Sind Sie einsam? Dann können diese Bielefelder Ihnen vielleicht helfen

Bielefeld. Die schwere Depression hatte Oskar Z. (Name geändert) überrumpelt. &bdquo;Ich kannte solche Empfindungen gar nicht. Dann traf es mich besonders hart“, schildert der Rentner aus Bielefeld. Als seine an Krebs erkrankte Frau, die er zu Hause pflegte, 2020 starb, sei er in ein &bdquo;tiefes Loch“ gefallen. So tief, dass er nicht mehr leben wollte. Mit Selbstmordgedanken wurde Z. in die Psychiatrie gebracht, wo er mehr als sechs Monate verbrachte. &bdquo;Ganz langsam habe ich mich dort stabilisiert. Doch nach der Entlassung waren die trüben Gedanken wieder da.“ Auch die Tagesklinik, in die seine 51-jährige Tochter ihn vermittelte, damit er unter Menschen kam, brachte nicht den großen Durchbruch. Allerdings, räumt Oskar Z. ein, in beiden Einrichtungen habe er Strategien gelernt, besser mit Trauer und Einsamkeit umzugehen. Es sei schließlich eine Fülle von Maßnahmen, dazu ein gutes Netzwerk gewesen, die ihn zum Wiederauftauchen und Hoffnung schöpfen veranlassten. Einer der Bausteine seines persönlichen Hilfe-Programms ist die Teilnahme an der Telefonpatenschaft der Caritas. Seit gut einem Jahr bietet der Pastoralverbund Bielefeld-Mitte-Nord-West dieses Projekt unter dem Motto &bdquo;Telefonieren gegen Einsamkeit“ an. &bdquo;Wenn die Chemie stimmt, wächst das Vertrauen“ Das Schildescher Pfarrbüro hatte auch Z. angeschrieben, gefragt, ob er Interesse habe, mit einem festen Partner ein Mal pro Woche am Telefon ins Gespräch zu kommen. Zuerst zögerte der Rentner, sagte dann aber zu. Seither wird er von einer Patin angerufen, mit der er inzwischen über Gott und die Welt reden kann. Lesen Sie auch: 1,2 Millionen Anrufe bei Telefonseelsorge &bdquo;Oft sind es Alltagsdinge, die wir uns erzählen. Manchmal gehen die Gespräche auch tiefer. Mein Gegenüber berichtet auch so einiges aus ihrem Leben. Es ist zunehmend ein Gespräch auf Augenhöhe, ein Geben und Nehmen“, schildert der 82-Jährige.Genau das sei der Plan, sagt Elisabeth Kamender, die mit weiteren Ehrenamtlichen das Projekt mit Leben füllt. Die Paten gingen zwar auf die Betroffenen zu und riefen sie wöchentlich an, doch im Gespräch sei eine gewisse &bdquo;Symmetrie“ angestrebt, ergänzt Maria von der Haar (Caritas-Konferenz Pfarrgemeinde Schildesche). Das Gespräch soll und kann kein Therapiegespräch sein. &bdquo;Hier treffen sich einfach zwei Menschen zum Austausch. Wenn die Chemie stimmt, wächst das Vertrauen.“ Die Verlässlichkeit und Vertraulichkeit des Angebots helfe den Menschen nahezu beiläufig aus einem Tief heraus. Auch können die ehrenamtlichen Paten Hinweise auf konkrete Hilfsangebote geben. Diplompädagogin Kamender bringt als frühere Leiterin der Telefonseelsorge Bielefeld viel Erfahrung mit verschiedenen Lebenslagen mit. Jetzt, im Ruhestand, übernimmt sie die regelmäßige Supervision der Mitarbeiter, denn auch sie brauchen ab und zu fachlichen Rat. Viele ziehen sich zurück, was den Zustand verschlimmert Das Projekt, das mit Plakaten, Flyern und Weihnachtsbriefen beworben wurde, läuft erfolgreich, die Nachfrage sei gut. Oftmals seien es Ältere, die einsam seien, die Partner oder Freunde verloren hätten. Oder die wegen körperlicher Einschränkungen nicht viel rauskommen. Viele ziehen sich zurück, was den Zustand verschlimmere. &bdquo;Diese Situation kann uns alle treffen. Dann ist es gut, wenn man die Menschen aus der Isolation holt“, findet Kamender. Die Telefonpatenschaften seien günstig und schnell zu realisieren. &bdquo;Auch ich als Patin profitiere davon. Es gibt frische Impulse fürs eigene Leben. Dinge, von denen ich vielleicht noch nie gehört habe, neue Blicke aufs Leben. Manchmal einfach nur Musik- oder Literaturtipps“, schildert eine der Patinnen. Das könnte Sie auch interessieren: Hier gibt es Hilfe, wenn das Leben schwerfällt Es sei ein &bdquo;mutiger Akt“, diese Form der Hilfe anzunehmen, beobachtet Kamender, aber eigentlich auch ganz leicht. Das kann Oskar Z. bestätigen. Das wöchentliche Gespräch ist neben anderen Aktivitäten, die er wieder aufgenommen hat, ein wichtiger Termin für ihn. &bdquo;Ich weiß, dass meine seelische Gesundheit schwankt, die trüben Gedanken gerade vor Feiertagen zunehmen“, berichtet er. Aber auch, dass die Gespräche am Telefon ihm ein gutes Gefühl geben. Gerade dann, wenn er sich am liebsten verkriechen will. Inzwischen ruft er selbst jeden Abend eine hochbetagte Dame (95) an – nur um zu hören, ob alles in Ordnung ist. Interessierte an den Telefonpatenschaften melden sich per Mail bei info@kath-bi.de, per Tel.: 0521 16398-500. In der Themenreihe Einsamkeit bisher erschienen: Teil 1: Einsamkeit als soziale Krise – Bielefelds unsichtbare Epidemie Teil 2: Neustart in Bielefeld – So überwindet eine alleinerziehende Mutter Einsamkeit Teil 3: Interview: Seelische Gesundheit in Bielefeld: Einsam zu sein ist kein Tabu Teil 4: Bielefelder Professorin: Jugendliche sind einsam und stehen unter enormem Druck Teil 5: Einsamkeit im Alter – ein wachsendes Problem auch in Bielefeld Teil 6: Besonderer Spaziertreff – So bekämpfen Bielefelder jetzt ihre Einsamkeit

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