente zur Bewässerung der Strecke für den "fliegenden Teppich”, einer der Hauptattraktionen auf dem Hof. Betreiber und Fahrer seien, so die Anklage, ihrer Sorgfaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Man hätte entsprechende Schutzvorkehrungen treffen müssen. Schließlich sei der Hof an dem Tag in den Schulferien und bei bestem Wetter überaus gut besucht gewesen. "Auch auf einem Spielerlebnishof sind Arbeitsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen notwendig", sagt Staatsanwalt Herzog. Der Betreiber, so die Anklage weiter, hätte seinen Mitarbeiter zwingend auf die besonderen Umstände an diesem Tag hinweisen und ihn vor dem Fahren einweisen müssen. Hier schwebt unausgesprochen die Frage mit: Warum ist der Traktor mit dem Gülle-Anhänger überhaupt zwischen den vielen spielenden Kindern über das Gelände gefahren? Des Weiteren hätte auch das verunglückte Kind seitens des Betreibers eingewiesen und über die Gefahren aufgeklärt werden müssen. Der Junge habe auf dem Hof regelmäßig im Mitarbeiter-Team mitgeholfen, zum Beispiel auch beim Wegräumen der Kettcars auf dem Gelände. Auch hier wäre eine Unterweisung Pflicht gewesen, die nicht erfolgt sei, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Traktorfahrer hatte keine Fahrerlaubnis Zweischneidig ist der Umstand, dass der Traktorfahrer zu dem Zeitpunkt des Unglücks keine gültige Fahrerlaubnis besaß. Dies habe, so die Staatsanwaltschaft, bei der Anklage nicht keine zentrale Rolle gespielt, weil sich der Erlebnishof auf einem Privatgrundstück befindet und nicht im "öffentlichen Raum". Allerdings sei festzuhalten, dass auch hier eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliege, da der Fahrer nicht adäquat ausgebildet sei, um an Tagen wie dem Unglückstag einen Traktor mit einem Gülle-Anhänger an vielen Kindern vorbei- oder zwischen ihnen hindurchzufahren. Wie geht es nun weiter? Die Anklageschriften sind den Beklagten mittlerweile zugestellt worden. Das Gericht prüft die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft und entscheidet dann, ob das Hauptverfahren gegen beide oder eventuell nur gegen einen eröffnet werden soll. Das Gericht muss abwägen, ob tatsächlich ein hinreichender Tatverdacht bestehe. Dabei geht es um die Frage: Konnten die tragischen Ereignisse so ablaufen, weil fahrlässig gehandelt wurde, oder war es eine schicksalhafte Abfolge von Ereignissen, die zu dem Tod des Jungen geführt hat? Diese Abwägung des Gerichts werde ein paar Wochen dauern. Der Strafrahmen in solchen Fällen ist weit gefasst. Er könne laut Staatsanwaltschaft zwischen einer Geldstrafe sowie einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren liegen. Entscheidend dabei sei, wie das Gericht über den Verstoß der Sorgfaltspflicht urteilt. Außerdem spiele das Vorstrafenregister der Angeklagten eine Rolle. Zumindest gegen den 48-jährigen Traktorfahrer sollen Vorstrafen registriert sein, was die Staatsanwaltschaft aber nicht weiter kommentieren wollte.

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