Generationenmix in Bielefeld: So leben Jung und Alt im Wohnprojekt Quelle

Bielefeld. Die sprichwörtliche Buntheit, die sich alle für ihr Wohnprojekt gewünscht hatten, springt der Besucherin sogleich ins Auge: Im Garten spielen die kleinen Gäste eines Kindergeburtstags, basteln im Freien, während im geschmückten Gemeinschaftsraum die Kaffeetafel wartet. Ältere Bewohner des BGW-Wohnprojekts am Lipizzanerweg sitzen auf Balkonen oder genießen die blühenden Stauden zwischen den Häusern. Im wohnzimmerartigen Besprechungsraum mit dem orangefarbenen Sofa geht’s um die Belange der ältesten Bewohner. Pflegebedürftigkeit sei im Konzept des Wohnprojekts (noch) nicht explizit eingepreist, geben Gesa Warning (75), Heike Möhle (80) und Johannes Menge (74) zu Protokoll. Zwar passen in ihrem Wohnprojekt, das 2017 fertiggestellt wurde, die baulichen Voraussetzungen – alle Wohnungen sind barrierefrei, jedoch nicht behindertengerecht. Das Weiterwohnen bei gewisser Pflegebedürftigkeit im Alter solle möglich sein. Das sei das Ziel, so Menge. Dafür aber müssten Strukturen geschaffen werden. Weil das Thema in den meisten Projekten des gemeinsamen Wohnens eher stiefmütterlich behandelt wird, hat das Netzwerk Bielefelder Wohnprojekte einen Leitfaden für Hilfen im Alter entwickelt. Darin geht es um Notfallkontakte und Vorsorgevollmachten, um den Zugang zu Schlüsseln, um Gesprächsrunden und Patenschaften, um Alltagshilfen und Unterstützung im Krankheitsfall, Fahrdienste, Besuche und mehr. Herausfinden, was für die Bielefelder Gemeinschaft gut ist Aber auch um die ganz alltägliche Fürsorge. &bdquo;Wenn jemand seine Rollos den ganzen Tag nicht hochgezogen hat oder länger nicht gesehen wurde, sollte eine Art Frühwarnsystem greifen“, sagt Johannes Menge. Eine Idee für die Betreuung allein lebender, pflegebedürftiger Senioren hat er auch schon: &bdquo;Vielleicht könnte in unsere Gästewohnung zeitweise eine Pflegekraft einziehen.“ Doch das sei Zukunftsmusik. Zunächst gelte es herauszufinden, was die Gemeinschaft zu leisten gewillt ist. Dazu soll eine Arbeitsgruppe, schließlich das Plenum beraten. &bdquo;Wir haben von Beginn an Wert darauf gelegt, dass wir ein diverser Haufen sind“, fasst Johannes Menge (74) einen wichtigen Eckpfeiler des BGW-Wohnprojekts zusammen. Der frühere Lehrer am Berufskolleg ist seit der Einweihung der Häuser im Jahr 2017 dabei. Das mit der Diversität sei durchaus gelungen, was die Altersstruktur angehe: 60 Erwachsene und rund 30 Kinder, also Bewohner im Alter von fünf bis 80 Jahren leben in 38 Wohnungen unterschiedlicher Größe. Lesen Sie auch: Gut wohnen im Alter: Das bietet die Baugenossenschaft Freie Scholle Ein Drittel des Bestands sei geförderter Wohnraum, ein weiteres Drittel Mietwohnungen und das letzte Drittel Eigentum. &bdquo;Wir haben viele sozialkommunikative und sozial gebildete Leute hier“, beschreibt Menge die Bewohnerstruktur. Etliche Lehrerinnen und Lehrer, Pädagogen, Erzieherinnen – mit der Herkunfts- und Bildungsmischung sei das so eine Sache. Der Wunsch, die Gesellschaft in ihren Facetten abzubilden, sei nur teilweise gelungen. Ohne Konflikte geht es im Bielefelder Lipizzanerweg nicht Völlig ohne Konflikte übrigens geht es auch im Lipizzanerweg nicht zu. Also, kein Bielefelder Bullerbü. Doch es gibt Strukturen – wie das Plenum und die Arbeitskreise – mit denen eine offene Ansprache von Problemen und deren Lösung angestrebt werde. Das könnte Sie auch interessieren: In 7 Schritten zur Rente – So bereiten Sie den Ruhestand vor Gesa Warning ist wie Menge seit 2017 dabei. Beruflich hatte sie zuletzt in der Psychiatrie gearbeitet. Sie freut sich an der Lebendigkeit in ihrem Zuhause, den vielen Gelegenheiten, zwanglos in Kontakt zu kommen, &bdquo;spontan einen Kaffee zusammen zu trinken“. Über einen WhatsApp-Chat sind die Bewohnerinnen und Bewohner vernetzt: Hier lassen sich kurzfristig Verabredungen treffen, Hilfe organisieren, Aktivitäten planen. Überall sei man &bdquo;wohl gelitten und gern gesehen“, freut sich Warning. Wer sich aber zurückziehen möchte, habe genug Gelegenheit dazu. Nicht nur in der eigenen Wohnung, die auch als Paar oder WG bewohnt werden kann. Das Leben mit den Kindern und zwei Studenten-WGs bezeichnet Warning als &bdquo;echte Bereicherung“. So hätte sie es nicht erwartet. Alles kann, nichts muss – ist offenbar die Devise im Zusammenleben. Platz für Treffen und Feste in Bielefelder Wohnprojekt Der flache Trakt mit den Gemeinschaftsräumen und Küche und der Innenhof, um den sich die mehrstöckigen Gebäude gruppieren, bietet Platz für Treffen und Feste, kann aber von den Bewohnerinnen und Bewohnern auch für private Feiern genutzt werden. Heike Möhle ist mit 80 Jahren zwar die Älteste in der Runde, allerdings im Wohnprojekt beinahe noch Neuzugang. Seit drei Jahren lebt die ehemalige Lehrerin, die viele Jahre in Holland und Nepal lebte und arbeitete, im Lipizzanerweg 4 und ist begeistert. &bdquo;Ich komme oft ganz beglückt aus Zusammentreffen und Gesprächen, die sich ganz zufällig ergeben haben“, sagt sie. Und Menge ergänzt: &bdquo;Das ist eine Art Laboratorium für Demokratie. Hier kann man lernen, Dinge auszuhandeln.“ Da sollte es mit dem Leitfaden für Ältere wohl klappen.

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