Bielefeld. Kindern und Jugendlichen den Rücken stärken – nie war es wichtiger als heute, da die Welt in eine ungewisse Zukunft schaut. „Stark sein können wir alle auf unsere eigene Art, dazu braucht man keine Muskeln oder einen dicken Bart“, singen Pippi, Annika und Tommy in einem der zahlreichen Lieder von Oliver Siegel („Wunschpunsch“), die die Pippi-Inszenierung von Nick Westbrock („The Convert“) am Theater Bielefeld bereichern.
Am Samstag war die Premiere, alle Karteninhaber für die fetzige, bereits restlos ausverkaufte Revue dürfen sich auf einen unterhaltsamen Theaterbesuch freuen.
Dass Pippi Langstrumpf (mit großer Verve verkörpert von Gesa Schermuly), die nonkonformistische Superheldin mit den abstehenden Zöpfen aus dem Norden, selbst mit übernatürlichen Körperkräften aufwartet, ist nur symbolisch zu verstehen.
Pippilotta trifft den stärksten Mann der Welt
Für allerhand spaßige Effekte sorgt es allemal, etwa wenn sie bei einem Jahrmarktbesuch mit ihren Freunden Annika (Susanne Schieffer) und Tommy (Janis Kuhnt) mal eben die aufgepumpte Männlichkeit eines gewissen Alfons (Oliver Baierls) dekonstruiert, der sich bis dato als „stärkster Mann der Welt“ geriert hat. Pippi ist nun mal das stärkste Mädchen der Welt – aber eben nicht nur, was ihre Körperkräfte betrifft.
Denn auch sonst kann man viel von ihr lernen – und zwar durchaus in einem pädagogischen Sinne. Dabei scheint eine Art Burgfrieden mit der Lehrerin der örtlichen Schule (wiederum Oliver Baierl in einer der mit viel Witz gestalteten und von Anna Sörensen grandios kostümierten Nebenrollen) zu herrschen: Von „Plutimikation“ will Pippi zwar nichts wissen, in Geografie aber ist sie sehr gut: Natürlich weiß sie, wie die Hauptstadt von Portugal heißt – sie war ja schon dort, und zwar an Bord der „Hoppetosse“, des Piratenschiffs ihres Vaters Efraim Langstrumpf.
Ganz modern als „Erfahrungslernen“ könnte man somit das pädagogische Programm bezeichnen, das Pippi ihren Freunden nach ihrem kurzen Schulintermezzo verordnet – dabei ist das Fach „Sachensuchen“ nur eines von vielen, die das Weltwissen von Kindern erweitern.
Pippi begehrt gegen die Obrigkeit auf

Pippi Langstrumpf_01: Gesa Schermuly | © Philipp Ottendörfer
Auch ein kritischer Umgang mit einer unreflektierten Obrigkeit zählt dazu, bei Lindgren in Gestalt zweier Polizisten (Oliver Baierl und Stefan Imholz), deren geschnarrte Forderungen so vorgestanzt klingen, dass Nick Westbrock sie diese gleich unisono vortragen lässt. Auch die Nervensäge Frau Prysselius (Pippi nennt sie „Prusseliese“), die Pippi ins Kinderheim stecken will, fällt in diese Sparte: Pippis Angriffe auf ihre bürgerliche Würde – etwa beim Seilchenspringen – lassen sie derart außer sich geraten, dass Stefan Imholz in seiner Paraderolle als „Prusseliese“ des öfteren begeisterten Zwischenapplaus erhält.
Auch sonst überzeugt Westbrocks Inszenierung auf ganzer Linie als fetzige Revue für Kinder mit allerhand Action und Humor, wozu nicht zuletzt die Slapstickeinlagen von Luise Kinner als Affe Herr Nilsson beitragen, der seinen Schabernack auch auf Nebenschauplätzen des prächtig-kunterbunten Bühnenbildes von Marvin Ott treibt, etwa wenn er Pippis Apfelschimmel Kleiner Onkel mit gasgefüllten Ballons vom Jahrmarkt entschweben lässt, um ihn anschließend mit einer Steinschleuder wieder vom Himmel zu holen. Da gibt es auch für die Erwachsenen im begeisterten Publikum allerhand zu sehen.