Bielefeld

Skurrile Ortsnamen: Korea in Jöllenbeck und Stieghorst

Sowohl im Osten als auch im Norden der Stadt gab es eher trostlose Wohngebiete, die als "Klein-Korea" bezeichnet wurden - obwohl hier nicht ein Koreaner lebte

Diese Ecke wurde einmal Klein-Korea genannt: Zwischen An den Gehren und Am Alten Dreisch ging es in den 50ern hoch her - der Spitzname war die Folge. | © Kurt Ehmke

23.07.2016 | 23.07.2016, 10:34

Bielefeld-Stieghorst. Dass sich der Zweite Weltkrieg auf Bielefeld auswirkte, ist so logisch, dass es kaum formuliert werden muss. Doch was hat Korea mit dem Zweiten Weltkrieg und mit Bielefeld zu tun? Und was bitte war der gefürchtete Klein-Korea-Club? Korea in Bielefeld - das gab es sogar gleich zwei Mal: in Stieghorst und in Jöllenbeck.

Rückblende: Der Zweite Weltkrieg hatte über Bielefeld Tod und Zerstörung gebracht. Mehrere große Luftangriffe musste die Stadt hinnehmen. Besonders große Schäden brachte der Luftangriff am 30. September 1944 mit sich. Weite Teile der Bielefelder Altstadt fielen in Schutt und Asche. Wohnraum wurde in großem Maße vernichtet. So bestand in der Nachkriegszeit die größte Herausforderung für die Behörden darin, Wohnraum zu schaffen.

Korea im Stadtbild: Einen realen koreanischen Akzent setzt heutzutage der Imbiss von Sung-Hwan Kim und Sung-Hee Yen nahe der Uni. Eine Rarität. - © Andreas Frücht
Korea im Stadtbild: Einen realen koreanischen Akzent setzt heutzutage der Imbiss von Sung-Hwan Kim und Sung-Hee Yen nahe der Uni. Eine Rarität. | © Andreas Frücht

"Klein-Korea" im Bielefelder Osten
Seit dem Anfang der 1950er bezeichnete der Bielefelder Volksmund mit dem Namen "Klein-Korea" die in der Nachkriegszeit aus dem Boden gestampften, schmucklosen Siedlungshäuser Am alten Dreisch und An den Gehren. Dort wurden in erster Linie sogenannte "Displaced Persons", kurz "DPs", untergebracht. Es handelte sich in aller Regel um Ausländer, die der Krieg nach Bielefeld verschlagen hatte, sei es durch Kriegsgefangenschaft oder auch auf dem Wege der Zwangsarbeit. Nicht wenige konnten oder wollten nicht mehr zurück in ihre Heimat, waren entwurzelt und wählten sich, mehr oder weniger freiwillig, Bielefeld als ihre zweite Heimat. Unter ihnen befanden sich Menschen vieler Nationen - nur nicht aus Korea. Offenbar galten vielmehr die Zustände in den Siedlungen dem, was sich Bielefelder unter Zuständen in Korea vorstellten.

Der Korea-Krieg
Der Koreakrieg war eine Auseinandersetzung zwischen Nordkorea und der Volksrepublik China auf der einen Seite und Südkorea mit Truppen der Vereinten Nationen, unter Führung der USA, auf der anderen Seite. Beide koreanischen Regime, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der sowjetischen und der amerikanischen Besatzungszone hervorgegangen waren, verstanden sich als einzig rechtmäßiger Nachfolger des 1910 von Japan annektierten Kaiserreichs Korea. Nordkorea wollte die Wiedervereinigung Koreas unter eigener Führung erzwingen. Als am 25. Juni 1950 nordkoreanische Truppen Südkorea angriffen, leisteten zunächst amerikanische Streitkräfte unter General MacArthur den südkoreanischen Truppen die erbetene Hilfe. Nachdem außerdem noch UN-Truppen unter seinen Befehl gestellt wurden, erweiterte sich der nationale Konflikt zum Krieg mit internationaler Beteiligung. Mit dem Eingreifen der USA und später Chinas wurde er ein Stellvertreterkrieg. Insbesondere in Deutschland löste der Konflikt Befürchtungen aus, er könne zu einem dritten Weltkrieg führen. 1953 endete der Krieg mit einem Waffenstillstand. Beide Länder sind nach wie vor geteilt.

Der "Klein-Korea-Club"
Der "Klein-Korea-Club (KKC)" gehörte vermutlich zu den ersten wirklichen Rocker-Clubs. Besonders in den 1970er Jahren machte er von sich reden. Mit schweren Motorrädern, Lederjacken und der unabdingbaren "Kutte" verschaffte er sich in der Regel großen Respekt. Dass dazu, neben der Anwendung körperlicher Gewalt, auch andere kriminelle Handlungen gehörten, davon wollten die Sprecher des Vereins nichts wissen. Viele Mitglieder des Clubs stammten aus diesem Stadtbereich, kamen aus Klein-Korea in Stieghorst.

"Klein-Korea" auch in Jöllenbeck
Interessanterweise gab es eine Siedlung mit der volksmundlichen Bezeichnung "Klein-Korea" auch in Jöllenbeck. Es handelte sich um eine ehemalige Barackensiedlung an der heutigen Westerengerstraße. Am 1. Oktober 1946 schloss die Gemeinde Niederjöllenbeck mit dem Eigentümer der bei der Firma "CA. Delius & Söhne" aufgestellten Baracken eine Nutzungsvereinbarung. Später kaufte die Gemeinde die Baracken für 2.750 D-Mark. 1951 versetzte sie die Baracken von dem Firmengelände auf ein von der Evangelischen Kirchengemeinde gepachtetes Grundstück an der Westerengerstraße. In einem Bericht des damaligen Landkreises Bielefeld von 1968 über die Baracken an der Westerengerstraße wurde der Gesamteindruck als "trost-los" bezeichnet - von daher sprach der Volksmund von "Klein-Korea".Ende November 1972 wurden die beiden letzten Baracken abgerissen. Damit war Klein-Korea im Norden der Stadt Geschichte.

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