Stimme versagt: Bielefelds neue Oberbürgermeisterin wird plötzlich emotional

Bielefeld. An besonderen Feiertagen ist es üblich, dass auf dem Turm des Wahrzeichens die statt der Ravensberger Flagge die deutsche Fahne weht. An einem dieser Tage ist es inzwischen ebenso üblich, dass auch im Hof eine schwarz-rot-goldene Fahne zu sehen ist: Traditionell begeht die Bielefelder CDU den Tag der Deutschen Einheit mit einer Feierstunde auf der Sparrenburg. In diesem Jahr hatten die Christdemokraten – per Eigendefinition die &bdquo;Partei der Wiedervereinigung“ – sogar doppelten Grund zur Freude. Denn neben einem Rückblick auf 35 Jahre Einheit blickte vor allem die designierte Oberbürgermeisterin Christiana Bauer auf das vergangene Jahr und hier besonders auf die vergangenen Wochen zurück. Und beides geriet vor rund 150 Parteifreunden, Gästen und Besuchern bemerkenswert emotional und persönlich. Bauer erinnerte sich und ihre Zuhörer daran, dass sie vor ziemlich genau einem Jahr an gleicher Stelle als gerade gekürte Kandidatin an das Mikrofon getreten war. &bdquo;Ab da begann mein Abenteuer“, sagte Bauer. &bdquo;Von einer Kandidatin, der viele Unbekanntheit attestierten, zum Chefsessel im Rathaus.“ Sie sei noch immer erleichtert, glücklich und &bdquo;noch etwas fassungslos“, wie sie einräumte – kurze Momente, in denen sie von ihren Gefühlen übermannt wurde und die Stimme versagte, überbrückten die Gäste mit lang anhaltendem Applaus. &bdquo;Wir werden zeigen, dass wir auch Kommunalpolitik können“ Den Dank gab Bauer indes umgehend zurück, sowohl an ihre Mitstreiter im Wahlkampf als auch an ihre Familie. Ab jetzt werde gearbeitet und der versprochene Neustart angegangen. Dem Amt sehe sie mit Demut und einigem Respekt entgegen. &bdquo;Aber wir werden zeigen, dass wir nicht nur Wahlkampf, sondern auch Kommunalpolitik können.“ In ihrer Rede ging Bauer dem Anlass entsprechend auch auf die Einheit am 3. Oktober 1990 ein – zu diesem Zeitpunkt, als die &bdquo;Augen der ganzen Welt auf Deutschland, auf uns gerichtet waren“, war sie indes erst ein Jahr alt. Daher kam in der eigentlichen Ansprache zum Nationalfeiertag ein Zeitzeuge zu Wort, dies allerdings posthum: Johann-Christoph Meyer zu Bentrup trug die Rede seines Vaters Reinhard Meyer zu Bentrup vor, die dieser im vergangenen Jahr auf der Sparrenburg halten wollte, jedoch wenige Wochen zuvor verstarb. Lesen Sie auch: Sieg der Bielefelder CDU: Warum es mit Bauer noch Zweifel an einer Groko gibt Reinhard Meyer zu Bentrup – von 1976 bis 1994 für die CDU Mitglied des Bundestages – habe &bdquo;die Gnade gehabt“, die Einheit nicht nur unmittelbar mitzuerleben, &bdquo;sondern sie auch mitzugestalten“ dürfen. Er schilderte seine direkten Eindrücke von den 329 Tagen vom Fall der Mauer bis zur Einheit, dankte dem Mut und der Entschlossenheit der Bevölkerung auf den Montagsdemonstrationen, aber auch den Staatsmännern Michail Gorbatschow, George Bush senior und auch Helmut Kohl, der die Zeichen der Zeit erkannt habe und zu Recht als &bdquo;Kanzler der Einheit“ in die Geschichtsbücher eingegangen sei. Mut und Zuversicht statt Unzufriedenheit und Angst Meyer zu Bentrup erkannte aber auch, dass trotz allem Grund zur Freude auch vieles auch nach mehr als drei Jahrzehnten noch im Argen liegt und alles andere als einig ist: Vor allem der Umbau der am Boden liegenden Planwirtschaft, für den es &bdquo;keine Blaupause“ gab, habe viele Menschen in der ehemaligen DDR in die Arbeitslosigkeit und in eine Identitätskrise gestürzt. Die daraus resultierende Unzufriedenheit und Angst belaste nicht nur die Einheit, sondern befeuere auch Populismus. Dem müsse man den Mut, die Zuversicht und die Tatkraft der Menschen entgegensetzen, die 1989 für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. &bdquo;Das ist eine Haltung, die wir heute benötigen“, schloss Johann-Christoph Meyer zu Bentrup die &bdquo;Botschaft“ seines Vaters. Denn so werde aus dem Tag der Einheit nicht nur ein Tag der Freude, sondern auch ein Tag der Hoffnung.

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