Bielefeld. Googlen, Texte kopieren und einfügen - so schnell kann "geistiger Diebstahl" heutzutage begangen werden. Das wird als Plagiarismus bezeichnet. Diesem Vorwurf muss sich derzeit auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg stellen. Studenten der Universität Bielefeld können dies hingegen vermeiden. Das Computer-Kontrollprogramm "turn-it-in" (Deutsch: "reich es ein"), eine Datenbank zum Aufspüren von Plagiaten, verhindert den Wissensklau.
Der Aufwand, in akademischen Bereichen Plagiate anzufertigen, ist dank des Internets für Studenten einfacher geworden. Das sagt Niels Taubert, Doktor der Soziologie und Experte für turn-it-in. Doch auch die Kontrollmöglichkeiten für Dozenten haben sich deutlich verbessert, fügt er hinzu.
Als erste Hochschule in Deutschland hat die Universität Bielefeld 2003 das Programm eingeführt. Die amerikanische Software vergleicht eingereichte Arbeiten - die Verfasser bleiben anonym - mit allen elektronischen Dokumenten aus dem World-Wide-Web.
Zusätzlich speichert eine interne Datenbank bereits kontrollierte Texte von Nutzern und sucht auch da nach Übereinstimmungen im vorgelegten Dokument. Der Prüfvorgang dauert dabei nicht mal eine Stunde. Das System arbeitet mit einer Farbskala. Grün zeigt kaum Text-Übereinstimmungen. "Bei Rot sollten ganz schnell die Alarmglocken läuten", sagt Taubert.
Eine Doktorarbeit muss laut Taubert wissenschaftlich neue und originelle Ideen beinhalten. Das System vergleicht lediglich die Texte, bewertet aber nicht. Dafür sind die Lehrenden verantwortlich. Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen nicht ausreichend kenntlich gemachten Zitaten und absichtlichem Abschreiben.
Ist der Übeltäter ertappt, muss er mit Sanktionen rechnen. Im schlimmsten Fall ist die Prüfung nicht bestanden. Die Ausreden sind häufig die selben: Es wäre alles ja nicht so schlimm, weil nur ein kurzer Abschnitt übernommen wurden. Es gibt aber auch amüsantere Beispiele: "Meine Tante hat mitgeschrieben und kannte die Vorschriften nicht", berichtet Taubert von seinen Erfahrungen.
Unter den Studierenden ist der Fall Guttenberg auch ein Thema. "So etwas passiert in einer wissenschaftlichen Arbeit einfach nicht", sagt David Kraft, angehender Doktorand der Soziologie. Seit einem Jahr arbeitet er an der Universität Bielefeld an seiner Dissertation.
Thema: "Soziale Netzwerke im Kontext der Wissenschaft". Plagiate sind für ihn grundsätzlich ein schwieriges und auch relevantes Thema. Wer wissenschaftlich genau arbeite, müsse sich um eine ähnlich klingende Formulierung keine Sorgen machen.
Der Doktortitel spielt für den 29-Jährigen lediglich eine untergeordnete Rolle. Vielmehr steht für Kraft die wissenschaftliche Qualität im Vordergrund. Im Fall des Verteidigungsministers wünscht er sich eine professionelle Aufklärung: "Guttenberg soll sich klar positionieren". Würde sich ein derartiger Verdacht bei einem anerkannten Wissenschaftler bestätigen, würde dies das Ende der Karriere bedeuten, vermutet Kraft.
Er selbst hat turn-it-in nie benutzt und wird das Programm auch bei seiner Doktorarbeit ruhen lassen. "Wer wissenschaftlich sauber und ehrlich arbeitet, hat nichts zu befürchten".