Bielefelder Mutter setzt starkes Zeichen gegen Notendruck an Schulen

Bielefeld. Eine Mutter, die beim Thema Zensuren beim Elternabend in Tränen ausbricht, Kinder, die vorm letzten Schultag große Bauchschmerzen haben und sich vor lauter Notenstress gar nicht richtig auf die Ferien freuen können, großer Zulauf beim Zeugnissorgentelefon: Da ist dringend ein anderer Blick gefragt, sagte sich Danica Kraus. An der Grundschule ihrer Kinder in Babenhausen sorgt sie jetzt mit einer besonderen Aktion für einen anderen, ermutigenden Blick auf das große Thema. Die Botschaft: &bdquo;Du bist so viel mehr als deine Noten.“ &bdquo;Aus Fehlern wird man klug, deshalb ist einer nicht genug“, &bdquo;Glaube fest daran, dass du es kannst, und du hast es schon halb erreicht“ oder einfach &bdquo;Heiter weiter“: Zum letzten Schultag hat Kraus 300 bunte, von Grafikern individuell gestaltete Postkarten mit Mutmachbotschaften ausgedruckt und mit Tesafilm am Ausgang der Schule angebracht. Zusammen mit einem großen Plakat mit der Aufschrift &bdquo;Du bist so viel mehr als deine Noten“ und aufgelisteten Eigenschaften wie erfinderisch, mutig, liebevoll und zuverlässig. Gesellschaftliche Erwartungen setzen Kinder unter Druck Jedes Kind darf sich eine Karte mit nach Hause nehmen – &bdquo;als Erinnerung daran, was es bereits geschafft hat und wie wertvoll es ist“, sagt Kraus. Ziel sei es, dass jedes Kind gestärkt und mit einem positiven Gefühl in die Sommerferien geht – ganz gleich, wie das Zeugnis ausfällt. Bereits zum dritten Mal hat Kraus die Aktion an der Grundschule organisiert. Über Caroline von St. Ange, die als Autorin, Lerncoach, Bildungsinfluencerin Eltern, Kindern und Lehrkräften mit kreativen Methoden Spaß am Lernen vermittelt, sei sie auf die Idee gekommen. Von ihr hat Kraus auch die Vorlagen für die Postkarten. Nicht nur bei den Kindern und Eltern, auch bei Schulleiterin Katharina Meier kommt das super an. Ab Klasse drei bekommen die Grundschüler dort Zeugnisse mit Zensuren. Dass Kinder sich Gedanken machen über ihre Noten, habe zugenommen, so Meier. Oft spiele da auch die gesellschaftlichen Erwartungen eine Rolle. Oder eine bestimmte Schule, die es ab der fünften Klasse sein soll. &bdquo;Das spüren Kinder, und das setzt sie sehr unter Druck“, sagt Meier, selbst Mutter dreier Kinder. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Caroline von St. Ange | Lernen Lernen (@learnlearning.withcaroline) &bdquo;Du bist wertvoll als Mensch“, das zu vermitteln, sei der Schule ganz wichtig. Und dass sich die Schüler ihre kindliche Freude am Lernen bewahren. Dann komme der Erfolg automatisch. &bdquo;Wenn du gelernt hast, das Lernen zu lieben, steht dir die ganze Welt offen“, bringt es eine Karte auf den Punkt. Kleine Mutmachstempel unterm Test oder motivierende Botschaften mit Kreide am letzten Schultag: Das machten auch andere, sagt Meier. So eine große Aktion wie in Babenhausen kenne sie bisher aber von keiner anderen Bielefelder Schule. &bdquo;Ich würde mir wünschen, dass das ganz viele machen“, sagt Kraus. Trotzdem darf man Zeugnisse auch feiern und belohnen Verteufeln müsse man Zeugnisse und Zensuren jedoch nicht, ergänzen beide. Klar dürfe man sie feiern und auch belohnen, wie etwa mit einem gemeinsamen Eis- oder Pizzaessen. Aber die reinen Zensuren sagten wenig aus. Es geht vielmehr darum, die individuelle Leistung zu würdigen. &bdquo;Wenn man eine Drei in Mathe hat und hat sein Bestes gegeben, ist das sehr gut“, sagt Meier. &bdquo;Genau“, stimmt Kraus’ Tochter Mia (10), die nach den Sommerferien auf die weiterführende Schule kommt, zu. Deshalb habe sie auch keinen Stress mit Noten. &bdquo;Du bist nicht schlecht, nur ungeübt“, habe sie kürzlich noch einer Freundin beim gemeinsamen Lernen gesagt. Und Erstklässler Ben (7), der bereits am Mittwoch sein erstes Zeugnis – noch ohne Zensuren – bekommen hat, findet die bunten Karten cool. Die mit dem Skater und der Botschaft &bdquo;Schau, was du schon alles geschafft hast“ hat in seinem Zimmer einen Ehrenplatz, direkt neben den Fußballpokalen. Die Botschaft, &bdquo;Du bist so viel mehr als deine Noten“ sei die zentrale, sagt auch Michaela Vogt, Professorin für Komparatistische Schulforschung, Theorie und Geschichte der Inklusiven Pädagogik an der Uni Bielefeld und Prorektorin für Internationales, Diversität und Gesellschaft und selbst Mutter dreier Kinder. Schule bewerte nur die Performance der Schulkinder in bestimmten Lernbereichen für einen bestimmten Lebensabschnitt und aus der Perspektive bestimmter Lehrkräfte. Notwendige Distanz vermitteln, Resilienz aufbauen &bdquo;Um ihnen hier die nötige Distanz zu vermitteln, ist es wichtig, dass Schule mit dieser eigenen Begrenztheit – und der damit verbundenen Zufälligkeit, wie die zufällige Kombination von Schülern und Lehrern oder die Zusammenstellung von Klassengemeinschaften – auch durchaus offen umgeht“, sagt die Expertin. Lesen Sie auch: Warum Schule laut dieser Bielefelder Expertin so nicht mehr funktioniert &bdquo;Du bist mehr als deine Noten – denn du bist mehr als ein Schulkind!“ – diese Resilienz müsse in den Kindern und Jugendlichen aufgebaut werden. Hierzu passe auch die Symbolik der aufgehängten Karten: Sie können an den Türen der Schule mitgenommen werden und damit an der Schwelle nach draußen und dort, &bdquo;wo das Schulkind wieder (hoffentlich!) zum Kind beziehungsweise Jugendlichen wird“.

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