Künftige Wehrpflicht in Bielefeld: Kaum Strukturen für Zivildienst vorhanden

Bielefeld. Spätestens 2027 soll es wieder den morgendlichen Spruch des 19-Jährigen geben: &bdquo;Ich fahre jetzt in die Kaserne nach Augustdorf – also dann, bis Freitag!“ Oder wird das eine 19-jährige Bielefelderin sagen? Beides ist denkbar und wird kontrovers diskutiert. Doch wer bringt am Frühstückstisch die Aussage: &bdquo;Ich bin dann mal in Bethel – heute machen wir einen Ausflug mit den alten Leuten“? Die erforderliche Debatte um die Ausgestaltung und Reaktivierung des Zivildienstes – sie fehlt. Lesen sie auch: Starke Nachfrage nach Beratung zur Kriegsdienstverweigerung in NRW Dabei naht die Wehrpflicht mit großen Schritten – auch in Bielefeld. Der Bundesaußenminister will sie am besten sofort, die Bundesfamilienministerin findet, man solle schon mal Vorkehrungen treffen. Die Bielefelder Institutionen hören mit. Doch wie akut ist das Thema in Bielefeld? Pläne für Zivildienst in Bielefeld gestartet? &bdquo;Naja“, sagt Matthias Rotter, Kreisgruppenchef des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ein wenig zögernd. &bdquo;Aktuell ist das bei uns kein Thema.“ In den 90ern war der Paritätische Heimat für Hunderte Zivildienstleistende: individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, Essen auf Rädern oder Altenpflege. Diese Strukturen gibt es heute nicht mehr, sagt Rotter. Und das wäre aktuell das zentrale Problem. Und wie diese Strukturen wieder aufgebaut werden sollten oder könnten, ist auch im Paritätischen eher unklar. &bdquo;Natürlich könnten die Zivis eine Unterstützung in Zeiten von Personal- und Fachkräftemangel und massiven Streichungen bedeuten“, sagt Rotter. Doch die zentrale Frage nach dem &bdquo;Wie?“ bleibt. So positioniert sich der ASB Bielefeld Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) OWL vertritt der Paritätische die Grundhaltung, &bdquo;dass wir uns an der politischen Diskussion nicht beteiligen wollen“, so ASB-Chef Ingo Schlotterbeck. &bdquo;Doch wenn es einen politischen Entschluss gibt, dann erwarten wir eine Gleichbehandlung!“ Die Diskussion um den Dienst an der Waffe ist aufgrund der Bedrohungslage akuter denn je. Die Diskussion um den Zivildienst &bdquo;kommt aktuell doch sehr kurz“, sagt Schlotterbeck. Und Fragen bleiben bei denen unbeantwortet, die künftig wieder Heimat für Zivis werden könnten. &bdquo;Wie wird die Pflicht umgesetzt? Unser Ansatz beim ASB ist ja grundsätzlich ein freiwilliger“, sagt Schlotterbeck unter Verweis auf die aktuellen Freiwilligendienste (Bufdi, FSJ usw.). &bdquo;Und wie wird umgegangen mit Mann, Frau und divers?“ Werden also Frauen und Männer gezogen – und diverse Menschen? Ein verpflichtendes Dienstjahr für Bielefelderinnen und Bielefelder? Der Wehrbeauftragte des Bundes Henning Otte fordert schließlich ein &bdquo;verpflichtendes Dienstjahr für Frauen und Männer – nicht nur militärisch“. Ein Blick zurück in die Zeit des Zivildienstes stellt die involvierten Einrichtungen vor nahezu unlösbare Aufgaben: Unterbringung, Finanzierung, Infrastruktur oder schlicht – Einarbeitung der neuen Hilfskräfte. &bdquo;Dafür haben wir aktuell gar keine Kapazität“, sagt Matthias Rotter. Lesen sie auch: Das müssen junge Menschen über den neuen Wehrdienst wissen Die Finanzierung der Freiwilligendienste wurde 2025 um 17 Millionen Euro gekürzt, sagt Rotter. &bdquo;Der Ist-Zustand der sozialen Träger ist zudem schlecht. Den zunehmenden Personal- und Finanzierungsproblemen auf der einen Seite stehen steigende Bedarfe auf der anderen Seite gegenüber.“ .responsive23-wNmzo96uUPzUHb9c-atlas-slideshow { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-wNmzo96uUPzUHb9c-atlas-slideshow { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-wNmzo96uUPzUHb9c-atlas-slideshow { padding-top: 142.86%; } } Denn ein positiver Effekt des Zivildienstes sei nach 2011 nachweislich abgeklungen. &bdquo;Viele Männer sind bis 2011 nach dem Zivildienst in soziale Berufe gegangen – das hat in den letzten 14 Jahren stark nachgelassen.“ Heute haben die jungen Menschen in dem Umfang nicht mehr die Möglichkeit, sich alternativ zu orientieren. Zivildienst könnte Bielefelder Trägern zugutekommen &bdquo;Ein Dienst wäre ein wertvoller Beitrag zur dringend benötigten Linderung des zu erwartenden Pflegenotstands in Deutschland“, sagt auch Pastor Ulrich Pohl. In Bethel hat der Vorstandsvorsitzende bereits im September den Zivildienst zum Thema gemacht, als die von Bodelschwinghschen Stiftungen den Jahresbericht 2024 vorlegten. Lesen Sie auch: Knappe Kassen in Bethel – der Vorstand warnt vor sozialem Kahlschlag durch die Politik Bei der Debatte um die Reaktivierung der Wehrpflicht dürfe das Soziale nicht aus den Augen verloren werden, sagte Pohl. &bdquo;Wenn der Wehrdienst kommt, muss es so etwas auch im sozialen Bereich geben.“ Eine Forderung, die in Artikel 12a des Grundgesetzes verbrieft ist. Es geht also – neben Personalnotstand und drohender Pflegekatastrophe – auch um den katastrophalen Zustand des Gemeinwohls? Aus der eigenen Blase herauszukommen, zu erfahren, wie es ist, alt und krank zu sein, einen Austausch zu erleben? Ein Jahr – von etwa 75 Lebensjahren – in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen? Ist das viel verlangt? Kann die Wehrpflicht das instabile Gemeinwesen stärken? In Bethel macht man sich auch darum Gedanken. Auch darum, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zu orientieren: Die Zeit als Zivi in einer Pflegeeinrichtung für die persönliche Entwicklung oder Joborientierung zu nutzen? Warum nicht. Verständnis und Empathie zu entwickeln, sei wichtiger denn je. &bdquo;Ein Dienst würde soziale Kompetenz und Intelligenz der Absolventinnen und Absolventen fördern, weil diese ein besseres Verständnis für die Herausforderungen ihrer Gemeinwesen entwickeln“, sagt Ulrich Pohl. &bdquo;Ein Dienst würde durch intensiven Austausch und Begegnungen zwischen sozialen Gruppen und Schichten Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit ermöglichen.“ Denn das beste Mittel zum Schutz des sozialen Friedens sei eine tief verankerte gesellschaftliche Solidarität.

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