Fristlose Kündigung für Zungenkuss: Frau verliert in Bielefeld ihren Job

Bielefeld. Ein überraschender Zungenkuss hat einer Altenpflegerin nun endgültig den Job gekostet. Auslöser war eine zu intime Verabschiedung nach einer nachgeholten Weihnachtsfeier im Januar 2025. Der Arbeitgeber, eine Pflegeeinrichtung, die in Ostwestfalen und Osnabrück aktiv ist, kündigte seiner Angestellten anschließend fristlos. Die Betroffene klagte dagegen vor dem Bielefelder Arbeitsgericht – ohne Erfolg. Was war passiert? Die examinierte Altenpflegerin hatte vor der Weihnachtsfeier bereits mit zwei Kolleginnen Wein getrunken und während der Feier nach eigener Aussage noch etwa zwei Biere und fünf Gläser Wein konsumiert. Die Stimmung war offenbar ausgelassen. Kurz vor Mitternacht, so berichtet es Joachim Klevemann, Sprecher des Arbeitsgerichtes Bielefeld, habe die Altenpflegerin zusammen mit fünf Kolleginnen als letzte die Weihnachtsfeier der Pflegeeinrichtung verlassen. Bielefelderin sei der Kollegin zu nah gekommen Auf dem Parkplatz verabschiedeten sich die fünf Frauen voneinander. Im Betrieb sei es üblich, dass sich die Kolleginnen und Kollegen zur Verabschiedung umarmen und auch Wangenküsse verteilen. Das bestätigten die Zeuginnen im Gerichtssaal. Doch die Frau, die Kündigungsschutzklage gegen ihre Arbeitgeberin eingereicht hatte, &bdquo;nahm dabei eine Arbeitskollegin nicht nur in den Arm, sondern hielt sie fest und gab ihr einen Kuss auf den Mund“, so heißt es in der Mitteilung des Arbeitsgerichts. Dieser Kuss sei mit einer solchen Intensität geschehen, dass eine andere Kollegin später anmerkte, sie habe der Kollegin &bdquo;die Zunge in den Hals gesteckt“, hieß es weiter. Interessant: Experte klärt auf: Was zu tun ist, wenn Arbeitnehmer gekündigt werden Wichtig: Die geküsste Arbeitskollegin reagierte &bdquo;wie versteinert“, löste dann die überraschend intime Umarmung und drückte die Frau von sich weg. Dieser Vorfall wurde schließlich auch der Arbeitgeberin bekannt, die das Arbeitsverhältnis der &bdquo;Küsserin“ nach einem Gespräch mit ihr fristlos beendete. Arbeitgeber betont: Küsserin zeige keine Reue Grund für die Entscheidung: Die Arbeitgeberin ist davon überzeugt, dass die geküsste Arbeitskollegin &bdquo;zuvor bei der Feier oder bei anderen Gelegenheiten im Team keinerlei Anlass oder Signale für einen derartig intimen Übergriff gegeben“ habe, heißt es in der Begründung. In so einem Fall sei ein Zungenkuss als sexuelle Nötigung – also im Bereich einer Straftat – einzuschätzen. Erschwerend sei hinzugekommen, dass die &bdquo;Küsserin“ keinen Ansatz von Reue zu erkennen gegeben habe. Stattdessen habe sie das Geschehen relativiert. Lesen Sie auch: Jugendliche (15) am Bielefelder Boulevard sexuell belästigt Vor dem Arbeitsgericht berief sich die Klägerin auf einen &bdquo;Filmriss“. Demnach sei sie so betrunken gewesen, dass sie ab dem Zeitpunkt des gemeinsamen Aufräumens nach der Feier keine Erinnerungen mehr an die Geschehnisse habe. Ihr zufolge könne es sein, dass sie der Kollegin bei der Verabschiedung einen Kuss auf den Mund gegeben habe, was keineswegs unüblich sei. Da die betroffene Kollegin nach dem Vorfall ein Gespräch mit ihr abgelehnt habe, habe sie sich nicht entschuldigt, berichtet Sprecher Klevemann. Bielefelder Gericht weist Kündigungsschutz zurück Zwei Zeuginnen, darunter auch die geküsste Kollegin, bestätigten den von der Arbeitgeberin vorgetragenen Sachverhalt im Wesentlichen. Deshalb habe die 4. Kammer des Arbeitsgerichts die Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung daraufhin abgewiesen. Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass die Klägerin ihre Arbeitskollegin sexuell belästigt habe. Ein Zungenkuss stelle einen Eingriff in die Intimsphäre dar, der sexuell bestimmt ist. Dabei komme es nicht auf die Intensität an, sondern auf das Körperteil – in diesem Fall den Mund – an, bei dem es sich um eine &bdquo;Tabuzone“ handelt, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Die Bielefelder Richter folgten hier Rechtsprechungen unter anderem des Bundesarbeitsgerichts, das eine fristlose Kündigung eines Mitarbeiters in Paderborn nach einem Schlag aufs Gesäß einer Kollegin bestätigt hatte. Damals waren vier sexualisierte verbale Entgleisungen und besagter Schlag ebenfalls als sexuelle Belästigung eingestuft worden. Zum Thema: Aggressiver Sexismus in Bielefeld - das sind die Ursachen für &bdquo;Catcalling“ Weiter führt das Bielefelder Arbeitsgericht aus, dass die Handlung &bdquo;auch objektiv erkennbar unerwünscht“ gewesen sei. Daher könne sich die entlassene Mitarbeiterin auch nicht mit Erfolg auf einen &bdquo;Filmriss“ berufen. Abmahnung und Versetzung reichen nicht aus Die Frage nach einem milderen disziplinarischen Mittel (Abmahnung oder Versetzung) verneinte die Kammer, weil eine sexuelle Belästigung eine so schwere Pflichtverletzung darstelle, dass selbst deren erstmalige Hinnahme für Arbeitgeber unzumutbar und damit – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Vor Gericht habe die Klägerin zudem deutlich gemacht, dass sie sich mit der Situation hinterher nicht selbstkritisch auseinandergesetzt habe, die Überschreitung von Grenzen nicht einsehe und die Situation herunterspiele. Die Entscheidung (ArbG Bielefeld 4 Ca 444/25) ist rechtskräftig.

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