Arminia Bielefelds wilde Zehnerjahre: Gänsehautentzündung im Spiegelzelt

Bielefeld. Darüber, dass es eine ausgesprochen gute Idee war, dem &bdquo;Legenden-Abend im Spiegelzelt“ des vergangenen Jahres eine Fortsetzung zu geben, waren sie sich sofort einig. Einzig über den Titel waren sich Arminia-Ehrenpräsident Hans-Jürgen Laufer als Initiator und NW-Chefredakteur Thomas Seim als Veranstalter nicht ganz einig: &bdquo;Gänsehautentzündung“ sollte der Abend rund um die Zehnerjahre des DSC Arminia genannt werden – wenn es nach Laufer geht. &bdquo;Am Ende hat er mich überstimmt“, sagt Seim mit einem Augenzwinkern. Denn der Begriff, der für nicht ganz eingefleischte Arminen eher nach Juckreiz als nach Leidenschaft klingt, war aus gutem Grund für Laufer die erste Wahl. Er beschreibt für ihn einen Moment, der sowohl das Scheitern als auch das Triumphale dieses wilden Jahrzehnts zusammenbringt: Die 0:4-Niederlage im DFB-Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg im April 2015. &bdquo;Wer hat hier jetzt eigentlich gewonnen?“ Denn obwohl Arminia gegen den späteren Pokalsieger chancenlos war und hoch verlor, wurde die Mannschaft von den Fans frenetisch gefeiert. &bdquo;Am Ende standen dann die Wolfsburger auf dem Platz und fragten sich: Wer hat denn hier jetzt eigentlich gewonnen?“, erinnert sich Laufer an diesen Augenblick, der von einem ebenfalls wie vom Donner gerührten Sportreporter mit dem Begriff &bdquo;Gänsehautentzündung“ bezeichnet und damit fest in die Annalen des DSC geschrieben wurde. Der große Pokalabend war sicher einer der prägenden Momente des Jahrzehnts, aber bei Weitem nicht der einzige, der erinnerungswürdig war. Entsprechend war es für Moderator und &bdquo;11Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster kein Problem, daraus ein abendfüllendes Programm zu gestalten. Unterstützt wurde er dabei von einer namhaften Runde von Talk-Gästen, die den steilen Niedergang des DSC am Anfang des Jahrzehnts, die Berg- und Talbahn in der Mitte und den triumphalen Bundesliga-Aufstieg am Ende hautnah miterlebt hatten. Trainer-Persönlichkeiten wie Norbert Meier, Stefan Krämer, Carsten Rump und Marco Kostmann nahmen ebenso auf dem Podium Platz wie ehemalige Spieler wie Tom Schütz, Sebastian Hille, Manuel Hornig oder David Ulm oder Betreuer Rainer Schonz: Sie alle hatten in ihrer Zeit bei Arminia Bielefeld markante Spuren hinterlassen und konnten daher gepflegt aus dem Nähkästchen plaudern. Und das wollten sich rund 350 Besucherinnen und Besucher im Spiegelzelt natürlich nicht entgehen lassen. &bdquo;Wenigstens verlieren wir hier gegen Arminia.“ Stefan Krämer erinnerte sich etwa an seine Anfänge in Ostwestfalen, die gerade für ihn als Rheinländer alles andere als einfach waren. Aber wie die Bielefelder, die sich als treue Seelen erweisen würden, wenn man erst einmal miteinander warm geworden sei, ist auch Krämer dem Arminia-Virus verfallen: &bdquo;Ich war danach bei sechs Vereinen. Und bei jedem war die erste Aufgabe meines Pressesprechers, mir nach dem Spiel zu sagen, wie Arminia gespielt hat.“Auch Norbert Meier, der im Februar 2014 auf Krämer folgte, räumte ein, nach seiner intensiven Zeit auf der DSC-Trainerbank weiter eine Schwäche für Bielefeld zu haben. &bdquo;Als ich ein paar Jahre später als FCK-Trainer hier wieder hinkam und 0:2 verlor, sagte ich mir: Wenigstens verlieren wir gegen Arminia.“ Ins Gedächtnis gebrannt hatte sich bei den Arminen allerdings eine andere, wenn nicht sogar die Niederlage des Jahrzehnts: die Relegation gegen Darmstadt. &bdquo;Ich habe mir das Spiel bis heute nicht noch einmal angeschaut“, erzählte Sebastian Hille, der sich nur noch bruchstückhaft an den Abend erinnert: &bdquo;Ich weiß noch, dass ich danach eine Stunde unter der Dusche gesessen habe. Bis dann einer kam und sagte: Geh nach Hause. Und dann bin ich auf dem Heimweg auf dem OWD auch noch geblitzt worden.“ Marco Kostmann erinnert sich noch genau an den Augenblick, als die Niederlage feststand: &bdquo;Man merkte, wie die Energie aus dem Stadion wich. Es war totenstill.“ Doch an solchen Erfahrungen könne man wachsen. &bdquo;Deshalb sollte man sich die Erinnerung daran in einen Safe packen und herausholen, wenn es nötig ist.“ Danach wurde das Darmstadt-Trauma tatsächlich schnell wieder weggepackt und lieber in schönen Erinnerungen geschwelgt. Und davon gab es zwischen 2010 und 2020 ebenfalls eine Menge – eben auch, wie sich vor zehn Jahren ein Drittligist sich anschickte, im DFB-Pokal für Furore zu sorgen. &bdquo;So lange wie möglich die Null halten“, gibt David Ulm der aktuellen Mannschaft Tipps. &bdquo;Wenn man dann noch ein paar gute Konter setzt, brennt das Stadion und es ist alles möglich.“ Der Ehrenpräsident sorgt höchstselbst für die finale Gänsehaut Am Ende des Abends hatte dann einmal mehr der Ehrenpräsident seinen Auftritt: Er stimmte auf der Bühne die Arminia-Hymne an und rührte das Publikum damit zu Tränen – erst wegen der leidenschaftlich schiefen Töne, dann aber vor allem wegen der Inbrunst, mit der wenige Augenblicke später das gesamte Publikum textsicher in das Lied mit einstimmte. Stehende Ovationen, ein Lichtermeer aus leuchtenden Handys – Gänsehautentzündung im Spiegelzelt. Wahrscheinlich ist es einmal mehr eine gute Idee, diesem Abend im kommenden Jahr eine Fortsetzung zu geben. Ticker vom Spiegelzelt-Abend zum Nachlesen Hier gibt’s den Ticker vom Abend noch einmal zum Nachlesen:

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