Heftig umstrittenes Bielefelder Fahrradvideo - für Julius (21) war es ein großer Traum

Bielefeld. Mehr als 100.000 Euro für ein knapp fünfminütiges Video, in dem trällernd radelnde Bielefelder ihre Mitbürger fürs Radfahren begeistern sollen und eine opulente Premierenparty: Wegen unverhältnismäßig hoher Kosten gab es viel Kritik an der Werbeaktion der Stadt. Das kleine Filmchen schaffte es sogar ins Verschwender-Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler, sorgte für großen Ärger in der Stadtpolitik und eine Anfrage im Landtag. &bdquo;Unglaublich, das hätte jeder Schüler machen können“, war einer der harmloseren unter den vielen Kommentaren der Bielefelder dazu. Einem Leserbriefschreiber ging es aber nicht um die Kosten, sondern um die Teilnahme eines jungen Mannes mit Behinderung am Video. &bdquo;Sind die Verantwortlichen zurechnungsfähig?“, fragte er und führte aus: &bdquo;Die Einbeziehung eines scheinbar kranken Menschen grenzt ja schon an Missbrauch.“ Der Film sei absolut lächerlich, so sein abschließendes Urteil. Daraufhin hat sich jetzt Frank Thole bei der NW gemeldet, der Vater des jungen Mannes mit Down-Syndrom auf dem Dreirad im Video. Er und sein Sohn Julius verbinden mit dem verpönten Video ganz viel Positives. Zum Thema: Teures Marketing: Bielefelds Fahrrad-Video schafft es ins Verschwender-Schwarzbuch Teures Video erfüllt großen Wunsch &bdquo;Es war ein großer Wunsch von Julius, bei einem Musikvideo mitzumachen“, berichten Vater und Sohn. &bdquo;Super“, hätten sie gedacht, als sie vor einigen Monaten den Aufruf der Stadt, die für den Imagefilm radel- und singfreudige Bielefelder suchte, in der NW gelesen haben. &bdquo;Wir haben dann ein Bewerbungsvideo gedreht und bei mir im Büro den Musikpart aufgenommen“, berichtet Frank Thole. &bdquo;Feuerwerk“ von Vincent Weiß hat er dafür gesungen, erinnert sich Julius. Der sei sein großes Musikvorbild. &bdquo;Aber auch Rap mag ich“, ergänzt der 21-Jährige, der die Mamre-Patmos-Schule besucht und dort schon einmal bei einem Musikprojekt mitgemacht hat. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Helfer in der Kita: Traumberuf gefunden Über die Zusage, beim Bielefelder Fahrradvideo mitmachen zu dürfen, habe er sich riesig gefreut. Und die Produktion, inklusive Gesangscoaching und Aufnahme im Tonstudio, sei total toll gewesen. Julius sei vom Produktionsteam sehr wertschätzend aufgenommen worden und habe gleichberechtigt seinen Anteil beitragen können, so sein Papa. Seine Behinderung sei kein Thema gewesen. &bdquo;Also wirklich eine großartige Inklusionsleistung.“ &bdquo;Aufs Auto kann ich pfeifen, ich brauche nur drei Reifen“, rappt der 21-Jährige im Fahrradwerbefilm und cruist entspannt mit seinem Spezialrad die Fahrradstraße Ehlentruper Weg entlang. Und auch sonst ist er ein cooler Typ, der es schafft, seine Träume zu verwirklichen. Julius arbeitet als Helfer in einer inklusiven Kita der Lebenshilfe in Schildesche, wo seine Familie wohnt. Das sei sein Traumberuf. Bisher sei er dort auch immer mit seinem Spezialrad hingefahren, das er seit acht Jahren hat. Musikvideo-Star und Umweltschützer sammelt Müll Aktuell lebt er aber in einer Trainingswohnung von &bdquo;Gemeinsam wohnen“ in Bielefeld-Heepen. Der Verein unterstützt Menschen mit Behinderung beim Auszug in die Eigenständigkeit. &bdquo;Deshalb fahre ich mit Bus und Bahn zur Kita“, berichtet Julius. Ja, die Videoproduktion sei schon professionell gewesen, sagen beide. &bdquo;Aber irgendwelche Kosten waren nie ein Thema“, sagt Frank Thole. Als er in der Zeitung gelesen habe, dass vor allem auch die Premierenfeier so teuer war, &bdquo;habe ich mich auch erschrocken“. Ihnen sei es aber ein Anliegen, dass nicht nur das Negative an dem Projekt gesehen wird. Lesen Sie auch: Zehntausende Euro für ein Gewinnspiel: Neue Kritik an Kampagne zur Fahrradstadt Bielefeld Das große Poster von ihm als Musikvideo-Star in &bdquo;Bielefeld fährt Rad“ nimmt Julius auf jeden Fall bestimmt mit, wenn er demnächst ganz zu Hause auszieht. Am liebsten in eine eigene kleine Wohnung in Schildesche. Damit er zwischendurch immer mal schnell seine Eltern besuchen kann. Wenn er mal gerade nicht in der Kita arbeitet, Fußball, Golf oder Schlagzeug spielt, Freunde trifft oder mit seinem Rad durch die Stadt fährt. Und dabei – oder auch zu Fuß – Müll und Pfandflaschen einsammelt. &bdquo;Auch Umweltschutz und das Klima sind mir wichtig“, ergänzt Julius.

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