Anfang vom Ende einer Bielefelder Baustelle: So sieht die Brackweder Hauptstraße jetzt aus

Bielefeld. Wer in diesen Tagen durch die Hauptstraße flaniert, dem fällt wohl als Erstes der riesige Hochbahnsteig Normannenstraße mittendrin auf und zudem das (noch) saubere neue Pflaster, die ordentlich grau unterlegten Parkplätze und die weiß leuchtende Markierung der Radschutzstreifen. Auch die Ladenzeilen links und rechts sehen anders aus als gewohnt: Altbekanntes ist verschwunden, Neues eingezogen. Gestört wird das schöne neue &bdquo;Gesicht“ der Brackweder City gleichwohl durch die dunkleren, leeren Schaufenster hier und da. Der kleine Teeladen hat die lange Umbauphase überlebt, das Modehaus Kolck ist ebenso am alten Platz wie das Sanitätsfachgeschäft, Reformhaus, Blumenladen, Bäckereien, Drogerien oder Apotheke. Doch der Wechsel überall ist auch nicht zu übersehen: Das Schuhhaus Wiedey und der Buchladen Klack sind umgezogen, die Radiologiepraxis Diranuk hat die Straße gewechselt, die Deutsche Bank ihre Filiale an der unteren Hauptstraße aufgegeben. Auch das Brillen-Paradies ist ein Stück die Straße hinunter gewandert. &bdquo;Der Einzelhandel hat sich deutlich gewandelt“, sagt Karl-Uwe Eggert, Vorsitzender der Werbe- und Interessengemeinschaft (WIG) Brackwede. Vieles sei nicht vom Umbau verursacht, manches aber durch ihn maßgeblich beschleunigt und mitunter eine schnelle Nachfolge verhindert worden. Einzelhändler seien selten geworden an der Hauptstraße, ihre Läden durch große Ketten ersetzt worden. &bdquo;Glücklichweise haben wir hier noch nicht diese Billigläden.“ Boutique, Frischegeschäft und Kneipe fehlen an Brackweder Hauptstraße. Der WIG-Vorsitzende und ehemalige Inhaber von Parfümerie Plassmann, der sich selbst vor neun Jahren aus Altersgründen aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hat, rechnet mit &bdquo;drei bis fünf Jahren“, bis alle aktuelle Leerstände wieder mit Leben erfüllt sind. Einiges zeichne sich jetzt schon ab. In dem ehemaligen Buchladen etwa solle Gerüchten zufolge eine Fahrschule einziehen. Im einst beliebten &bdquo;Hähnchen-Grill“ komme wieder ein Imbiss rein. Aber für die alten Räume von Diranuk sei bislang nichts in erkennbar und auch nicht für das Restaurant Vier-Tax-Bäume, das schon viele Betreiber gehabt hat. Mit den Leerständen beschäftigt sich auch die Brackweder Bezirkspolitik in ihrer öffentlichen Sitzung nächsten Donnerstag. Für einen künftigen guten Branchenmix wünscht sich der 73-Jährige besonders eine Boutique (&bdquo;Die fehlt“) und ein Frischegeschäft (&bdquo;Der Discounter deckt nicht alles ab“). &bdquo;Ich vermisse auch eine richtige Kneipe, wo man mal nach der Arbeit sein Bier trinken, zum Stammtisch gehen oder einfach eine Kleinigkeit essen kann.“ Für die Zeit der Bauphase hätte sich der WIG-Vorsitzende mehr Unterstützung erhofft. Der erstmals aufgelegte Entschädigungsfonds sei &bdquo;deutlich verbesserungsfähig“. Damit sei zu kurzfristig gedacht und zu wenig auf die wirtschaftliche Situation der kleinen Unternehmer eingegangen worden. &bdquo;Sie dürfen nicht bluten für die Allgemeinheit.“ Mobiel-Projektleiterin Regina Mahlo berichtet, dass insgesamt zehn Entschädigungsanträge eingegangen seien. Fünf seien abgelehnt worden, vier habe man angenommen, ein Antrag sei noch in der Prüfung. Insgesamt seien 30.000 Euro ausgeschüttet worden. Lesen Sie auch: Kündigung: So kann historischer Bielefelder Schatz doch noch gerettet werden Projektleiter Constantin Vollmer vom städtischen Amt für Verkehr betont, dass beim Umbau alles &bdquo;sehr gut gelaufen“ sei - sowohl beim zeitlichen Ablauf als auch bei den Sperrungen: &bdquo;Unter Berücksichtigung aller Umstände und Unwägbarkeiten“. Die geplante Bauzeit von 20 Monaten plus vier Wochen Puffer sei &bdquo;realistisch-optimistisch“ gewesen. Stadt Bielefeld spricht von gutem Ablauf der Bauarbeiten Doch nicht alles hat so geklappt wie geplant. Die ungewöhnlich nasse Witterung habe dafür gesorgt, dass &bdquo;bis zu einem halben Meter mehr Boden ausgetauscht werden musste, um die notwendige Tragfähigkeit zu erreichen“, so Vollmer. Das tiefere Ausschachten wiederum habe zu Konflikten mit Versorgungsleitungen geführt. Auch interessant: Das war’s: Bielefelder Kult-Imbiss nach 65 Jahren zur Schließung gezwungen &bdquo;Das hätten wir nicht planen und voraussehen können“, betont der Bauingenieur. Die Leitungen seien bereits 2022 &bdquo;intensiv geortet und festgelegt“ worden. Der Regen, aber auch der &bdquo;schlechte Untergrund“ seien der Grund für 70 bis 80 Prozent der Zeitverzögerung gewesen, ergänzt Mahlo. Kleine Überraschungen waren die Knochenfunde um die Kirche und ein alter Gasbehälter der Straßenbeleuchtung von 1930, die ebenfalls ein paar Tage Mehrarbeit bedeuteten und als Schrott entsorgt wurden. Gut funktioniert habe dagegen das Verkehrskonzept, sagt Vollmer. Die Hauptstraße sei immer auf einer Mehrzweckspur für Rettungsfahrzeuge, Anwohner und Baufahrzeuge befahrbar gewesen. &bdquo;Bei dieser Straßenbreite hätten wir die Straße eigentlich gänzlich sperren müssen.“ Auch die Zusammenarbeit vor Ort (die auch der WIG-Vorsitzende ausdrücklich lobt) sei gut gewesen. &bdquo;Ich habe mit mindestens 50 Leuten täglich gesprochen, auch entlang der Hauptstraße“ - Passanten, Anwohner und Geschäftsleute. Zu 95 Prozent habe man sich &bdquo;im Guten ausgetauscht“, obwohl die angesprochenen Probleme &bdquo;sehr facettenreich und komplex“ gewesen seien. Umsatzeinbußen bei Brackweder Geschäftsleuten Und die wirtschaftlichen Auswirkungen der langen Umbauphase? Die Geschäftsleute hätten natürlich Umsatzeinbußen gehabt, räumt Vollmer ein. &bdquo;Aber wir haben keine großen Pleiten erlebt, die ohne die Baumaßnahme nicht stattgefunden hätten.“ Die Geschäftswelt in der Hauptstraße sei sehr aufmerksam beobachtet worden – das &bdquo;intensive Monitoring“ sei eine Auflage der Bezirksregierung gewesen. Wechsel, Aufgaben und Neueröffnungen seien &bdquo;absolut in normalem Rahmen“ gewesen. &bdquo;Wir haben alles auf links gedreht in einem so eng besiedelten Gebiet“ - betroffen gewesen seien rund 200 Häuser und etwa 2.000 Anwohner. &bdquo;Vor jedem Geschäft ist ein Meter ausgeschachtet worden, und trotzdem waren alle immer erreichbar.“ Dass die finalen Kosten der Baumaßnahme zehn Millionen höher liegen als die veranschlagten 50 Millionen Euro, das habe zu einem großen Teil an den schlechten Bodenbedingungen gelegen, sagt Mahlo. &bdquo;Wir hatten eine umfangreiche Umlegung von Gas- und Wasserleitungen.“ Das und weitere Maßnahmen zur Bodenstabilisierung hätten sich schon auf sieben bis acht Millionen Euro summiert. Bis zum Eröffnungsfest am 14. und 15. Juni (Details online), wenn auch die Stadtbahnlinie 1 wieder durch die Hauptstraße fährt, bleibt noch einiges zu tun; hier und da muss noch asphaltiert werden, Fahrbahnmarkierungen fehlen, die Fahrleitungen werden noch überprüft. Die Planer hoffen dafür auf trockenes Wetter - Regen, so Vollmer, würde wohl einmal mehr &bdquo;alles durcheinanderbringen“. Hochbahnsteig Windelsbleicher Straße steht als Nächstes an Als Nächstes steht der Bau des neuen Hochbahnsteigs Windelsbleicher Straße an. Das sei aufgrund des Planfeststellungsverfahrens nicht eher möglich gewesen, so Vollmer. Die Stadtbahn könne daher wohl erst im Frühjahr 2026 wieder bis zur Endstation Senne durchfahren. Ebenfalls interessant: Einzelhändler entsetzt: Bielefelds größte Baustelle könnte bis 2025 dauern Die Brackweder, die es jahrelang gewohnt waren, nach kurzem Blick links und rechts einfach die Straße zu wechseln, um ihr nächstes Einkaufsziel anzusteuern, machen derweil die ersten Erfahrungen mit ihrer neu gestalteten City. Der Umweg, zu dem der Hochbahnsteig nun zwingt, finden einige ausgesprochen nervig, wie eine kurze Umfrage ergibt. Andere testen erstmals die moderne Fußgängerampel aus. &bdquo;Du musst drücken, dann erst erscheint das Männchen“, belehrt ein Vater seinen Nachwuchs. Ein Ehepaar, das vor eine Bäckerei sitzt und sein Essen genießt, meint, dass am Ende &bdquo;doch alles sehr schön“ geworden sei - auch wenn es lange gedauert habe. WIG-Vorsitzender Eggert lobt das nun rutschfreie Pflaster, die Bäume und die kostenlosen Parkplätze: &bdquo;Wenn wir die verlieren, können wir in Brackwede einpacken.“ Nach wie vor hätte er aber gern ein Niederflur-Bahnsystem (&bdquo;bis nach Sieker“) gehabt, dass er gerade im Österreichurlaub gesehen habe. Auch die Radweg-Engstellen - besonders am Hochbahnsteig (&bdquo;Das macht am Krankenhaus Mitte genauso Probleme wie hier“) - und die sogenannte Möblierung missbilligt er. &bdquo;Überall Laternen, Pfeiler, Bänke - es passt nichts mehr dazwischen. Da werden wir große Probleme haben, die Glückstaler-Stände zu platzieren.“ 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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