Müllberge in Bielefeld: auch Adressen und Bankverbindungen in Tüten entsorgt

Bielefeld. Thomas Winkenjohann hat das Smartphone stets griffbereit, wenn er in Bielefeld unterwegs ist – und das ist er oft. Seit rund drei Jahren fällt ihm dabei verstärkt überall herumliegender Müll auf – ob gedankenlos weggeworfen oder bewusst irgendwo abgestellt. Vor einem Vierteljahr hat er es nicht mehr tatenlos mitansehen wollen. Seitdem gehört der städtische Mängelmelder zu seinen meistgenutzten Apps. Die immensen Mengen seiner Fundstücke machen ihn fassungslos und auch, dass die Verursacher selbst gefährliche Reststoffe wie Altöl einfach im Gebüsch entsorgen. &bdquo;Dabei haben wir nur diese eine Welt.“ Auf seinen Wegen durch die Stadt stößt der Senner ständig auf etwas, was Unbekannte hinterlassen haben. &bdquo;Die ganze Stadt, Innenstadt, wie Außenbereich, ist völlig verdreckt“, sagt er. Einer der Hotspots ist offenbar die Park&Ride-Brücke Am Schießstand, die kurz vor der A2-Brücke vor Sennestadt über die Paderborner Straße (L 756) führt. Sie ist über zwei Zubringersträßchen beidseitig der Landesstraße 756 erreichbar, fern jeder Ansiedlung, von viel Wald und Gebüsch umgeben. Im Gestrüpp, in den Brombeerranken und im Unterholz haben sich Plastiktüten, Taschentücher und allerlei Papier verfangen, einiges offenbar neu, anderes schon wetterzerfetzt. Hinter der Leitplanke liegt ein Satz alter Autoreifen, eine leere Motorölflasche, alte Fußmatten, überall Zigarettenkippen. Winkenjohann hat einen blauen 20-Liter-Kanister aus der abfallenden Böschung geholt. Er tunkt vorsichtig ein Stück Karton hinein und lässt die tiefdunkle ölige Flüssigkeit zurück ins Behältnis tropfen. &bdquo;Das werde ich gleich melden.“ Hausmüll mit Adressen und Bankverbindungen Ein paar Meter weiter liegen prall gefüllte blaue Müllsäcke, die jemand 20 Meter in den Wald hinein geschleppt und abgelagert hat. Vorn im Abwassergraben lagern Reste von altem Parkett, ein dünnes Rohr, Taschentücher. Unterhalb des schmalen Zubringers zur L 756 verschandeln weitere Hausmüll-Tüten die Natur: mit Briefen von der Stadt (&bdquo;Beratungsangebot zur Geburt Ihres Kindes“), gerichtet an eine Adresse in der östlichen Innenstadt, auch Bankverbindungen sind dabei. Winkenjohann: &bdquo;Das habe ich der Stadt Ende letzter Woche gemeldet.“ Seitdem sind mehrere Tage vergangen. Lesen Sie auch: Bielefeld ist voller Müll – Bürger melden Abfallprobleme Am Ostkampweg auf der anderen Brückenseite hat der Senner vor ein paar Tagen neben dem üblichen Zigarettenschachtel-Papier-Tüten-Taschentücher-Mix ein rundes blaues Terrassentischchen nebst Stühlen gesichtet. Über acht leere Einkaufswagen von Aldi, die besitzerlos herumstanden (&bdquo;Die hat jemand offenbar aus Sennestadt vom Supermarkt geklaut“), hat er den Lebensmittel-Discounter informiert, der sie nach einigem Hin und Her – &bdquo;Da bin ich hartnäckig“ – abgeholt hat. Weniger Glück hatte er beim Landesbetrieb Straßen NRW, der sich bei dem Hinweis auf Abfall auf dem Grünstreifen zwischen den A33-Fahrbahnen, der ihm in Höhe der Enniskillener Straße aufgefallen war, als &bdquo;nicht zuständig“ erklärt habe, erzählt er: Das sei die Autobahn GmbH. &bdquo;Bitte schreiben Sie dorthin“, sei ihm gesagt worden. Wenig Glück hatte der Senner auch bei den Mitarbeitern eines städtischen Wertstoffhofes. Er selbst, aber auch seine Familie sammeln immer mal wieder Unrat auf und entsorgen ihn ordnungsgemäß. Doch die städtischen Mitarbeiter zeigten sich misstrauisch. &bdquo;Sie haben mir nicht geglaubt, dass das gar nicht mir gehört.“ Er sollte die Abgabe bezahlen. &bdquo;So was mache ich nicht noch mal.“ Müllproblem in Bielefeld: Ratten am Altkleidercontainer Ratten auf der Suche nach Nahrung hat der Senner bereits mehrfach beobachtet: im Bereich des Park&Ride-Parkplatzes etwa oder an einem Altkleidercontainer auf dem Gelände eines Sennestädter Supermarkts, wo der Müll schon seit langem unbeachtete herumliege: &bdquo;Für Mäuse sind die zu groß.“ Hinter dem kaputten Zaun befinde sich ein Grundstück der Stadtwerke Bielefeld, das auch Wasserschutzgebiet sei. &bdquo;Es ist unverständlich, warum der Zaun nicht instand gesetzt wird und dort zumindest der Müll entfernt wird.“ Vor langen Jahren sei er oft nach Asien gereist, auch dort habe überall Unrat herumgelegen, erzählt Winkenjohann, der sich keineswegs als &bdquo;Grüner“ definiere, sondern nur vom Müll um ihn herum genervt sei. &bdquo;Mittlerweile sieht es hier genauso aus.“ Nicht einmal Abfalleimer, etwa auf dem Brückenparkplatz, gebe es. &bdquo;Und ob das was bringt?“, sinniert er. Lesen Sie auch: Bielefelds Altkleidercontainer werden zu Mülleimern: Bethel und DRK äußern sich Der Sprecher des Umweltbetriebs, Michael Koch, ist skeptisch. Er hat es häufiger schon erlebt, dass in den städtischen Grünanlagen &bdquo;ein Mülleimer voll ist, der etwas günstiger liegt, aber der 100 Meter weiter entfernte ist mehr oder weniger leer“. Dem Umweltbetrieb zufolge – der übrigens zwischen &bdquo;wildem Müll“, der gern im Wald oder an Altglascontainern abgelagert wird, und &bdquo;Littering“ (herumliegende Zigarettenstummel, Einwegverpackungen und Ähnliches) unterscheidet – ist das Aufkommen seit Jahren konstant geblieben. &bdquo;Aber auf hohem Niveau“, sagt Koch. Und: Die Nutzung des Mängelmelders werde ausdrücklich begrüßt. &bdquo;Wir sind froh, wenn Menschen das überhaupt melden.“

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