Reizthema Fahrradbügel statt Parkplätze: Bielefelder Geschäftsleute beklagen Sinnlosigkeit

Bielefeld. Fast genau acht Jahre ist es her, dass entlang der Stapenhorststraße im Bielefelder Westen zwölf Parkplätze zugunsten des Radverkehrs abgeschafft worden sind. Parkplätze, um die zuvor von Einzelhändlern hart gerungen worden war. Auch nachdem der Zement der stattdessen aufgestellten Fahrradbügel trocken war, ging der Streit weiter, der schließlich Ende 2017 in einem Kompromiss endete. Danach haben sich die Geschäftsleute an der Hauptverkehrsstraße im Bielefelder Westen in ihr Schicksal ergeben. Doch jetzt flammt das Thema wieder auf, schmerzt die alte Wunde, weil die Bielefelder FDP diese wieder aufgerissen hat. &bdquo;Weg mit den Fahrradbügeln“, hatten die Liberalen Ende April im frühen Kommunalwahlkampfstadium gefordert. &bdquo;Sie sind ein Beispiel für eine völlig verkehrte Verkehrspolitik“, hatte die FDP-Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl, Jasmin Wahl-Schwentker, kritisiert. Fahrradwege hätten an Hauptrouten, wie der Stapenhorststraße, nichts zu suchen, so die FDP. Besser seien Nebenstrecken – wie die Diskussion um die Radroute zur Uni noch einmal bestätige. Und die Parkplätze seien für die Geschäftsleute &bdquo;existentiell wichtig“. Gekommen waren die Fahrradbügel im Sommer 2017 nach einem schweren Verkehrsunfall mit Fahrradbeteiligung. Daraufhin hatte das Straßenverkehrsamt Tempo 30 angeordnet und die Stadt hatte zwölf Parkplätze eingezogen, weil diese den Sicherheitsanforderungen im Straßenverkehr nicht genügten, wie es damals hieß. Es fehlte ein Sicherheitsabstand zum Radfahrstreifen. Fahrradbügel nur zu Arminia-Heimspielen gefragt Eva Mönkemöller hätte auf die reine FDP-Forderung gar nicht reagiert, sagt sie. Auch wenn die Inhaberin des Buchantiquariats an der Ecke Stapenhorststraße/Melanchthonstraße tagtäglich sehr gut beobachten kann, dass die Fahrradbügel vor ihrer Tür kaum genutzt werden – mit Ausnahme von Arminia-Heimspielen. Dann macht sie wegen fehlender Parkplätze für ihre Kunden gleich gar nicht auf. Aber zwei Aussagen in der Folge hätten ihr die Hutschnur hochgehen lassen. Dass die ADFC-Vorsitzende Ruth Hachmann die Forderung nach Rückbau als rein ideologisch bezeichnet habe und die Äußerung von Grünen-OB-Kandidaten Domnic Hallau zum Wegfall von Parkplätzen an der Jöllenbecker Straße. Hallau hatte gesagt, der Einfluss von Parkplätzen vor Ladengeschäften werde im Hinblick auf deren Umsatz überschätzt. Mönkemöller entgegnet: &bdquo;Wenn man die kleinen inhabergeführten Geschäfte außerhalb der Innenstadt erhalten will, müssen sie auch erreichbar sein. Und das nicht nur für Radfahrer und Fußgänger. Jeder Parkplatz, der wegfällt, ist einer zu viel.“ Grundsätzlich hält Mönkemöller die Parksituation an ihrer Ecke der Stapenhorststraße für sehr problematisch: Oetkerhalle, drei Schulen, Schüco-Arena, Geschäftskunden und Anwohner – viel zu wenig Parkraum für alle. Und das Quartiersparkhaus sei noch Zukunftsmusik. Jetzt mache Bielefeld mit der Radroute zur Uni, die viele Parkplätze kosten würde, wieder den zweiten Schritt vor dem ersten, klagt die Geschäftsfrau. Lesen Sie auch: Umbau legt Bielefelder Hauptverkehrsstraße für 30 Monate lahm Auf breitem Gehweg Fahrradbügel und Stellplätze möglich Die 58-Jährige, die selbst Fahrrad fährt, würde noch nicht einmal sagen, dass die Fahrradbügel weg sollten. Aber sie könnten ihrer Meinung nach gut auf dem breiten Bürgersteig Platz finden, so dass die Parkbuchten reaktiviert werden könnten. So wie es jetzt ist, sei es eine &bdquo;höchst unsinnige Aktion“. Kai Dustmann führt seit 1997 den &bdquo;Second Hand Computer Shop“ an der Stapenhorststraße. Vor seinem Ladenlokal ist der einstige Pkw-Stellplatz mit zwei Fahrradbügeln belegt. &bdquo;Meine Kunden klagen ständig über die fehlende Parkmöglichkeit“, schildert Dustmann. Vor allem, wenn sie größere Gerätschaften zu schleppen haben. Glücklicherweise habe er ein Abkommen mit seinem Vermieter, so dass Kunden kurzzeitig neben dem Haus parken dürfen. &bdquo;Wenn diese Einfahrt nicht wäre, wäre es furchtbar.“ Er würde drei Kreuze machen, wären die Bügel weg. &bdquo;Es kommt niemand zu mir, weil ich die Fahrradstangen vor der Tür habe. Aber es kommen Kunden nicht zu mir, weil wir keinen Parkplatz in der Nähe haben.“ So haben immerhin seine Mitarbeiter einen Radstellplatz unweit der Ladentür. Ansonsten stünden selten Räder dort. Zum Thema: Ausbau von Bielefelder Pendlerstrecke: Wie viele Parkplätze fallen tatsächlich weg? Stellplätze fehlen an allen Ecken und Enden Auf die Fahrradbügel vor ihrer Fleischerei angesprochen, sprudelt es aus Evelyn Jannuzzo nur so heraus. Sie und ihr Mann Sandro haben vor fünf Jahren die Fleischerei Wellmann übernommen. Fleischermeister Gottfried Wellmann war 2017 eine der treibenden Kräfte im Kampf gegen die Bügel. &bdquo;Das ist die sinnloseste Ausgabe, die die Stadt jemals getätigt hat“, kritisiert Evelyn Jannuzzo. Maximal zwei- bis dreimal die Woche stünde vor ihrer Tür ein Fahrrad. Aber den Kunden, den Lieferanten der Geschäfte im Umfeld, der Post und den Paketdiensten fehlten die Stellplätze sehr. Die drei Kurzzeitparkplätze, die damals als Kompromiss an der Friedrichstraße um die Ecke eingerichtet worden seien, würden – trotz entsprechender Beschilderung – von vielen länger als 30 Minuten genutzt. Reiche Beute für Politessen und die Abschlepper. &bdquo;Daher finde ich die FDP-Forderung super“, sagt die Geschäftsfrau rundheraus. Ohne die hätte vielleicht niemand mehr darüber gesprochen, meint Sandro Jannuzzo. Nach acht Jahren sei die Situation Gewohnheit, &bdquo;aber gebracht hat sie nichts.“ Er ist sicher, dass seine Fleischerei mehr Umsatz machen könnte. Er schimpft auf die Stadt, die &bdquo;bekannt sei dafür, dass sie Gewerbetreibende zerstört“. Die einjährige Sperrung der Stapenhorststraße wegen des Starkstromleitungsbaus hängt ihm und seinem Geschäft auch noch nach. &bdquo;Bielefeld ist ein totaler Autohasser“, so sein abschließendes Votum. &bdquo;Rot-Grün verfolgt bei Verkehrsmaßnahmen seit Jahren das Prinzip der ideologisch gesteuerten Einzelverbote, ohne CO2-Bilanzen zu evaluieren oder gar Negativfolgen zu betrachten“, schreibt Dieter Gutknecht und lässt damit kein gutes Haar an seiner früheren politischen Heimat. Gutknecht ist ehemaliger Fraktionsvorsitzende der Grünen und war ehemals stellvertretender Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk Mitte. &bdquo;Die Leidtragenden sind das wohnortnahe Kleingewerbe, Dienstleister und Handwerksbetriebe, letztlich aber alles Bielefelder Bürger und Bürgerinnen durch künstlich herbeigeführte Staus, die zur Verteuerung von Waren und Lohnkosten beitragen, ohne dass nur annähernd Klimaziele erreicht werden.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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