Sie hat Kultstatus: Bielefelds bekannteste Bürgermeisterin hört in ihrem Stadtbezirk auf

Bielefeld. 1994 startete Hannelore Pfaff in der Politik, in Gadderbaum. Diesen Sommer endet dieses erfolgreiche Kapitel für die 76-Jährige, die als Paradiesvogel gilt. Zehn Fragen an die Vorzeige-Grüne. Im Freibad werden Sie gerne mit &bdquo;Die Chefin ist da“ begrüßt, Ihre Familie sagt &bdquo;Kaiserin“, andere sprechen augenzwinkernd von &bdquo;Gadderbaums Königin“ – einer ohne Krone und oft mit merkwürdigem Geschmeide sowie bunten Brillen und traditionell farbenfrohen Haaren. Und nun geht die Königin? Hannelore Pfaff: (lacht laut auf und zeigt schmunzelnd einen Königskronen-Ring an ihrem Finger) Ja, nun geht die Königin. Nach gut 30 Jahren ist das auch gut so. Denn: Die Leute fragen immer nur mich, immer nach dem Motto &bdquo;Hannelore kann alles“ – aber ich kann nicht alles. Die anderen werden zu wenig gefragt, das muss unterbrochen werden, zugunsten der Grünen, denn die anderen bei uns können auch viel. Und so gebietet es der Respekt, jetzt mit 76 auch zu gehen. &bdquo;Der Respekt gebietet es, jetzt mit 76 zu gehen“ Eine Art politische Altersteilzeit? Nee, Teilzeit liegt mir nicht. Nein, die anderen übernehmen in Gadderbaum und ich kann im Rat und den Ausschüssen trotzdem viel für Gadderbaum erreichen. Im Rat bin ich eine unter allen. Mitmachend. Insofern: Ja, doch, Altersteilzeit, aber nicht im Sinne von faul. Sie sind bekannt dafür, 100 Prozent zu geben. Das und Ihre gewinnende Art haben Ihnen fast 50 Prozent bei der Kommunalwahl 2020 gebracht. Ein bundesweit bestauntes Ergebnis. Ich habe es auch bestaunt (lacht). Aber es waren ja gar nicht 50, sondern 48 Komma irgendwas Prozent. Aber: Auf das Staunen kam die Erkenntnis, dass es mit dieser Mehrheit viel schwieriger wurde, in Gadderbaum eine gemeinsame Arbeit zu machen. Ein Gefühl von Unterbuttern kam auf, aber das wollte ich nie, wollten wir nie. Sie hinterlassen Fußstapfen in XXL. Für Kerstin Metten-Raterink, Ihre Nachfolgerin, dürfte das mehr Last als Lust sein. Sie macht andere Fußstapfen. Jeder für sich hat andere Möglichkeiten, nach vorne zu gehen. Nur eines ist wichtig: Es muss nach vorne gegangen werden, denn schläfrige Demokratie-Döser gibt es genug. Fakt ist: Ja, da liegt jetzt meine Latte vor Kerstin, und ich weiß sehr wohl, dass es durchaus schwierig für sie ist – aber: Neben der Spur ist auch ein Weg. &bdquo;Neben der Spur ist auch ein Weg“ Was wird aus Ihrer legendär unkonventionellen Sitzungsführung? Na, die wird sicher aufgehoben. Das macht doch so keiner mehr mit. Ich war so lange dabei, habe mich einfach über Regularien hinweggesetzt, ich habe das einfach so gemacht, offenbar sehr schräg, vermutlich, weil ich wohl im Geheimen eine ADHS-Frau bin. Meine Mutter sagte immer, ich sei ein ganz schreckliches Kind, das sagt doch alles. Schrecklich erfolgreich. Schauen wir auf 31 Jahre Gadderbaumer Kommunalpolitik – was waren Highlights? Immer und zuerst das Freibad. Ich kam zur Politik durch die Gründung des Fördervereins, dann haben wir das Bad dreimal in gut 20 Jahren gerettet, am Ende dann endgültig per Bürgerbegehren, hauchdünn mit 50,01 Prozent Ja-Stimmen. Übrigens ja gegen den gesamten Stadtrat und auch gegen meine eigenen Grünen. Nur Gadderbaum war dafür, kämpfte fürs Bad. Alleine gegen alle. Dahinter aber versteckt sich eine Wahnsinnsarbeit, stehen viele schlaflose Nächte. &bdquo;Eine Wahnsinnsarbeit, dahinter stehen viele schlaflose Nächte“ Aber auch die Mensa der Martinschule, nach guten Verhandlungen gebaut auf ehemaligem Bethelgrund, auch das war ein großer Erfolg. Der Erhalt der Sekundarschule ebenso. Aber auch tolle Feste wie der Weihnachtsmarkt, das Osterfeuer, Promi-Modenschauen auf dem Sportplatz – ja, da lief lange so einiges. Und in der Pellahöhe haben wir für die Senioren viel gemacht, tolle Sachen wie Filmabende und Kochshows, wir haben da Jung und Alt zusammengebracht, ich habe das geliebt. Viele haben den Eindruck, dass das besondere Gadderbaumer &bdquo;Wir-Gefühl“ – ein Hauch von Gallien in Bielefeld – maßgeblich mit Ihnen und Ihrer Leistung verbunden ist. Widersprechen Sie? Nein. Tue ich nicht. Sie sagten mal, Sie seien Kraft und Herz, Ihre Lebenspartnerin Vera Höxter das Gehirn. Zwei Menschen in einem Körper, oder wie? Jeder für sich, aber wir verquicken es dann sehr gut. Wenn ich was frage, hat sie eine Antwort. Und immer wieder sagt sie: &bdquo;SO hast du das gesagt? Nein, du hättest DAS sagen müssen!“ (Lacht) Nun, ich bespreche tatsächlich alles mit ihr, und am Ende stehe ich dann vorne. Den wichtigsten Akteur in Gadderbaum, Bethel mit fast 25.000 Mitarbeitern und Milliardenumsatz, mochten Sie nie so richtig. Zu viel Konzern im Sozialen, so kam das lange rüber. Aber in den vergangenen Jahren klang das plötzlich gemäßigter, wohlwollender. &bdquo;Früher stand gefühlt ein Zaun um Bethel herum“ Bethel hat sich geöffnet. In den 80ern stand da gefühlt ein Zaun um Bethel drumherum, aber sie sind immer offener geworden. Immer häufiger wurden Themen als gemeinsam angesehen. Und im Freibad wird das sichtbar, da haben wir eine Vereinbarung mit Bethel, geben Saisonkarten aus an Menschen mit Handicap. Mittlerweile fast 300. Alle im Bad unterstützen das, wirklich alle. Das gehört zu uns in Gadderbaum, Bethel ist Teil von uns. Nun steht noch etwas Ratspolitik an, dann dürfte Schluss sein. Mit welcher Erkenntnis gehen Sie aus der Politik heraus, aus Jahrzehnten im Amt, als Dauer-Bezirksbürgermeisterin, Gadderbaum-Gesicht? Erkenntnis? Ich stelle bedauernd eine Art politische Empörungsmüdigkeit fest; empört sind zwar viele, aber ohne Gedanken, ohne Ideen, die sie einwerfen, mit denen sie sich beteiligen möchten. Dabei gibt es viel zu gewinnen, wenn der Einsatz da ist. Ich habe gelernt: Alles ist möglich. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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