Auftritt im Berliner Berghain: Diese Bielefelderin hat das mit ihrer Musik geschafft

Bielefeld. Diese Frau ist wahrlich zäh zu nennen. Schon bei ihrem Konzert Anfang April im Forum Bielefeld war außer der vierköpfigen Band der Erkältungstee mit auf der Bühne – angemerkt hat man Mina Richmans Stimme und Performance die Schnupfennase nicht. Danach habe sie noch das Konzert in Köln und das in der Kantine am Berghain, direkt neben dem Berliner Kult-Club, gespielt, erzählt die 27-jährige Bielefelder Singer-Songwriterin beim Treffen im Café Lutter. Erkältung oder nicht – die Termine stehen, die Tour zum Release ihrer dritten EP &bdquo;Past 25“ (auch auf Vinyl, beim Label Ladies & Ladys), mit fünf neuen Stücken läuft landauf, landab, die Konzertlocations sind gebucht. &bdquo;Das letzte Jahr war krass“, beantwortet die Deutsch-Iranerin die Frage nach der Karriere, die immer schneller Fahrt aufnimmt. Ein proppevolles Forum beim Heimspiel, aber auch 250 Besucherinnen und Besucher in Berlin – das ist schon was im Überangebot der Hauptstadt. Auf &bdquo;Past 25“ meldet sich Mina Richman, die bürgerlich Schelpmeier heißt, mit lauten und leisen Tönen, fettem Bandsound und im Liveauftritt auch zart und zerbrechlich an der Ukulele zurück. Mit klarer Stimme und sympathischen Überleitungen mit persönlichen Geschichten hatte sie am 5. April im Forum ihr Bielefelder Publikum begeistert: &bdquo;Ganz so viel rede ich in fremden Städten nicht“, sagt sie mit Augenzwinkern. Richman singt mit Humor über das Leben mit ADHS Aber hier, in ihrer Stadt, an der sie hängt wegen deren Überschaubarkeit, mit zugleich großstädtischen Aspekten – da gibt’s ein bisschen mehr von der nahbaren jungen Frau zu erfahren. Im Forums-Publikum waren erstmals ihr aus dem Iran angereister Cousin mit Ehefrau und achtjährigem Sohn. Das hat sie riesig gefreut. Vor Jahren hatte ihre Laufbahn mit dem selbstgetexteten und -komponierten Protestsong &bdquo;Baba Said“ 2022 begonnen und gleich überregional Aufsehen erregt. Es ist ihre Anklage gegen Religionsfanatismus, eine Reaktion auf den Tod von Mahsa Amini (22), die wegen &bdquo;unislamischer Kleidung“ verhaftet wurde und im Teheraner Polizeigewahrsam starb. Da war sie selbst erst Anfang 20. Auch auf der neuen EP bleibt die queere Musikerin kritisch und engagiert, kritisiert etwa den Jugendwahn in unserer Gesellschaft, betont die Schönheit und Würde, die mit jeder Altersphase einhergehe. Musikalisch bewegt sie sich zwischen Indie-Pop, Soul und Blues. Aber auch funkige Töne sind zu hören, etwa im Track &bdquo;Work“. Als sogenannte neurodivergente Person singt sie mit Humor und Selbstbewusstsein über das Leben mit ADHS und die kreative Kraft, die die kognitive Besonderheit neben mehrfach gewaschener, aber nie aufgehängter Wäsche und verlegten Schlüsseln mit sich bringen kann. Lesen Sie auch: Stimmstarke Bielefelder Lehrerin auf dem Weg in die Charts Wichtiger Begleiter ist ihre Band mit Leon Brames (Drums), Friedrich Schnorr von Carolsfeld (Gitarre) und Alexander Mau (Bass). Hervorragende Musiker und auch enge Freunde, denen sie vertraut. Mit denen sie regelmäßig zum Proben in Wadersloh (Kreis Warendorf) zusammenkommt, manchmal auch in Klausur geht, irgendwo auf dem Lande. &bdquo;Das sind herzensgute Menschen, mit denen ich auch in einer WG leben könnte“, sagt sie. Musikkarriere und Schuldienst könnten gut zusammenpassen Im letzten Jahr seien sie menschlich und musikalisch noch enger zusammengewachsen. Zwei Deutschland-Tourneen, Support-Shows für Alice Merton, Christina Stürmer und die Auszeichnung als &bdquo;Outstanding Artist“ beim Pop-NRW-Preis 2024 hat sie auf der Haben-Seite. Mit Bela B (&bdquo;Die Ärzte“) performte sie auf einer großen Kundgebung gegen Rechts in Berlin den Ärzte-Hit &bdquo;Schrei nach Liebe“. Musikmachen hat bei Mina Richman eben auch eine politische Komponente: So stand sie in Bielefeld im Februar bei der Großdemo gegen das Erstarken rechter Parteien auf der Bühne. &bdquo;Ich sage und singe, was ich denke, möchte mich gegen bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen positionieren“, sagt sie. Das könnte Sie interessieren: Mina Richman spielt formidables Tourfinale im Forum Bielefeld Das Bedürfnis, Flagge zu zeigen, hat bei ihr noch eine weitere Bewandtnis: In ihrem Alltag ist sie angehende Lehrerin. Es stehen noch ein paar Prüfungen an der Uni und die Masterarbeit aus. Unterricht als Vertretungslehrerin im Fach Englisch gibt sie aber schon am Oberstufenkolleg. &bdquo;Ich komme gern in diese Schule“, betont sie. Deren Konzept würde sie auch im Berufsleben gern einmal mittragen. Sie liebe Kinder, besonders die Arbeit mit Teenagern liege ihr am Herzen: &bdquo;Das ist eine unterschätzte Gruppe. Wir versäumen es als Gesellschaft, ihnen beizeiten auf Augenhöhe zu begegnen.“ Es freut sie, wenn Schüler und Kollegen in die Konzerte kommen: &bdquo;Das gibt mir ein gutes Gefühl von Gemeinschaft. In der Schule haben wir einen Demokratisierungsauftrag, eine Vorbildfunktion. Das kann ich in der Musik nicht einfach unter den Tisch fallen lassen“, verweist sie auf die Schnittmenge zwischen Schuldienst und Bandprojekt. Richman nennt Bielefelds Musikszene &bdquo;klein, aber oho“ Und für welche der zwei Welten wird sie sich dermaleinst entscheiden? &bdquo;Am besten mache ich beides“, sagt sie und lacht. Das Ganze am besten weiter von Bielefeld aus, wo die Musikszene &bdquo;klein, aber oho“ sei, die Strukturen überschaubar. Auf &bdquo;Reizüberflutung“ einer Stadt wie Berlin kann Mina da gut verzichten.

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