Bielefelder Traditionsunternehmen schlittert in die Krise – und hilft sich selbst

Bielefeld. Fenster und Türen von der Jöllenbecker Firma Gäsing, das war jahrzehntelang ein fester Begriff für Bauherren in Bielefeld und Umgebung. Seit zwei Jahrzehnten hatte die heute 81-jährige Hildegard Gäsing die Handwerksfirma als Gesellschafterin und Geschäftsführerin erfolgreich geführt, unterstützt durch ihren Sohn Thorsten. Zuletzt jedoch hatte es Schwierigkeiten gegeben: Erst erzwang die Coronakrise Kurzarbeit, dann setze 2023 die Bauflaute ein. Der heute 60-jährige Thorsten Gäsing zog sich 2023 als Geschäftsführer und dann auch als Mitgesellschafter zurück. Im Februar 2025 beantragte Hildegard Gäsing beim Amtsgericht Bielefeld ein Insolvenzverfahren für die Hermann Gäsing GmbH. Der Bielefelder Rechtsanwalt Yorck T. Streitbörger führte den Betrieb seither als Insolvenzverwalter weiter, Anfang Mai wurde das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet. Jetzt steht eine familieninterne Lösung der Krise bevor: Thorstens jüngerer Bruder Michael Gäsing übernimmt Teile des Unternehmens – gemeinsam mit dem langjährigen Mitarbeiter Max Brinkmann. Sanierung sichert Übergang der Bielefelder Firma Der Übergang in die nächste Generation wird mit dieser sogenannten &bdquo;übertragenden Sanierung“ gesichert, wie Streitbörger erklärt, auch wenn die neue Firma &bdquo;Gäsing & Brinkmann“ keine direkte Fortführung des alten Betriebs ist. Mit zunächst sieben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen will sich die neu gegründete Gesellschaft auf die Montage von Fenstern und Türen sowie auf Sonnenschutz konzentrieren. Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie der Austausch von Fenstergläsern gehören unverändert zum Angebot: &bdquo;Und wir wollen wieder wachsen“, betont Jacqueline Brinkmann. Aber die Fertigung von Holzrahmenfenstern geschieht nicht mehr in einer eigenen Bautischlerei. Die Tischlerei Gäsing blickt auf eine fast 140-jährige Geschichte zurück und gehört zu den ältesten Handwerksbetrieben in Jöllenbeck. Gegründet wurde sie 1886 von August Gäsing. Er fertigte Fenster, Türen, Möbel und Särge an. Die Sargfertigung wurde 1950 eingestellt. Sohn Hermann Heinrich übernahm den Betrieb. Er führte in den Folgejahren Bautischlerei und Bestattungen als eigenständige Unternehmen. Michael Gäsing hat auch Betrieb in Bad Salzuflen Seit 1976 befand sich die Bautischlerei mit den 1.800 Quadratmeter großen Produktionsräumen und Büros am Lechtermannshof 15, sie firmierte seit 1997 als Hermann Gäsing GmbH. Hermann Gäsing junior ist der verstorbene Mann von Hildegard, der Handwerksmeister hatte den Betrieb 1969 übernommen. Er war in den 1970er Jahren Vorreiter bei der Fertigung von Holz-Aluminium-Fenstern. Er starb 2004, war als SPD-Mitglied in der Bezirksvertretung und im Stadtrat. Zur Trauerfeier sollen so viele Menschen gekommen sein, dass die Plätze in der Kirche nicht ausreichten. Tischlermeister Thorsten Gäsing war bis 2023 Geschäftsführer in vierter Generation. Zu der naheliegenden Frage, ob es zu Streit in dem Familienunternehmen gekommen ist, möchte er sich nicht öffentlich äußern. Er ist Beisitzer in der Tischler-Innung, für die SPD mischt er zudem auch in der Kommunalpolitik mit, seit 2014 als Mitglied der Bezirksvertretung Jöllenbeck. Sein Bruder Michael war ebenfalls im Familienunternehmen aktiv, der 53-Jährige steht unternehmerisch allerdings auch auf eigenen Beinen. In Bad Salzuflen ist er inzwischen Inhaber der Tischlerei und Fensterbaufirma Nicolai Neumann, die künftig auch Gäsing & Brinkmann beliefern will. Das Bestattungshaus Gäsing, das seinen Betrieb an der Dorfstraße in Jöllenbeck hat und lange Zeit von Hildegard Gäsing gemeinsam mit Schwiegertochter Annette geleitet wurde, ist 2024 bereits von Christoph Kortstiege übernommen worden. Annette Gäsing wirkt hier weiterhin mit. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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