Ärger über neue Tickets in Bielefelder Bussen und Bahnen: Fahrgäste fühlen sich abgehängt

Bielefeld. Das Thema tauchte in den vergangenen Wochen immer wieder in der Neuen Westfälischen auf: Die Umstellungen bei den Mobiel-Tickets hatten mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen und vielerorts für Unverständnis gesorgt. Es folgten zuletzt immer wieder Erklärungen und Nachjustierungen. Jetzt zeigte der Kommentar &bdquo;Digital gut gedacht – praktisch schlecht erklärt“ in der NW am Samstag, 4. Oktober, dass das Thema auch einen Monat nach der Einführung der neuen Tickets viele Bielefelderinnen und Bielefelder berührt. In ungewöhnlich vielen Zuschriften reichten die Stimmen von Wut über verständnisvolle Kritik bis zu konstruktiven Verbesserungsvorschlägen. Ein zentrales Problem, das gleich mehrere Leser schildern, ist schlicht die Unklarheit. &bdquo;Im Ergebnis bleibt es also völlig offen, wo ich bei Bedarf ein Einzelticket bekommen kann“, schreibt Günter Sielemann. Auch Horst Ludwig berichtete von &bdquo;mehr als einer Stunde Wartezeit“ im Servicezentrum und nennt es &bdquo;völlig unhaltbar“, dass die im Internet angegebenen Verkaufsstellen nicht stimmen würden. Für viele Gelegenheitsfahrerinnen und -fahrer werde so schon der &bdquo;einfache Ticketkauf zur Geduldsprobe“. &bdquo;Ich bin in Rente – und damit für Mobiel offenbar ausrangiert“ Immer wieder taucht in den Zuschriften ein weiterer Punkt auf: die Sorge um soziale Teilhabe. Veit Schröder fragt: &bdquo;Wurden bei der Umstellung eingeschränkte Menschen oder ältere Bürger mit eingeschlossen?“ Und er kritisierte, dass &bdquo;Apps nicht das Allheilmittel“ seien. Auch Alexander Gruber, 88 Jahre alt, formuliert es deutlich: &bdquo;Ich bin tatsächlich in Rente – und damit für Mobiel offenbar ausrangiert.“ Siegfried Huss schildert eindrücklich, welchen Aufwand er betrieben hat, um überhaupt digital mitfahren zu können: &bdquo;Ich belegte zwei Einzelstunden an der Volkshochschule zu je 49 Euro – nur um die App nutzen zu können.“ Sein Fazit: Digitalisierung dürfe Menschen nicht ausschließen, die &bdquo;digital wollen, aber ohne Schulung überfordert sind.“ Der Kommentar: Neue Tickets in Bielefelder Bussen und Bahnen: Digital gut gedacht – praktisch schlecht erklärt Viele Zuschriften drehen sich um das Ende des bewährten Vierer-Tickets. Harald Cohrs nennt die Abschaffung einen &bdquo;Nachteil für Gelegenheitsfahrer“ und schlägt vor: &bdquo;Eine Prepaid-Karte mit einer mindestens zehnprozentigen Rabattierung – das würde sie attraktiver machen.“ Immerhin gehe man ja wie auch bei den Vierertickets finanziell in Vorleistung, wenn man die Karte für zukünftige Fahrten mit zehn Euro oder mehr aufladen würde. &bdquo;Da kann ich auch mit dem Auto ins Parkhaus fahren“ Auch Roland Gilbert ärgert sich: &bdquo;Ich bin ein Befürworter der 4er-Karte. Dass die abgeschafft wird, ärgert mich am meisten.“ Ähnlich sieht es eine weitere, namentlich nicht genannte Leserin, die die Kosten für Einzelfahrten als &bdquo;beim besten Willen nicht nachvollziehbar“ bezeichnet: &bdquo;Da kann ich auch mit dem Auto in ein x-beliebiges Parkhaus fahren!“ Neben Verständnisproblemen sind es vor allem praktische Pannen, die Frust auslösen. Roland Gilbert berichtet, dass seine frisch aufgeladene Prepaid-Karte beim ersten Versuch im Bus &bdquo;nicht funktioniert“ habe – der Fahrer habe &bdquo;davon keine Ahnung“ gehabt. Achim Schannwell schildert, dass das digitale Clip-Ticket an manchen Haltestellen – etwa am Bauernhausmuseum oder am Tierpark Olderdissen – &bdquo;nicht möglich“ sei, weil &bdquo;das Internet zu schwach ist“. Lesen Sie auch: Entwerter und Papier-Tickets verschwinden: Was Bielefelder Fahrgäste jetzt wissen müssen Auch Falk Antonowitsch fragt schlicht: &bdquo;Wie soll ich mit der Prepaid-Karte bezahlen, wenn man mit der Straßenbahn fährt?“ Denn dort gebe es bislang keine Möglichkeit, die Karte zu nutzen – ein Punkt, den auch eine weitere Leserin aufgreift, die namentlich nicht genannt werden will: &bdquo;Die sind nur für den Bus vorgesehen, nicht für die Straßenbahn. Was ist das denn für eine Planung?“ Rüdiger Pape bringt den Tenor vieler kritischer Stimmen auf den Punkt: &bdquo;All die, die für die Einführung der neuen Technik verantwortlich sind, sind mit der Materie bestens vertraut. Was fehlt, ist die Fähigkeit, den Umgang so einfach zu erklären, dass ihn jeder versteht.“ Viele Zuschriften teilen diesen Eindruck: Die Idee der Digitalisierung wird nicht grundsätzlich abgelehnt, aber die Umsetzung wirkt für viele &bdquo;unstrukturiert, chaotisch und kundenunfreundlich“, wie Horst Ludwig schreibt. Ohne mobiles Internet gibt’s auch kein Clip-Ticket Einige Leserinnen und Leser denken bereits weiter. Olaf Vogel fordert mehr Initiative: &bdquo;Es fehlt an neuen Ideen, an echten Anreizen für den Umstieg auf Bus und Bahn.“ Er lobt aber auch Positives: &bdquo;Bei einer AWO-Veranstaltung erklärten zwei ältere Herren von Mobiel uns Alten die digitale Ticketwelt – das war wirklich hilfreich.“ Heinz Haßelmann schlägt vor, das System auszubauen: &bdquo;Die Einrichtung mit der Karte auch an Haltestellen wie am Siggi fehlt. Vielleicht Automaten aus dem Bus an diesen Punkten installieren – dann hätte man ein Zahlungsmittel: die Prepaid-Karte.“ Die Reaktionen auf den Kommentar &bdquo;Digital gut gedacht – praktisch schlecht erklärt“ zeigen, dass viele Fahrgäste der Digitalisierung grundsätzlich positiv gegenüber stehen – aber sie wollen mitgenommen werden. Information, Schulung und Alternativen sind gefragt. Sonst droht eine gute Idee an der Umsetzung zu scheitern. Oder, wie es Hannelore Schäffer als geharnischte Kritik formuliert: &bdquo;Ich werde bestätigt mit meiner Einstellung, künftig nur noch mit dem Pkw in die Stadt zu fahren. Parkgebühren nehme ich gerne in Kauf – dafür erspare ich mir Ärger und Bluthochdruck.“

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